Am Dienstag waren wir mit dem Arbeitskreis für Mutterkuhhaltung zur Besichtigung und Fortbildung im Schlachthof Kulmbach und anschließend bei der Bundesanstalt für Fleischforschung (Max Rubner Institut), ebenfalls in Kulmbach.
Themen waren die Schlachtung, die Schlachtkörperbewertung und verschiedene Einflussfaktoren auf die Fleischqualität.
Im Schlachthof Kulmbach wird auch der Großteil der Tiere für unser Regionalfleischprogramm Weidewelt Frankenwald geschlachtet.
Es handelt sich um einen kleinen Betrieb im Eigentum der Stadt. Der maximal mögliche Durchsatz beträgt ca. 15 Rinder oder 60 Schweinen pro Stunde. In einem ganzen Jahr wird dort weniger geschlachtet als in manchen der großen deutschen Schlachthöfe pro Tag.
Der Wartebereich für die Rinder ist unterteilt in eine ganze Anzahl unterschiedlich großer Boxen. Die Tiere werden bei der Anlieferung von den Viehfahrern in diesen Boxen untergebracht, in den gleichen Gruppen, wie sie bei den Bauern verladen wurden. Es werden also nur Tiere zusammen in eine Box gesperrt, die sich schon kennen. So bleiben sie ruhig und es kommt nicht zu Rangordnungskämpfen etc.
Wir waren alle beeindruckt, wie ruhig es bei der Anlieferung und im Wartestall zuging. Mehrere Mitglieder des Arbeitskreises, die dort öfter Tiere anliefern, bestätigten uns, dass der Umgang mit dem Vieh dort immer und nicht nur wegen unserer Anwesenheit so vorbildlich sei.
Zur Schlachtung laufen die Rinder durch einen kurzen Gang in einen Fangstand. Dort werden sie von allen Seiten eingeklemmt und der Kopf fixiert. Das ist Vorschrift, damit der Bolzenschuss zur Betäubung sicher angebracht werden kann. Der ganze Vorgang (fixieren und Bolzenschuss) dauert nur wenige Sekunden. Nach dem Ausbluten werden die Tiere über eine Winde durch eine Schleuse ein Stockwerk nach oben gezogen, wo das Abhäuten, Ausnehmen, die tierärztliche Schlachtkörperuntersuchung und das Klassifizieren erfolgen.
Die Tiere im Wartestall bekommen von dem Schlachtvorgang praktisch nichts mit. Die sehen nur den Eingang zum Fixierstand.
Und sie laufen da erstaunlich schnell rein, obwohl sie eine kleine Rampe hoch müssen. Ich vermute das liegt daran, dass es im Fixierstand heller ist als im Wartestall. Evtl. vermuten die Tiere dort einen Ausgang ins Freie.

Das System ist jedenfalls sehr gut durchdacht.
Nach der Schlachtung durchlaufen die Rinderhälfte eine Vorkühlung, welche die Feuchtigkeit an der Schlachtkörperoberfläche abtrocknet. Danach geht es in einen großen Kühlraum, wo die Hälften langsam heruntergekühlt werden.
Während der Führung wurden mehrere Tiere von Mitgliedsbetrieben geschlachtet, anhand derer man uns anschließend die Klassifzierung nach Bemuskelung und Fettabdeckung erklärte. Zur weiteren Vertiefung konnten wir die Schlachtkörper vom Vortag besichtigen. Unter anderem ein Holstein-Friesian-Bulle mit sehr schlechter Bemuskelung und praktisch ohne Fettauflage. Der zeigte recht eindrucksvoll, was Metzger unter einem "blauen" Rind verstehen. Durch das fehlende Fett wirkt der ganze Schlachtkörper bläulich. Ebenfalls beeindruckend war ein Bulle der Rasse Piemonteser aus der Schlachtung vom Dienstag, der mit der höchsten Bemuskelungsklasse E und Fettabdeckung 2 bewertet wurde. Die Ausschlachtung (Verhältnis Schlachtkörpergewicht zu Lebendgewicht) lag bei über 70%. Zum Vergleich: Fleckviehbullen erreichen im Mittel 58%.
Solche extremen Tiere verlangen aber eine intensive Fütterung (in diesem Fall Maissilage + Kraftfutter), was auch der anschließende Vortrag bei der Bundesanstalt betonte.
Schwerpunkt des Vortrags war die Fleischqualität.
Hygiene und Parasitenfreiheit könne der Verbraucher in Deutschland heute auch aufgrund der scharfen gesetzlichen Auflagen als Standard annehmen.
Wenn man von Fleischqualität spräche, dann gehe es hauptsächlich um Inhaltstoffe, Optik, Zartheit, Farbe und Geschmack.
Zudem sei seit einigen Jahren die Entwicklung zu beobachten, dass immer mehr Verbraucher bereit seien, für die Haltungsforum der Tiere einen Aufpreis zu bezahlen. Dieses Kaufkriterium habe man vor 10 Jahren noch nicht als Marktrelevant angesehen.
Im Premiumsegment werde heute verstärkt ein sichtbarer intramuskulärer Fettanteil nachgefragt. Dieser sei aber nur mit einer relativ intensiven Fütterung, zumindest in der letzten Mastphase, zu erreichen. Um einen hohen intramuskulären Fettanteil zu erzielen, müsse das Tier auch insgesamt eine sehr gute Fettabdeckung haben.
Ein Gramm Rinderfett hat ca. 8,5 kcal. Ein Gramm Magerfleisch hat ca. 1,5 kcal.
Ein Rind braucht also viel mehr Futter um ein Gramm Fett zuzulegen als um ein Gramm Magerfleisch anzusetzen.
Premiumfleisch mit hohem Fettanteil ist daher in der Produktion viel teurer als Magerfleisch und muss einen entsprechend hohen Aufpreis erzielen, um für den Bauern und den Metzger rentabel zu sein.
Für die Zartheit des Fleisches sind neben der rassebedingten Muskelfaserdicke das Geschlecht und das Alter des Tieres wichtig.
Fleisch von Ochsen und Färsen hat deutlich niedrigere Scherkraftwerte als das von Jungbullen.
Bei Jungbullen tritt zudem ab einem Alter von ca. 18 Monaten eine verstärkte Collageneinlagerung auf, die das Fleisch zäher macht. Bei Ochsen liege diese Schwelle bei ca. 24 Monaten, bei Färsen bei ca. 32 Monaten. Bei Weidetieren mit viel Bewegung sei die Collageneinlagerung weniger auffällig.
Auch die Fettsäurenzusammensetzung unterscheide sich bei Weidetieren und Masttieren erheblich.
Bei reinen Weidetieren liegt das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren im Mittel bei ca. 1,9 zu 1.
Bei Masttieren liegt das Verhältnis bei über 6 zu 1.
Omega-6-Fettsäuren verengen die Blutgefäße des Menschen und wirken Entzündungsfördernd. Omega -3-Fettsäurnen bewirken das Gegenteil.
Im Bereich von 2 zu 1 bis ca. 5 zu 1 hebt sich die Wirkung gegenseitig auf.
D.h. für eine gesunde Ernährung ist das Weidefleisch von der Fettsäurenzusammensetzung her besser geeignet, bzw. sogar förderlich.
Welches Fleisch die Verbraucher geschmacklich bevorzugen, liege hauptsächlich an der Gewöhnung. Das Weidefleisch hat einen kräftigeren Eigengeschmack. In Versuchen wurde gezeigt, dass ein Teil der Testpersonen bei einem Wechsel das jeweils andere Fleisch zunächst ablehnt, dass aber nach einigen Monaten Gewöhnung und erneutem Wechsel wieder Ablehnung auftritt. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier…
Unter dem Strich lässt sich sagen: Was heute in D als Premium-Rindfleisch gilt verlangt eine kurze und intensive Mast (also Getreidefütterung). Das ergibt schon nachkurzer Reifezeit zartes Fleisch mit viel intramuskulärem Fett und wenig Eigengeschmack.
Fleisch von der Weide tendenziell mehr Eigengeschmack, weniger Fett, aber ein besseres Omega 6 zu Omega 3 Verhältnis. Werden auf der Weide Jungbullen erzeugt, müssen die bei gleicher Rasse wegen des höheren Alters etwas länger reifen, um vergleichbare Zartheit zu erreichen. Bei Ochsen und Färsen ist das höhere Alter unkritisch.
Im Weiteren behandelte der Vortrag mögliche Fehler beim Transport, der Schlachtung und der Kühlung.
Bei Rindern sei es besonders wichtig, Stress beim Fang, Transport und der Schlachtung zu vermeiden. Außerdem sollten die Rinder nicht lange nüchtern bleiben, sondern zügig nach der Anlieferung geschlachtet werden.
Werden die Rinder zu sehr gestresst oder bekommen sie zu lange nichts zu fressen, dann verbrennen sie ihre als Glykogen im Muskel gespeicherten Energiereserven.
Die Folge ist, dass nach der Schlachtung die Milchsäurebakterien nicht genug Nahrung finden, um den pH-Wert der Muskulatur zügig zu reduzieren. Der pH-Wert des Fleisches sinkt dann innerhalb der ersten 24 Stunden nicht unter 6,2 und bleibt dann stabil auf diesem Niveau.
Solches Fleisch ist leicht verderblich und kann deshalb nicht gereift werden. Am Schlachtkörper lässt sich dieses sogenannte DFD-Fleisch (von dark, firm, dry, also dunkel, fest und trocken, beim Rind spricht man auch von DCB (darf cutting beef, also Rindfleisch mit dunkler Schnittfläche) durch eine pH-Wert Messung nach 24 Stunden (nur mit speziellen Glaselektroden möglich) oder optisch durch die dunkle Verfärbung im Anschnitt feststellen.
Dieses Fleisch ist wie gesagt nicht zur Reifung geeignet sondern muss umgehend verarbeitet werden. Außerdem schmeckt es fade und ist leimig. Es eignet sich aber sehr gut für Kochwurst-Produkte, auch wegen seines sehr guten Wasserbindevermögens. Für den Bauern wie den Metzger ein erheblicher Finanzieller Verlust, wenn man all die edlen Muskelstücke in die Kochwurst werfen muss.
Das Problem lässt sich auch nicht dadurch beheben, dass man die Rinder im Schlachthof einige Stunden stehen lässt und sie füttert. Da bei Wiederkäuern die Mikroorganismen den gesamten Zucker in der Nahrung umsetzen nehmen sie nicht wie wir Menschen oder Schweine schnell Zucker über Magen und Darm auf. Deshalb kann es bei Rindern mehrere Tage dauern, bis sie nach starkem Stress ihre Glykogen-Reserven wieder richtig aufgefüllt haben.
Bei Schweinefleisch gibt es ebenfalls DFD durch Stress. Schweine können ihren Glykogen-Haushalt aber viel schneller regulieren als Rinder, so dass das Problem durch eine Ruhepause nach einem stressigen Transport zu beheben ist.
Bei einigen Schweinen gibt es aber ein weiteres Stressproblem, das zu sogenanntem PSE-Fleisch (pale, soft, exudative, also blass, weich und wässrig) führt. Dieses tritt auf, wenn der pH-Wert im Fleisch nach der Schlachtung zu schnell sinkt. Er geht oft innerhalb der ersten Stunde von ca. 7,2 auf 5,5 runter.
Besonders betroffen sind Schweine mit starker Bemuskelung, wenig Fett und einer rassebedingten Stressanfälligkeit. Die entwickeln dann unter Stress durch extrem schnelle Glycogen-Verbrennung in sehr kurzer Zeit eine Art Muskelkater. Durch die Säureansammlung im Fleisch und die erhöhte Temperatur der Muskulatur denaturiert das Muskelfleisch.
Dieses Fleisch ist für den Frischverzehr ungeeignet und hat zudem ein sehr schlechtes Wasserbindevermögen, so dass es nur in kleineren Anteilen für Kochwurstprodukte verwendet werden kann.
Sind Transport und Schlachtung stressarm verlaufen, kann man dem Fleisch aber durch eine falsche Kühlung noch immer erheblichen Schaden zufügen.
Besonders schädlich ist eine zu schnelle Kühlung. Diese führt zum sogenannten Cold-shortening (Muskelverkürzung durch Kälte). Solches Fleisch wird sehr zäh und ist auch durch lange Reifung nicht mehr zart zu bekommen.
Das Problem wurde erstmals mit der 70er Jahre in Neuseeland erkannt. Die Neuseeländer haben einen großen Exportschlachthof für Lammfleisch gebaut. Um alles super hygienisch zu machen, also keine Vermehrung von Bakterien zuzulassen haben sie das Fleisch direkt nach der Schlachtung schockgefrostet.
Der Ärger war dann sehr groß, als ihre Stammkunden, die Briten, ihnen ganze Schiffsladungen Lammfleisch als ungenießbar, da zäh wie Schuhleder zurück geschickt haben.
Es wurde dann in Windeseile ein großes Forschungsteam zusammengestellt, das der Sache auf den Grund ging.
Die haben herausgefunden, dass sich die Muskulatur in den ersten Stunden nach der Schlachtung noch einmal zusammenzieht und dabei letzte Energiereserven im Muskel verbraucht. Der Temperaturverlauf bestimmt ganz wesentlich, wie stark dieses Zusammenziehen erfolgt. Je stärker diese Kontraktion, desto zäher wird das Fleisch.
Die Schlachtkörper dürfen deshalb in den ersten 24 Stunden nur langsam heruntergekühlt werden. Nach 24 Stunden sollte der wärmste Teil nicht mehr als 15 °C, der kälteste aber nicht unter 10°C haben. Direkt nach der Schlachtung sollten die Schlachtkörper mögl. ½ bis 1 Stunde auf Raumtemperatur bleiben.
Diese Erkenntnis hat auch die vorher schon in Deutschland beobachtete unterschiedliche Zähigkeit der Schlachtkörper an unterschiedlichen Schlachttagen erklärt. Waren weniger Tiere im Kühlraum, ging die Temperatur schneller runter und das Fleisch wurde etwas zäher.
Die Neuseeländer haben auch gleich ein Verfahren entwickelt, um das Problem zu umgehen, die sogenannte Elektrostimulation. Dabei werden die Muskeln des Schlachtkörpers direkt nach der Schlachtung durch elektrische Impulse zu einigen Zuckungen angeregt, welche die für die für das letzte Zusammenziehen nötigen Energiereserven in den Muskeln verbrennen. Das Fleisch kann danach schadlos schockgefrostet werden.
Dieses Verfahren wird bis heute nur in wenigen Deutschen Schlachthöfen eingesetzt. In Dänemark sei es dagegen bei praktisch allen Schlachthöfen Standard. Das Fleisch aus Schlachtung mit Elektrostimulation sei auch bei gut geführter Kühlung etwas zarter.
(Wenn ich drüber nachdenke: Die klassische Hausschlachtung im Spätherbst mit Betäubung früher durch den Schlagknauf am Axtrücken der Fleischeraxt und später durch Bolzenschuss war vermutlich optimal für die Gewinnung zarten Fleisches. Die Betäubung war nicht so extrem tief wie bei CO2- oder Elektrobetäubung, die letzten Zuckungen kamen also automatisch. Und das Fleisch würde dann durch die Herbstnacht langsam runtergekühlt.)
Fazit:
Ich wusste ja schon, dass für gutes Fleisch Transport und Schlachtung möglichst ruhig ablaufen müssen und dass zu schnelles Kühlen das Fleisch zäh macht. Am Dienstag habe ich einige Hintergründe zum Warum gelernt.
Neu war für mich, dass bei Rindern eine längere „Ruhepause“ zwischen Transport und Schlachtung mehr schadet als sie nützt.
Wer sein Wissen zu den möglichen Problemen rund um die Schlachtung vertiefen will, findet hier weitere Infos, allerdings mit Schwerpunkt Schwein:
http://edoc.ub.uni-muenchen.de/3267/1/D ... _Uschi.pdf