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von emil17 » Do 19. Jan 2023, 13:33
@Dyrsian:
Du hast vermutlich ein schiefes Bild von der Gegenwart, aber das entspricht der weitverbreiteten Wahrnehmungsverfälschung, wonach man eine Abnahme der Zunahme des Wohlstandes bereits als Verschlechterung empfindet.
In der goldenen Zeit nach dem Krieg hat man bei Null angefangen, weshalb jede Verbesserung real und gefühlt sehr viel mehr brachte als heute.
Was besser ist als vor sagen wir 40 Jahren:
Lebenserwartung (statistisch)
Kaufkraft berzogen auf Alltags-Konsumgüter (Lebensmittel, Kleidung, Freizeit-Kram, Möbel usw.)
Alles was Medien und Kommunikation und Zerstreuung betrifft
Wohnraum in Fläche pro Person
Arbeitszeit
Mobilität
Das ist alles Segen und Fluch zugleich, weil der Kommerz um jeden Preis mehr Waren pro Zeit in die Bevölkerung drücken muss, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Rar werdende Güter sind alle, die aufgrund der Zunahme von Bevölkerung und des Konsums pro Mensch und Zeit knapper werden, weil Land und Umwelt begrenzt sind.
Ob jetzt BMW und Chrysler statt Golf oder Dacia geeignete Masstäbe für den Wohlstand sind, mag dahingestellt bleiben. Ein heutiger Golf bietet bezüglich Fahrkomfort und Sicherheit jedenfalls mehr als ein damaliger BMW.
Ja, früher konnte jeder Handwerker zum Eigenheim kommen, wenn er sich ins Zeug gelegt hat. Heute kannst du das nicht mehr mit 8 Stundentag, Zweitwagen, Skiurlaub und Sommer auf Malle, keine Kleider auftragen, und Frühballett und Karate für jedes der Kinder. Aber damals haben die für die eigenen Butze auch 20 Jahre auf (aus heutiger Sicht) gefühlt alles verzichtet.
Der Vergleich mit wer welche Marke fährt zeigt übrigens, warum die Wachstumszwangsspirale nie aufhört: Man möchte nicht hinter die Nachbarn der gleichen sozialen Schicht zurückfallen, und vergleicht unaufhörlich was sich bei denen tut. Deshalb kann die Mehrheit nicht so leben wie sie eigentlich möchte, und deshalb braucht auch der Vorstandsvorsitzende mehr Gehalt, weil er sich mit anderen Vorstandsvorsitzenden vergleicht und nicht seine tatsächliche Kaufkraft als Grundlage seines gefühlten Wohlstandes hernimmt. Die Werbung weiss das natürlich und bedient jeden, Hauptsache der Umsatz stimmt.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.