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von emil17 » Di 8. Mai 2012, 07:58
Ich würde, wäre ich von 'genetisch verunreinigtem' Saatgut betroffen, auch den Spiess umkehren und auf Besitzstörung gegenklagen.
Gene von gentechnisch veränderten Pflanzen werden über Blütenpollen in andere Sorten und auf Nachbarfelder eingekreuzt, ob der Bauer das will oder nicht.
Wenn nun die Klage kommt, "du baust Pflanzen an mit von uns urheberrechtlich geschützten Genen drin, also bezahle Lizenzgebühren"
wäre meine Gegenklage "Habe Eure Gene weder gekauft noch sonstwie angenommen, also holt Euer Zeug wieder ab und, da nun meine Pflanzen verunreinigt sind, ist mir ein Schaden entstanden, also Geld bitte"
Rechtlich wäre da wohl die Regelung über den Eigentumsbegriff und über zugeführte Sachen anwendbar. Im Schweizer ZGB (Hervorhebungen durch mich):
Art. 641
"1 Wer Eigentümer einer Sache ist, kann in den Schranken der Rechtsordnung über sie nach seinem Belieben verfügen.
2 Er hat das Recht, sie von jedem, der sie ihm vorenthält, herauszuverlangen und jede ungerechtfertigte Einwirkung abzuwehren."
Art. 700
"1 Werden Sachen durch Wasser, Wind, Lawinen oder andere Naturgewalt oder zufällige Ereignisse auf ein fremdes Grundstück gebracht, oder geraten Tiere, wie Gross- und Kleinvieh, Bienenschwärme, Geflügel und Fische auf fremden Boden, so hat der Grundeigentümer dem Berechtigten deren Aufsuchung und Wegschaffung zu gestatten.
2 Für den hieraus entstehenden Schaden kann er Ersatz verlangen und hat hiefür an diesen Sachen ein Retentionsrecht."
Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch dürfte es auch eine entsprechende Regelung geben - woran es fehlt sind Leitentscheide der höchsten gerichtlichen Instanzen.
Ob da Lobbyarbeit der interessierten Firmen verhindernd wirkt? Ich hoffe nicht - das würde mein Verständnis der Unabhängigkeit der Gerichte erschüttern.
Im konkreten Fall braucht man einen guten Anwalt, der auch etwas von Biologie versteht. Und der Betroffene ist regelmässig ein einzelner Landwirt, der anderes zu tun und nicht ausreichend Geld und Ausdauer hat, um gegen eine Rechtsabteilung eines internationalen Konzerns anzutreten.
Eine Produktion von Saatgut für den Eigenbedarf ist auch bei geschützten Sorten nicht verboten; man darf aber ohne Zulassung des Sortennameninhabers kein Saatgut unter dem Sortennamen in Verkehr bringen. Das ist, aus Sicht der Saatgutkonzerne, der grosse Vorteil von F1-Hybriden: Man muss immer wieder Saatgut zu festgesetzten Preisen einkaufen, weil der Samen daraus nicht sortenecht ist.
Man nimmt übrigens an, dass die direkten Wildformen vieler windblütiger Nutzpflanzen (Mais, Weizen usw.) wegen Rückkreuzung mit den angebauten Sorten verschwunden sind.
Seitens der Behörden besteht ein Interesse daran, dass nur zugelassene Sorten angebaut werden, weil viele Sorten sehr anfällig gegen Pflanzenkrankheiten sind und daher Nachbarkulturen gefährden. DIeses an sich berechtigte Motiv wird von den Saatgutfirmen dahingehend zweckentfremdet, dass man sich unliebsame Konkurrenz vom Leibe halten kann, denn die Zulassung (einschliesslich Reinheitsnachweis) ist aufwendig und teuer und gerade für Landsorten ist typisch, dass sie nicht genetisch einheitlich sind. Hier gabs schon unsinnige Prozesse (ein Hotelier hat selbst Kartoffeln einer nicht zugelassenen Sorte angbaut, darf diese aber nicht seinen Gästen servieren, weil das "kommerzieller Abau" und nicht mehr "Eigenbedarf" sei).
Das Grundübel an all dem ist aber die Tatsache, dass man an entdeckten (nicht selbst erfundenen!!!) genetischen Eigenschaften geistiges Eigentum erwerben kann. Wenn ich herausfinde, wie ich ein Gen von einem Bakterium in eine Maispflanze bekomme, das dem Mais Resistenz gegen ein Virus gibt, dann kann ich eigentlich nur das Verfahren des Gentransfers patentieren lassen, nicht aber die Tatsache der Resistenz, denn die ist ja vom Bakterium "erfunden" worden. Bezeichnenderweise haben Klagen auf Urheberrechtsverletzung im Softwarebereich Erfolg, wenn jemand nachweisen kann, dass Code aus seiner Software in ein anderes Programm eingebaut wurde - Micro$oft hat schon mehrere Prozesse verloren bzw. durch viel Geld solche Prozesse abgewendet.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.