Was ist Massentierhaltung?

Rati
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Re: Was ist Massentierhaltung?

#11

Beitrag von Rati » Mo 11. Mär 2013, 14:16

Hallo Manfred:
Manfred hat geschrieben: Was stellt ihr euch unter Massentierhaltung vor?

Jemand aus dem Landtreff hat bei der Bundestagsfraktion der Grünen nachgefragt, was die unter Massentierhaltung verstehen.
Als Antwort hat er erhalten, dass folgende 3 Kriterien eingehalten werden müssten, damit es keine Massentierhaltung sei:

- Nicht mehr als 2 Großvieheinheiten (also 2 Rinder oder entsprechend viel Kleinvieh) pro ha bewirtschafteter Landfläche
- Mind. 50% selbsterzeugtes Futter
- Genügend Personal zur Betreuung der Tiere

Für die Grünen ist es also OK, 100.000 Rinder oder 1.000.000 Schweine in einem Stall zu halten. Solange man nur genug Fläche dafür zusammenpachten und zusammenkaufen kann, ist es für die Grünen bäuerliche Landwirtschaft.
Diese Grenzen halten eh die meisten Großbetriebe ein, schon deshalb, weil sie auf ihren Flächen nicht mehr Gülle los werden können.
Bist du sicher das die Großbetriebe das einhalten?
Alle drei Kriterien?

Ich kann irgend wie nicht glauben, das genug Fläche erpachtet werden kann, um sowohl die Futtermittelproduktion und die Weidefläche zu stellen und gleichzeitig noch die Gülle zu entsorgen, die ja auch nicht unbegrenzt auf eine Fläche aufgebracht werden kann, die danach noch beweidet oder als Futtermittelfläche bearbeitet werden soll. (sorry für diesen Schachtelsatz voller Kommafehler)
Na ja, und genügend Personal (die Def ist schwammig) wird für all die Arbeiten auch nicht nach Recht und Gesetz (Arbeitszeiten usw.) einstellbar sein. Sach ich mal so.
Ich denke mal das diese drei Kriterien durchaus eine Begrenzung der Masse darstellen.
Und ich gehe davon aus, das die Fläche welche zur berechnung herangezogen wird räumlich direkt auf das Vieh bezogen und nicht 1oo km vom Stall entfernt gepachten sein sollte.
Das müßte aber in den entsprechenden Vorschlägen der Grünen nachgelesen werden und kann in so einem Erfahrungsbericht vom Landtreff schon mal untergehen.
Manfred hat geschrieben:Ich habe ihn angeschrieben und um Weiterleitung des Originaltextes gebeten. Melde mich, wenn ich eine Antwort habe.
prima Idee. :)

Grüße Rati
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Re: Was ist Massentierhaltung?

#12

Beitrag von Buchkammer » Mo 11. Mär 2013, 14:35

Mit Zahlen, wie viele Tiere in Ställen oder auf Weiden gehalten werden dürfen und ab wann es als Massentierhaltung zählt, kann ich nicht dienen. Würde mich aber der Aussage anschließen, dass Massentierhaltung im Gegensatz zur artgerechten Tierhaltung nicht auf Qualität, sondern auf Quantität ausgerichtet ist.

Ob nun Regelwerke mit Zahlenspielereien von diversen Parteien oder Kommissionen verfasst werden; die Tiere interessiert das weniger. Meist kann aber der Tierarzt vor Ort am Verhalten der Tiere einschätzen, ob diese Nahrungslieferanten artgerecht gehalten werden oder nicht, sofern er seinen Job unabhängig ausführt.

Ich versuche seit einiger Zeit, keine Produkte mehr aus der konventionellen Massentierhaltung zu erwerben. Darunter zählt schon mal ein Großteil der angebotenen Produkte im Supermarkt. Ist gar nicht so einfach, aber man ist ja lernfähig. Mein bescheidener Beitrag, um diese untierische Haltung von Lebewesen nicht weiter zu unterstützen.
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Re: Was ist Massentierhaltung?

#13

Beitrag von ben » Mo 11. Mär 2013, 14:54

Vielleicht erleichtert es die Sache, wenn man anstatt gegen die Massentierhaltung zu sein, lieber für artgerechte Tierhaltung ist. Heringe lassen sich vermutlich leichter in Massen artgerecht halten als Kühe aber auch bei Heringen wird es eine Grenze geben.
Wo artgerechte Tierhaltung aufhört bestimmt im Wesentlichen die Biologie und Psychologie der jeweiligen Tierart und Rasse um die es gerade geht. Da gibt es keine pauschalen Höchstgrenzen, das muss im Einzelfall bestimmt werden.

Manfred

Re: Was ist Massentierhaltung?

#14

Beitrag von Manfred » Mo 11. Mär 2013, 16:18

Ich habe die Info jetzt im Wortlaut vorliegen.
Stammt von der Referentin für Ländliche Räume, Agrarpolitik und Tierschutz der Grünen und wurde im Auftrag der Bundestagsfraktion verfasst, ist also als offizielle Position der Partei zu werten.

Aufgeführt sind die 3 oben schon genannten Kriterien.
- max. 2 GV / ha
- mind. 50% betriebseigenes Futter
- eine artgerechte Tierhaltung mit ausreichender personeller Betreuung

Es fehlte also der Zusatz mit der artgerechten Tierhaltung. Wobei der wieder relativ ist. Das geltende Tierschutzrecht ist eh einzuhalten.

Das heißt:
Ein SV-ler mit 3 erwachsenen Zwergzebus oder Dexter auf 1 ha Land betreibt Massentierhaltung.
Eine Ex-LPG mit 33.000 Schweinemastplätzen oder 2,8 Mio. Hähnchen und 2.000 ha Ackerland betreibt keine Massentierhaltung.

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Re: Was ist Massentierhaltung?

#15

Beitrag von Rati » Mo 11. Mär 2013, 16:36

Manfred hat geschrieben:...Das heißt:
Ein SV-ler mit 3 erwachsenen Zwergzebus oder Dexter auf 1 ha Land betreibt Massentierhaltung.
Eine Ex-LPG mit 33.000 Schweinemastplätzen oder 2,8 Mio. Hähnchen und 2.000 ha Ackerland betreibt keine Massentierhaltung.
jetzt warte doch mal. :)
Kann die LPG wirklich 50% des Futterbedarfs selber anbauen?
Kann sie die Tiere artgerecht halten?
Und:
Manfred hat geschrieben:Ein SV-ler mit 3 erwachsenen Zwergzebus oder Dexter auf 1 ha Land betreibt Massentierhaltung.
gibt es den überhaupt? Und ist ein Zwergzebu = eine Großvieheinheit?

Grüße Rati
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Manfred

Re: Was ist Massentierhaltung?

#16

Beitrag von Manfred » Mo 11. Mär 2013, 16:48

Rati hat geschrieben:Kann die LPG wirklich 50% des Futterbedarfs selber anbauen?
Ja.
Kann sie die Tiere artgerecht halten?
Nach geltendem Recht: Ja.
Und ist ein Zwergzebu = eine Großvieheinheit?
Ein Zwergzubu ab 2 Jahren: Ja.

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Re: Was ist Massentierhaltung?

#17

Beitrag von Landfrau » Mo 11. Mär 2013, 17:21

Vielleicht geht das ganze viel einfacher, mit einem perspektivwechsel nämlich, aus Sicht der Tiere geguckt und nicht aus Sicht des Halters.

Wenn die Gruppe der (störungsfrei in einem Stall / gehege / gelände) Tiere größer ist, als es der natürlichen lebensform der Tierart entspricht? Ist es dann aus Sicht des Tieres eine Masse?

Wie groß ist eine Rotte SChweine, eine Herde Rinder, ein Trupp Hühner? Wie sind sie familiär zusammengesetzt? Wie leben die männlichen Tiere - oft als Einzelgänger, wohin damit, wenn unkastriert....?

Da würden dann die Kaninchen in den Käfigen, die allermeisten Pferdehaltungen (Herden-, Flucht- und Steppentier!!!), die Legehennen ohne Hahn, der einzelne Hund ganz schon artungerecht dastehen.....

So manche Ziege, manches Schaf, würde sich das nicht mehr als 2 oder 3 Kollegen wünschen, um das schöne "ich duck mich in der Herde, dann fall ich nicht auf und der Wolf frisst jemand anderen" - gefühl haben?

Von den Pferden, siehe oben, ganz zu schweigen. Mir bricht es immer das Herz, wenn ich diese vor Jahren das letzte Mal gerittenen allein dahindämmernden Rumstehtiere "Nee, verkaufen und kann ich es nicht, zum SChlachter, um Gottes willen und einschläfern.. es ist doch gesund" sehe - das Gegenteil von Massentierhaltung, nämlich Isolationsfolter......kein Deut besser.

Also nochmal der Versuch: Zur artgerechten Tierhaltung gehört auch eine artgerechte Gruppengröße und-struktur.

Übrigens sieht man am Menschen auch wunderbar, wo Intensivhaltung und zu hohe Individuendichte hinführt....man gehe einmal durch die Einkaufszone einer GRoßstadt. Oder lese Desmond Morris, Der Menschenzoo.

L.
Den Inhalt einer Botschaft bestimmt der Empfänger :-)

Manfred

Re: Was ist Massentierhaltung?

#18

Beitrag von Manfred » Mo 11. Mär 2013, 17:37

Dass der Begriff Massentierhaltung unsinnig ist, darauf können wir uns denke ich einigen?

Sinvoll wäre demnach eine Diskussion über eine art- (oder besser rasse-) gerechte Haltung und abhängig von der Bestandsgröße des Betriebs.
Und unabhängig davon evtl. eine zweite Diskussion über die Dimension landwirtschaftlicher Betriebe.

Dann geht was aber gleich weiter mit "was ist artgerecht"?
Der Begriff ist doch auch ein Schmarrn.
Was ist denn z.B. für den Menschen artgerecht?
Ist artgerechte Menschenhaltung jetzt die als nomadischer Jäger und Sammler oder doch eher die in Großstadt und Fabrikhalle?
Wenn man "den" Menschen wählen lässt, wofür entwcheidet er sich?

Und genauso verhält es sich doch mit unsere teils seit tausenden Generationen domestizierten Haustieren und sogar mit reinen Wildtieren.
Das Reh stellt sich im Winter auch lieber an die Fütterung als sich einen Ast zu hungern. Und die Katze liegt lieber auf der Ofenbank als irgendwo im Wald.
Wenn Tiere über viele Generationen auf die Eigenung für eine bestimmte Haltungsform selektiert wurden, soll man sei dann auf einmal wieder so halten, wie ihre Vorfahren vor 20.000 Jahren gelebt haben?
Und ein Hochlandrind mang im Winter gerne draußen im Wind stehen und sich von Spätschnittheu ernähren. Eine Hochleistungskuh sieht das evtl. ganz anders.

Daher denke ich, eine rassegerechte Haltung ist sinnvoller als von pauschaler Artgerechtigkeit zu reden.
Und was man dabei nie aus den Augen verlieren darf: Ohne Außenschutz führt jede Verschärfung von Auflagen zu einer Produktionsverlagerung.
Dann haben wir in D von vorher 1000 Schweinen evtl. noch 500, denen es etwas besser geht, die anderen 500 hocken dafür in der Ukraine in irgendeinem Dreckloch, wo noch nie jemand etwas von tierschutz gehört hat.
So wie es bei den Legehennen gelaufen ist. Hier haben wir jetzt überwiegend Bodenhaltung. Dafür ist unsere Selbstversorgungsgrad mit Eiern massiv eingebrochen und die Verarbeitungseier kommen jetzt aus Käfigen in der Ukraine. Die wollen ihre Eierexporte in die EU in den nächsten Jahren noch mal verdoppeln.

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Re: Was ist Massentierhaltung?

#19

Beitrag von Landfrau » Mo 11. Mär 2013, 17:51

Da hast du einen Punkt angesprochen, der den wenigsten klar sein dürfte.

Der Unterschied zwischen Art und Rasse.

Bei Pflanzen werden gern Art, Sorte, manchmal auch Fmailie und Gattung durcheinandergebracht.
gut, es ist ja auch nicht jeder Biologe und auch Dorm und Stachel betrachtet dieser anders als der Poet.

Und Rassen sind wie Sorten Menschenwerk.
Aber auf einer biologischen "Plattform", um es mal im Autobauerdt zu sagen.

Und diese biologische Plattform setzt halt gewisse Grenzen.

Für den menschen zB heißt das, dass er sich in dauerhaften Gruppen wie der Wohnumgebung, dem Lebensumfeld mit mehr als 50 Personen nicht optimal wohlfühlt. Was diesen einen Parameter (Gruppengröße) angeht. Weil mensch mehr als 50 Personen nicht als "zu mir gehörig" verarbeitet. Das ist Biologie.

Trotzdem gibt es Menschen, die gern als Einsiedler a-sozial leben und es gibt Menschen, die sich lieber in Megacity allein sind als im Wald. Oder Leute, die in MAssen (da ist es wieder...)veranstaltungen einen Glücksrausch erleben. Der andere erlebt diesen Rausch im Samadhi-Tank.

L.
Den Inhalt einer Botschaft bestimmt der Empfänger :-)

Manfred

Re: Was ist Massentierhaltung?

#20

Beitrag von Manfred » Mo 11. Mär 2013, 18:12

Landfrau hat geschrieben:Trotzdem gibt es Menschen, die gern als Einsiedler a-sozial leben und es gibt Menschen, die sich lieber in Megacity allein sind als im Wald. Oder Leute, die in MAssen (da ist es wieder...)veranstaltungen einen Glücksrausch erleben. Der andere erlebt diesen Rausch im Samadhi-Tank.
Ja. Und bei Tieren ist es, selbst innerhalb von Rassen oder Familien, nach meiner Beobachtung nicht anders.
Bei meinen Rindern gibt es auch "Einsiedler", die lieber etwas abseits stehen und ihr eigenes Ding machen. Und andere geraten in Panik, wenn der beste Kumpel oder Mama kurz aus dem Blickfeld sind.
Ich hab einen Bekannten am Rhein, mit ca. 1000 Schweinemastplätzen. Der hat irgendwann von Kleingruppen auf Großgruppen (ich glaube von 8 Tieren auf 65 pro Gruppe) umgestellt. Und nach seiner Beobachtung vertragen sich die Tiere in den Großgruppen viel besser, weil sie in der Großen Gruppe mehr Ausweichmöglichkeiten und Sozialpartnerauswahl haben. Ein Tier das in der kleinen Gruppe total gemoppt würde hat so seine ruhige Ecke oder sogar ein paar passende Kumpel. Und im Vergleich zu den Drecklöchern, in denen unsere eigenen Schweine früher hier auf dem Wurstelhof hausen mussten, geht es denen allesamt besser. Aber klar. Ideal ist was anderes. Nur wer soll und will ideal bezahlen? Das wollen halt nur ein paar Idealisten. Glückliche Schweine wünschen sich alle. Nur zahlen will kaum einer dafür.

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