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von emil17 » Mi 11. Jul 2012, 07:15
Interessanter Gedankengang im verlinkten Artikel, jedoch etwas unrealistisch:
Da steht z.B. "Lignin zählt zu den sekundären Pflanzenstoffen, d.h. es ist ein Stoff, der für Pflanzen nicht lebensnotwendig, wenn doch mitunter sehr nützlich ist." Dieser Satz ist absurd, denn ohne Lignin gäbe es keine Gefässpflanzen. Die Pflanzen haben ja die Verbundwerkstoffe erfunden (Fasern und druckfestes Material), und Lignin ist für das Holz das was der Zement für Faserbeton ist. Alles, was grösser als irgend ein Kriechkraut werden will, verwendet Lignin, wobei viele Pflanzen auch noch andere Substanzen wie Silikate in ihre Gewebe einbauen.
Man könnte genausogut sagen, Knochen seien nicht lebensnotwending, mitunter jedoch sehr nützlich. OK, aber ohne Erfindung des Skeletts (auch Insekten haben hieruzu Chitin erfunden) wäre die Entwicklung der Tierwelt auf dem morphologischen Stand von Würmern stehengeblieben.
Mit der gleichen Argumentationsweise kann man behaupten, es brauche kein Gehirn - viele Lebewesen können bestens ohne.
Dass Lignin als polymere Phenolverbindung so schwer abbaubar ist, ist meiner Meinung nach gewollt - nur so können Pflanzen ihre Stützgewebe gegen den Angriff von Mirkroorganismen verteidigen.
Die Argumentation, Lignin sei vor Ende des Karbons nicht abbaubar gewesen, würde bei der langen Dauer dieser Erdzeitperiode (rund 60 Mio. Jahre) und der üblichen Produktivität von Holzpflanzen, die damals eher höher gewesen sein dürfte als heute (mehrfaches des CO2-Gehaltes der Luft) sehr schnell zur völligen Erschöpfung des Luft-CO2 und damit zu einem Wachstumsstop geführt haben. Das Luft-CO2 tauscht sich mit dem grössten biologisch aktiven Speicher von CO2, dem Meer, in Zeiträumen von etwa 1000 Jahren völlig aus, also verglichen mit der Dauer des Karbons rasch. Ausserdem wären alle Nährstoffkreisläufe unterbrochen, wenn Biomasse nicht abgebaut würde.
Um die Hypothese der Autoren zu stützen, wäre eine gründliche Recherche von Fossilien von halb zersetztem Holz aus der Steinkohlenzeit erforderlich. Die gibt es, z.B. noch erhaltene Stümpfe von Bäumen aus Sumpfwäldern. Was hat damals das Holz der Krone und des Stammes zerfallen lassen?
Ich vermute, dass diese modernen ligninabbauenden Pilze damals die Mikroorganismen, welche diesen Job vorher gemacht haben, erstmals erfolgreich konkurrenziert haben, genauso wie die Blütenpflanzen in der Kreidezeit die vorher vorherrschenden Pflanzen abgelöst und in wenige, allerdings heute immer noch bedeutende Ökonischen abgedrängt haben.
Tatsache ist, dass das Karbon vom Perm abeglöst wurde, wo aufgrund der Kontinentalverschiebung das ganze Erdklima völlig anders wurde und grosse Landflächen arid geworden sind (der Buntsandstein als Wüstensedimentgestein zeugt davon).
Dieser Artikel ist vor allem als Eigenwerbung zu verstehen (unser Forschungsgebiet ist wichtig, gebt uns mehr Geld). Deshalb auch der Ausblick auf technische Bedeutung des rascheren biochemischen Ligninabbaus - nur bin ich hier skeptisch: Es gibt gemäss der Theorie der Autoren erst seit Ende Karbon, also seit rund 300 Mio. Jahren, Ligninabbauende Pilze. Mikroorganismen, die Lignin noch rascher verwerten können als die im Artikel zitierten Pilze, wären diesen überlegen und in diesen 300 Mio. Jahren sicher entstanden, wenn es biochemisch möglich wäre.
Eine effiziente und umweltschonende Verfahrenstechnik zur Aufschliessung von Lignin wäre allerdings eine feine Sache - Lignin ist eine mengenmässig extrem bedeutende Substanz, die bei der Papier- und Zellstoff-Fabrikation anfällt und mit der man eigentlich nichts anzufangen weiss.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.