Getreidesorten Emmer und Einkorn

strega
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Re: Getreidesorten Emmer und Einkorn

#61

Beitrag von strega » So 1. Apr 2018, 08:35

wenn keiner kleine Mengen kaufen will: einfach selberessen? :)
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Rohana
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Re: Getreidesorten Emmer und Einkorn

#62

Beitrag von Rohana » So 1. Apr 2018, 09:17

Öhm... kleine Mengen sind relativ. So schnell isst sich das nicht selbst :holy: und ne ordentliche Mühle hab ich auch nicht. Abgesehen davon bin ich ganz glücklich mit meiner derzeitigen Versorgung (Dinkel, Weizen, Roggen) und nicht sooo erpicht auf Emmer/Einkorn.
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

viktualia

Re: Getreidesorten Emmer und Einkorn

#63

Beitrag von viktualia » So 1. Apr 2018, 09:45

Da immer mehr Menschen auf Gluten allergisch reagieren, gibt es da durchaus nen Markt.
Rohanas Ausführungen zum wirtschaften sind richtig, auch Ölkannes Berechnungen sind "realistisch", aber, wie Ina und Strega und Marion einwenden, sie spiegeln nicht die ganze Realität: alle Getreide werden seit Jahrhunderten, z.T. seit Jahrtausenden auf "Nährstoffdichte" selektiert, dabei waren diese "Nährstoffe" aber lange nicht definiert und es wurde halt nur verbessert im Sinne von: alle Faktoren, wie Anbau (Wetterfest, Unkrautdruck) Verarbeitungsfähigkeit (Spelz und Koch/Backeigenschaften), optimiert, je nach Gelegenheit.
Und ab irgendwann, etwa Ende des vorletzten Jahrhunderts, konnte man mehr Sachen messen, leider halt noch nicht alle.
Da die Menschen "damals" noch mehr hungerten (tun sie ja heute auch noch, aber weniger bei uns, aus den Augen, aus dem Sinn) wurde dann erst mal an den "Hauptnährstoffen" geschraubt: Fette, Eiweisse, Kohlenhydrate.
Die "Ballaststoffe" wurden erfunden, bzw. Kohlenhydrate eher kurzsichtig in "verwertbare" und "Ballast" getrennt, ohne Berücksichtigung der Darmeigenschaften. Im Kontext der Geschichte verständlich, für den Konsummenschen von heute fatal. Ich rätsle seit Jahren, warum Tiere den Ballast brauchen dürfen und Konsumenten darauf "verzichten müssen"; Fakt ist, Getreide wird von Spelz und Keim befreit, der "Abfall" ist wesentlicher Bestandteil der Tiermast.

Na ja, ab hier sollten wir mal Getreide und Weizen trennen, denn Gluten befindet sich nur beim "Brotgetreide" (also Weizen, hauptsächlich) im Stärkekörper, ist allerdings ein Eiweiss. Es wird also nicht mit abgeschält und es wurde in hohem Maße reingezüchtet um die Backeigenschaften zu "verfeinern". Und, bio hin oder her, wenn ich mir vor Augen halte, dass die Menschheit es geschafft hat, aus "Gras" ein Croissant zu machen, das ist schon ne Leistung.
Ich sag nicht, diese Leistung sei gesund, ist sie nicht. Aber sehr lecker....
Die "Leistung" ist weder gesund noch nahrhaft, denn Gluten ist kein Eiweiss, das der Körper braucht, er kann nur geringe Teile davon verwerten und muss den Rest mehr oder weniger mühsam über Leber und Niere ausscheiden. Gluten ist halt ein Kleber und kein "Fleisch".
Und "Hochleistungsgetreide" ist gut für Croissants, aber nicht für unsere Organe und auch nicht für die Böden.

Zusammengefasst: dem Bäcker wurde was zugeschustert, was dem Verbaucher nun abgeht. Die meisten können den Nährstoffverlust über subjektiven "Genuss" ausgleichen (Croissants essen und "Nahrungsergänzungsmittel" bezahlen), andere fallen schneller durchs Raster, bekommen eine Glutenunverträglichkeit und müssen sich zwischen Bauchweh und spezielleren "Nahrungsergänzungsmitteln" entscheiden.
Ich nenne dies für mich eine "indirekte Verbauchersteuer", hoffe auf eine Revolution und werd darüber alt.....
Es wäre schön, wenn wir die "Ursachen", bzw. den Punkt, wo sich was ändern könnte, mehr bei der Industrie und den Verbrauchern lokalisieren würden, damit die Bauern mehr Luft haben, diese Erkenntnisse umzusetzen; die haben zwar die Möglichkeit, müssten sie aber mit Bauchweh oder Untergang bezahlen, wenn wir da nicht alle mitziehen....
(Ach ja: Vitamine und Spurenelemente fallen nur wenige durch die Zucht, in höherem Maße durch die Verarbeitung (schälen) weg;
Frassschutz braucht keiner wirklich, der geht aber auch durchs erhitzen/einweichen weg.)

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Re: Getreidesorten Emmer und Einkorn

#64

Beitrag von Till » So 1. Apr 2018, 11:29

Nein, hier irrst du. Als im Mittelalter feines Weizen(weiß-)brot in Mode kam, änderte sich selbstredend der Bedarf und es setzte eine Selektion auf den Einweißgehalt und die Stärkebeschaffenheit ein. Ein lockeres, feines und saftiges (Hefe-)Gebäck benötigt Getreide mit hohem Eiweißgehalt, sonst wird das nichts. Das merkt man schon beim kneten des Teiges, da muss man nichts messen. Die Stärke hat großen Einfluss auf „Saftigkeit“ und Haltbarkeit des Backstücks.

Bröselig-pulvrig in Backstein-Qualität wünscht man höchstens bei Keksen und Zwieback.
strega hat geschrieben:wenn ich Essen mit viel Eiweiss will, dann ess ich halt Bohnen oder geh fischen... ich erwarte nicht, maximal viel Eiweiss in Getreide vorzufinden.... warum auch???
Dann bleibt nur Sauerteig/Backferment, wenn der Eiweißgehalt nicht für reines Hefegebäck reicht. Einen Hefestuten zu Ostern wird man damit nicht backen können. Es ist übrigens Standart, etwas Ackerbohnenmehl hinzu zu geben, um die Triebkraft zu erhöhen.
ina maka hat geschrieben: Aber - für den, der "Urkorn" anbaun und essen möchte, zählen sicher andere Qualitätsmerkmale als "viel Eiweiß und Stärke".
Leider falsch. Ab dem Augenblick, wo der jenige backen möchte, ist es das einzige was zählt. Wenn das Mehl nicht bäckt, war es das letzte mal, das gekauft/selbst angebaut wurde. Dass der oder die jenige keine Ahnung vom Gehalt hat, ist in dem Augenblick völlig egal. Scheiß-Backergebnis = Nutzer erschafft/beschafft es nicht wieder.
Was man an Einkorn und Emmer kaufen kann, sind keine alten Sorten, sondern relativ junge Selektionen. Durch strenge Auslese ist auch daraus ein Produkt geworden, das (insbesondere beim Einkorn) einen hohen Gehalt an Eiweiß hat, sodass es eben auch von Kunden ohne einen blassen Dunst von der Materie gekauft werden kann.
Auch Hein Blöd selektiert indirekt auf Eiweiß und Stärke, wenn er Getreide für backstarkes Mehl kauft. Es steht nur nicht in Prozentzahlen drauf.

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Re: Getreidesorten Emmer und Einkorn

#65

Beitrag von 65375 » So 1. Apr 2018, 11:54

Es gibt aber keine Backpflicht. Man kann das Getreide auch anders zubereiten.

viktualia

Re: Getreidesorten Emmer und Einkorn

#66

Beitrag von viktualia » So 1. Apr 2018, 12:19

Till, was genau meinst du mit "hier irrst du"?
Ich habe etwas nicht hundertprozentig "datiert", aber da die Menschen seit 30.000 Jahren Saaten mahlen ist das "Mittelalter" nicht soo viel früher als die "Entdeckung der Nährstoffe". https://de.wikipedia.org/wiki/Brot
Und, mit verlaub, ich sehe Geschichte als das Leben aller Menschen, wenn ein klitzekleiner Teil öfter und die anderen nur an Festtagen Weissmehlspeisen hatten, ist das für mich kein "Grundnahrungsmittel".
Ausserdem hab ich mich bemüht kein Pamphlet gegen die Mühlenbesitzer als Ursache allen Übels zu schreiben, obwohl es mich in den Fingern juckte....Es geht ja um die Inhaltsstoffe des Getreides, bzw. die etwas irrige Reduzierung auf Backfähigkeit/Gluten bei Weizen.
Es gibt heutzutage durchaus Weizensorten, die weit größere Mengen an Stickstoff schlucken, als man in einen Emmer reinbekäme.
Das "output" dieser Felder ist halt "nur" reicher an Gluten, nicht an den anderen guten Sachen.
Zu Zeiten, als die (Land)bevölkerung noch selber gemahlen hat (bzw. als es noch wesentliche Bedeutung hatte, dass Korn leichter zu lagern ist als Mehl), hat man die Vitamine und Spurenelemente des frisch gemahlenen selber gegessen. Oder selbst die Tiere gegessen, die man mit dem ausgesiebten "Abfall" für den Osterstollen fütterte.
Und als im Zuge der Industrialisierung und des "Zeit ist Geld"-Wahns die Möglichkeiten stiegen, Kulturgüter wie ne "saubere Teigführung" mittels chemischer Mittelchen zu verkürzen, war da auch keiner, der sagte: "Halt! Im interesse der Volksgesundheit sollten wir das überdenken!"
Der Rest ist Geschichte.
Und wenn heute kleine Bäckereien schneller auf ne langsamere Teigführung zurückgreifen als die Bauern auf nen vernünftigen Bodenschutz, weil manche Bäcker es geschnaggelt haben und die Bauern sich gemobbt fühlen - dann ist das halt Zeitgeist, nicht Schicksal....
Till, ich bin nicht für eine Seite und gegen die andere. Ich bin dafür, sich ein genaueres Bild zu machen und den Kontext kennen zu lernen.

Desweitern halte ich es da mit dem guten alten "Backwahn", auch bekannt als Osho, der irgendwann mal sagte: "Einfachheit ist der größte Feind des Ego."
(Und ich möchte mich hiermit noch bei Ölkanne für den Begriff "Dimensionslose Einheit" bedanken.
Über so was kann ich nen halben Tag grinsen. Also dass es einen Kontext mit einem solchen Begriff gibt.)

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Re: Getreidesorten Emmer und Einkorn

#67

Beitrag von strega » So 1. Apr 2018, 13:03

dass mit Emmer-Vollkornmehl, frisch gemahlen in der eigenen Mühle, nur backsteinähnliche Produkte erzeugt werden können halte ich für ein Gerücht der Weissmehl-Backindustrie :grr:
Ich lass den Teig mit der Hefe halt den ganzen Tag stehen, no problem, wenn ich was mit Hefe mach. Allerdings bin ich net spezialisiert auf Weissmehl-Croissants, sondern eindeutig auf kräftige Vollkornbrote. Will schliesslich was essen was anhält und nicht nach ner Stunde wieder Hunger haben. :pfeif:
Das mit dem Ackerbohnenmehl probier ich mal, dankschön für die Info.

Klar, da spielt der Zeitfaktor ne Rolle... wo in der Backindustrie lässt jemand den Teig nen Tag oder länger stehen? Zeit ist ja Geld bekanntlich...
bei mir ist Zeit halt schlicht und ergreifend leckeres Brot mit allen Ballaststoffen und allem drum und dran.

Wieso solltes den Säuen besser gehen als mir ernährungstechnisch? Das hab ich net verdient :pft:
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Re: Getreidesorten Emmer und Einkorn

#68

Beitrag von Rohana » So 1. Apr 2018, 14:28

65375 hat geschrieben:Es gibt aber keine Backpflicht. Man kann das Getreide auch anders zubereiten.
Siehst du die breite Masse der Bevölkerung noch ihren täglichen Brei essen? Mir scheint, das wäre etwas aus der Mode gekommen...

@strega:
Wie Till schon erwähnte ist auch der zeitgenössische Emmer eine durchaus züchterisch bearbeitete Pflanze. Wenn du mit deinem Emmer glücklich bist und dir die Zeit nehmen kannst mit einer längeren Teigführung das gewünschte Ergebnis zu bekommen, dann ist es doch super! Nur lässt es leider nicht den Umkehrschluss zu, dass alle anderen (entlang der Produktions- und Verarbeitungskette bis hin zum Verbraucher) genauso damit glücklich werden können.
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Re: Getreidesorten Emmer und Einkorn

#69

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » So 1. Apr 2018, 16:12

Rohana hat geschrieben:Nur lässt es leider nicht den Umkehrschluss zu, dass alle anderen [....] genauso damit glücklich werden können.
:mued: müssens ja auch nicht....
Wenn es Emmer und Einkorn gibt, heißt das ja nicht im Umkehrschluss, dass es keinen Weizen geben darf.

Wieso du mich beleidigen musstest, versteh ich aber nicht ganz
Rohana hat geschrieben:Für den, der Urkorn anbaut, zählt das was die Klientel will. In Inas Fall wohl "nur" dass Urkorn draufsteht,
- egal.
Ich fände es gut, wenn man auch die anderen Inhaltsstoffe messen täte und als Qulaitätskriterium heranehmen.
Dass "Ur" oder "wild" draufsteht. wäre mir sowas von egal - "wild" sowieso... :lol:
Wenn ich Löwenzahn oder Brennessel oder Vogelmiere ernte, steht da gar nix drauf.

Mein Mann kocht den Dinkel gerne in der Suppe mit - dazu gibt er auch noch Mangold (oder Spinat) in Streifen und nennt es "sopa de la abuelita" (Omas Suppe)

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Re: Getreidesorten Emmer und Einkorn

#70

Beitrag von 65375 » So 1. Apr 2018, 22:43

Rohana hat geschrieben:
65375 hat geschrieben:Es gibt aber keine Backpflicht. Man kann das Getreide auch anders zubereiten.
Siehst du die breite Masse der Bevölkerung noch ihren täglichen Brei essen? Mir scheint, das wäre etwas aus der Mode gekommen...
Man muß es ja nicht gleich zu Brei verkochen, wer hat das denn behauptet? Eine Zubereitung analog zu Reis oder als Bratlinge oder einfach nur gequollen oder angekeimt im Salat oder oder oder geht doch auch.

Phantasielosigkeit ist ein schweres Schicksal, aber man kann dran arbeiten...

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