Ferkelkastration

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Specki
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Ferkelkastration

#1

Beitrag von Specki » Di 6. Nov 2018, 08:54

Hallo zusammen,

neulich gab es im Thread "wie wärs ohne Bauern und dem ganzen Umfeld?" eine Diskussion über die (bösen) Grünen.
Da kam von Manfred auch das Thema Ferkelkastration auf.

Ich möchte Manfred mal kurz zitieren:
...
Wenn ich wirklich wollte, dass die Ferkelproduktion wieder in bäuerlichen Betrieben stattfindet, dann müsste ich dafür sorgen, dass diese Betriebe einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber den großen Betrieben haben.
Genauso ist es bei Brütereien.

Jetzt haben wir seit mehreren Jahren die Debatte um die Ferkelkastration. Ab Ende diesen Jahres sollte ein Verbot gelten, männliche Ferkel wie bisher üblich ohnen Betäubung zu kastrieren.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat es aber versäumt, eine praxistaugliche und wirtschaftliche umsetzbare Lösung für kleinere Ferkelerzeugerbetriebe zuzulassen. Eine Narkose durch einen Tierarzt ist wirtschaftlich für die kleinen Betriebe nicht drin. Das können sich allenfalls Großbetriebe leisten, die teilweise sogar eigene Betriebstierärzte und große Chargen an Ferkeln haben. Und selbst die verlagern ihre Produktion mehr und mehr ins Ausland, wo sie sih diese Kosten sparen können. Für einige wenige Ferkel ist alleine die Anfahrt des Tierarztes schon teurer als der Betrieb an den Tieren verdient.
Deshalb haben sich einige Bundesländern entschlossen, sich für eine Fristverlängerung einzusetzen, damit der Gesetzgeber noch eine Praxistaugliche Lösung auf den Weg bringen kann. Die Grünen haben gegen diese Fristverlängerung gestimmt und übernehmen auch nichts, um die kleinen Erzeuger von den Mehrkosten zu entlasten. Sie helfen also, den Strukturwandel zu beschleunigen.
Die Debatte, vorallem um die Grünen, würde mich sehr interessieren, aber mir fehlt leider aufgrund von 45h Arbeitswoche, Frau und zwei kleinen Kindern zuhause, Eigenes Zweifamilienhaus und Garten und sonstigen Verpflichtungen einfach die Zeit momentan mich da mehr damit zu beschäftigen.

Jetzt bin ich jedoch bei Facebook zufällig auf eine Aussage eines kleinbäuerlichen Betriebes (Biolandhof Vogelsberg) gestoßen welche ich hier ebenso mal zitieren möchte:
Die industrielle Landwirtschaft sagt mit Deckung der Politik, daß man Ferkel nicht mit Betäubung kastrieren kann... hm, da frage ich mich was ich die letzten Jahre mit meine Eberferkelchen gemacht habe? Lüge über Lüge wenn man die Medien, die Lobbys und die Politik hört. Egal zu was für ein Thema! Dann ist der Verbraucher schuld - sagt die Lobby. Ist es so? ich zahle für 5-6 Ferkel, für Anfahrt, Narkose, Kastration ca 50 €. Grob: 10 € /Tier. Das kann ein Riesenbetreib sehr viel billiger. Aber bleiben wir bei den 10 €. Ein Ferkel (Hybridschwein) gibt ca. 200 Kg Fleisch. Das sind umgeschlagen 0,05 €/Kg. 5 Cent. Frage an Euch: "Wollen Sie 5 Cent/Kg mehr zahlen um den Tieren Schmerzen zu sparen?" Danke. Der Verbraucher hat die Macht!
Das widerspricht ja Manfreds aussage "Eine Narkose durch einen Tierarzt ist wirtschaftlich für die kleinen Betriebe nicht drin."

Gibt es hier vielleicht noch mehr Ferkelhalter? Wie sehen die das Thema?
Ich glaube Christian von der Edermühle hat zumindest welche.

Vielleicht wird hier ja eine interessante Diskussion draus.

Gruß
Specki

Benutzer 72 gelöscht

Re: Ferkelkastration

#2

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Di 6. Nov 2018, 09:19

danke für´s Verlinken! :)

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Re: Ferkelkastration

#3

Beitrag von Rohana » Di 6. Nov 2018, 09:31

Moin Edermühle! Aus deinem Zitat picke ich mir mal einen Satz heraus: "Die industrielle Landwirtschaft sagt mit Deckung der Politik, daß man Ferkel nicht mit Betäubung kastrieren kann..." - was so nicht stimmt. Können kann man alles. Ob es wirtschaftlich ist, ist die andere Frage, widerspricht also Manfreds Aussage keineswegs! Auch im Beispiel mit 5ct auf 1kg Schlachtgewicht - bei einem Preis von 1,40 Euro/kg SG für ein Standard-Konvi-Schwein sind 5ct nicht wenig, ein Bio erlöst sicher ganz andere Preise.
Dies nur als Impuls zum Nachdenken.
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

Benutzer 72 gelöscht

Re: Ferkelkastration

#4

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Di 6. Nov 2018, 09:51

Rohana weißt du eigentlich, dass ich es mir als vierfache Mutter schlicht nicht leisten kann, meine Kinder nicht arbeiten zu schicken?

Das muss ich tun, denn wenn ich sie nicht arbeiten schick, ersetzt mir niemand den Verlust dadurch nicht gemachten Gewinn.

Ferkel sind eben nicht nur "Produkte", sondern auch fühlende Lebewesen.
Wer darauf nicht Rücksicht nehmen will, der soll sich bitte einen anderen job suchen.
Dann gibt es halt weniger Schweinefleisch für die geizigen Konsumenten.

Wobei, ja in einem Punkt stimme ich Manfred 100% zu:
Dass dann einfach Fleisch importiert wird, aus Ländern, die noch weniger auf Tierschutz geben, das darf nicht sein.

Da wäre die Poilitik gefordert.

Also sind diese Kosten tatsächlich so hoch, dass es einen kleinen Schweinebetrieb in den Ruin treiben tät? :hmm:

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Re: Ferkelkastration

#5

Beitrag von Specki » Di 6. Nov 2018, 09:57

Rohana, das Zitat stammt nicht von Erdermühle!
Ich hab es eingestellt und es stammt von Biolandhof Vogelsberg.

Dein Vergleich stimmt aber auch nicht ganz. Diese 5 cent sind errechnet auf einen Betrieb der 5-6 Ferkel im Jahr schlachtet. Wenn ich jetzt aber einen größeren, industriellen Bbetrieb nehme, dann wage ich mal zu vermuten, dass der Preis pro Kg Schwein schon ein gutes Stück tiefer ist. Vielleicht bei 2 cent? Und ob die jetzt so ein großer Wettbewerbsnachteil sind? Ich weiß nicht...
Und ich denke, dass mit "nicht können" eben nicht wirtschaftlich gemeint ist ;)

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Re: Ferkelkastration

#6

Beitrag von Rohana » Di 6. Nov 2018, 10:00

Blah, irgendwie hab ich Edermühle gelesen - ich meinte natürlich den TE, nämlich dich. Sorry!

Man kann alles interpretieren, auch diesen wunderbar polemischen Beitrag. Man kann auch alles mögliche vermuten - aber wissen tust du es nicht, und glauben tut man diesen Betrieben auch nicht. Ob das alles so sinnvoll ist?
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Re: Ferkelkastration

#7

Beitrag von Specki » Di 6. Nov 2018, 10:15

Rohana hat geschrieben:Man kann alles interpretieren, auch diesen wunderbar polemischen Beitrag. Man kann auch alles mögliche vermuten - aber wissen tust du es nicht, und glauben tut man diesen Betrieben auch nicht. Ob das alles so sinnvoll ist?
Sorry, hier verstehe ich jetzt grad garnichts.
Meinst du jetzt meinen Post mit polemischen Beitrag?

Ich will die Lage nur verstehen.
Ich halte ja sehr viel von Manfred, weswegen ich in dem anderem Thread einfach mal das glaubte was er sagte. Nun bin ich halt zufällig auf eine doch recht andere Sichtweise gestoßen, die ja auch belegt, dass die Kosten garnicht so massiv sind. Also zumindest nicht, dass es nennenswerte wirtschaftliche Nachteile hätte würde ich mal behaupten. Somit sollte einfach wirklich alles hinterfragt werden. Leider steck ich zu wenig in der Materie um das mit vertretbaren Aufwand alles selbst zu recherchieren.

Und ja, die Politik sollte da vielleicht noch mehr machen. Idealerweise ein Importverbot von Schweinefleisch welches von Ferkeln stammt die ohne Betäubung kastriert wurden.
Oder die Bauern/Vertreiber lassen sich ein label einfallen welches Schweinefleisch auszeichnet von Ferkeln, die MIT Betäubung kastriert wurden um ein Umdenken beim Konsumenten zu erzeugen?

Gruß Specki

viktualia

Re: Ferkelkastration

#8

Beitrag von viktualia » Di 6. Nov 2018, 10:29

Ähm, ich weis ja, dass meine eher püschologisch angehauchte Sicht nicht immer jedermanns Sache ist.
Aber wenn ich den Begriff "Kastration" - egal in welchem Zusammenhang - lese, dann, ja dann hab ich irgendwie schon gleich das Gefühl, dass es zumindest dem männlichen Teil der Bevölkerung nicht ganz leicht fällt, sich dem "Thema objektiv zuzuwenden". Ist nur so ein Gefühl....

Danke, Specki, gute Idee, da mal Infos zu sammeln.

Und da ich ja nicht nur nen püschologischen, sondern auch nen mathematischen Teil in meinem Hirnkästlein habe, finde ich schon, dass das zweieinhalbfache nen marktwirtschaftlichen Unterschied macht (Kleine Betriebe 5 cent, Große für 2 cent....).

Ich müsste mich noch ein wenig einlesen; aber die "Alternative" Vollnarkose dünkt mir, bzw. dem medizinisch vorbelasteten Teil meines Hirns, nicht wirklich so ganz "alternativ" - in jedem "normalen" Fall ist die Narkose, grade die "Volle", ein Risikofaktor, der HÖHER ist, als die meisten Eingriffe. Ganz sicher bei einem Eingriff wie der Entfernung der Hoden (auch wenn das für Männer schmerzlich zu realisieren ist...).

Sorry, aber das bewegt sich auf dem Niveau eines Haustierforums, (die öffentliche Diskussion) da wird im Namen der "Leidensersparnis" auch auf Teufelkommraus behandelt.
In Schmerz können sich die Leute "reindenken" und merken nicht, wie sie ihr denken ausschalten und die tatsächlichen physiologischen Zusammenhänge nicht mehr sehen können wollen.
Also da bin ich auf weitere Infos wirklich sehr gespannt.

Manfred

Re: Ferkelkastration

#9

Beitrag von Manfred » Di 6. Nov 2018, 10:38

@Specki:
Ein klassischer Fall von verkürztem Kontext.
Es ist ja schön, wenn der Betrieb eine Nische gefunden hat, in der der so hochpreisig vermarkten kann, dass 10 Euro pro Schwein für ihn keine Rolle spielen.
Der Marktanteil des Bio-Schweinefleisches liegt nach meiner letzten Info bei ca. 1,8%.
Ein Bioferkel mit 28 kg hat 2017 (das sind die letzten Zahlen, die ich habe, es gibt keinen offiziellen Index) ca. 130 Euro kostet.
Und trotzdem steigen kaum Betriebe in die Bioferkelerzeugung ein, weil die Preise kaum kostendeckend sind.
Im konventioinellen Bereich sind die Ferkelpreise aktuell verheerend. Zuletzt sind sie nochmal eingebrochen, wegen der Angst vor der afrikanischen Schweinepest und wegen der US-amerikanischen Übermengen wegen der wegbrechenden China-Exporte.
Der Preis für ein konventionelles 25 kg Ferkel liegt nur noch knapp über 30 Euro und ist nichtmal ansatzweise kostendeckend.
https://www.lel-web.de/app/ds/lel/llm/D ... age002.png
Die kleinen Betriebe geben aktuell reihenweise auf.

Ein konventionelles Mastschwein (auch kaum ein Bio-Mastschwein) liefert auch keinen 200 kg Fleisch.
Das durchschnittliche Schlachtgewicht (Gewicht ohne Innereien) inkl. Knochen, Fett, Haut etc. liegt bei gut 94 kg.
Der Preis liegt bei knapp über 1,40 Euro pro kg Schlachtgewicht.
https://www.lel-web.de/app/ds/lel/llm/D ... age005.png
Auch viele Mäster streichen die Segel. Der Selbstversorgungsgrad in D dürfte auf unter 90% eingebrochen sein.

Und in dieser Situation, natürlich ohne Außenschutz, betäubungslos kastrierte Ferkel und Schlachtschweine dürften selbstverständlich weiter importiert werden, hauen wir den kleinen Betrieben mal eben Kosten von (5 Euro?) pro Ferkel zusätzlich drauf. Und je kleiner der Betrieb, je höher die Kosten.

Da ist doch völlig klar, was passiert. Der Strukturwandel beschleunigt sich und die Probleme werden ins benachbarte Ausland verlagert.
In Polen werden gerade Schweine- und Geflügelställe gebaut ohne Ende, für den Export nach Deutschland, weil sich die ganze Branche an den Fingern einer Hand abzählen kann, dass die Schweineerzeugung in D platt gemacht wird.

Also nochmal die Frage: Was genau gewinnen wir, wenn wir unsere eigen Schweineerzeugung, besonders die kleineren Betriebe, vernichten, zukünftig zu niedrigeren Standards produzierte Ware importieren, von dort, wo sich keiner ums Tierwohl scheißt, und die hier verbleiende Produktion sich auf einige wenige Großbetriebe konzentriert?
Diese Folgen werden durch die großteils guten Absichten nicht wett gemacht.

Und Biobauern wie obiger sind es, die sich bei den Grünen egngagieren, für den persönlichen wirtschaftlichen Vorteil.
Die wollen keine hohen Standards in der Breite der Tierhaltung, sondern ihre hochpreisige Nische schützen. Gäbe es nämlich einen Außenschutz, und ihre Nischenmerkmale würden zum Standard in der gesamten Schweinehaltung, dann wären sie schnell weg vom Fenster.

Ich habe nichts gegen hochpreisige Nischen. Ich gönne ihm seinen Erfolg (falls es diesen gibt, wir keinen seine betriebswirtschaftlichen Zahlen ja nicht). Aber ich will im Gegensatz zu ihm gangbare Lösungen, die Standards für die gesamte Tierhaltung für den deutschen Verbrauch anzuheben. Und das so, dass das wirtschaftliche Optimum hin zu Familienbetrieben verschoben wird.
Also genau das, was die Grünen vorgeben zu vertreten, wo sie aber in der Praxis das Gegenteil tun.
Ich will nicht 5% hochsubventioniertes Streichelzoo-Blendwerk und 95% dahinter und im Ausland versteckte Scheiße. Ich will 100% regenerative, tiergerechte Landwirtschaft für den deutschen Markt.

Manfred

Re: Ferkelkastration

#10

Beitrag von Manfred » Di 6. Nov 2018, 12:06

Ein Lesenswerter Blogeintrag von Heinrich & Nadine Henke, der auch einiges an Informationen zur aktuellen rechtlichen Situation enthält.
Die beiden führen einen der größeren Ferkelerzeugungsbetriebe in D (mein letzter Infostand waren 1250 Muttersauen, können inzwischen aber mehr sein).
Nadine ist selbst Tierärztin.

https://broksersauen.wordpress.com/2018 ... minderung/

Selbst diese großen Betriebe haben das Problem, dass es in D aktuell eine praktikable Lösung gibt, die ihre Mitarbeiter (nach Schulung) selbst durchführen dürften.
Und selbst wenn man das alles abarbeitete, bleiben die wirtschaftlichen Nachteile für die kleinen Erzeuger.

Die Nachbarländer gehen das Thema viel weniger dogmatisch an und haben, teils abweichend vom EU-Recht, zumindest für ihre größeren Erzeuger praktikable Lösungen geschaffen.

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