"Ur"möhre

Landfrau

Re: "Ur"möhre

#11

Beitrag von Landfrau » Do 16. Sep 2010, 16:02

Wir fürchten uns bestimmt ganz heftig zuviel.
Weil es sich nämlich schlicht schlecht anfühlt.

Da ist jedes bischen zuviel. Angst und Furcht sind die bestimmenden gefühle unserer Zeit.

Aber zur Hybridisierung:

Unsere gesamte Art der Pflaumigen - PRunus domestica mit ihren Fruchtformen Zwetschge, Pflaume, ReineClaude, Mirabelle - ist hybridisiert aus zwei verschiedenen bot. Arten. Es gäbe sie schlicht nicht, wenn sich nicht Zufallshybriden "natürlich" gebildet hätten und mensch sie per Selektion zur heutigen Form gebracht hätte.

Beim Apfel dürfte es ähnlich sein, einer seiner Väter ist Malus siversii aus China - von wegen Apfel und heimisches Obst!

Hält man eine Rasse - beim tier oder eine Sorte - bei Pflanzen - sauber in Kultur, hat man eine gewisse genetische ZUverlässigkeit.
Kreuzt man zwei Elterntiere / Pflanzen verschiedener Rasse / Sorte kann die erste Tochtergeneration (erste Filial - generation, F1) herausragende Eigenschaften haben, die sich in den weiteren Generationen aber wild aufspalten können.

Schäferhund - BorderCollie - Mixe gelten zB als hervorragende Familienhunde, sie haben die dümmliche Leichtführigkeit des DSH und die Freundlichkeit und Dienstfertigkeit des BC, aber ohne deren starken typischen Trieb.

(DSH - Halter mögen sich bitte nicht auf den Schlips getreten fühlen - wer seinen Hund liebt, liebt ihn so, wie er sit, meist. - man gibt die DSH nicht grundlos an Polizeihundeführer. Die wären mehrheitlich mit intelligenteren Hunden, wie den Malinois, überfordert. Solche findet man eher bei spezialisierten SEK. Es soll schon Hundestaffeln gegeben haben, die man mit Malis ausgestattet hat und die Hunde nach einiger Zeit wieder rausnehmen musste - sie haben die DSH - gewohnten Hundeführer schlicht an die Wand gespielt.)

Vermehren diese Mixe sich nun aber weiter, kommt alles mögliche heraus, vllt auch ein "echt toller Hund, ein Mischling halt", aber hier geht die Wahrscheinlichkeit deutlich nach unten.

Man schaue sich die südeuropäischen Straßenhunde in x-ter Generation an - sie mendeln sich irgendwo auf einen dingoähnlichen Standard zurecht und sind aus hundehalterperspektive genauso untauglich als Nutz- oder Haustier. Es sei denn, man will australian Cattle Dogs zusammenkreuzen - aus 3 Rassen, mind. also eine F2 - Hybride - und erhält Teufel auf Stummelbeinen, gewolltermaßen hier.

Die Rassen / Sorten und deren Stammformen sind genetisches POtential, welches es sich zu erhalten lohnt.
Zu verurteilen, dass man es auch nutzt - also Hybriden schafft, wäre albern.
Das tut Mutter Erde seit beginn ihrer Tage.

Landfrau

Benutzer 72 gelöscht

Re: "Ur"möhre

#12

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Do 16. Sep 2010, 18:47

hallo!
Landfrau hat geschrieben:Unsere gesamte Art der Pflaumigen - PRunus domestica mit ihren Fruchtformen Zwetschge, Pflaume, ReineClaude, Mirabelle - ist hybridisiert aus zwei verschiedenen bot. Arten. Es gäbe sie schlicht nicht, wenn sich nicht Zufallshybriden "natürlich" gebildet hätten und mensch sie per Selektion zur heutigen Form gebracht hätte.
Warum kann ich dann einen ordentlichen Hauszwetschkenbaum aus Samen kriegen, aber keinen ordentlichen Apfalbaum??
Angst hab ich nicht - aber verstehen tät ich gern :watt:

liebe Grüße!

Lightfoot

Re: "Ur"möhre

#13

Beitrag von Lightfoot » Fr 15. Okt 2010, 11:00

Guten Tag.
ina maka hat geschrieben:Warum kann ich dann einen ordentlichen Hauszwetschkenbaum aus Samen kriegen, aber keinen ordentlichen Apfalbaum??
...weil sich die Zwetschgen - wie alle Steinobstarten - anders verhalten wie die Kernobstarten und die ganze Sache nicht ganz so einfach ist.
Von Zwetschgen, Pfirsichen, Mandeln, Aprikosen kannst du einigermaßen sicher brauchbare, den Elternsorte ähnliche Nachkommen erwarten (wenn ich auch bei Zwetschgen einfach Wurzelschößlinge nehmen würde).
Beim Kernobst spalten die Nachkommen aus Samen viel stärker auf, und es kann eine wunderbare neue Sorte entstehen, aber auch etwas, das kaum von den wilden Stammformen zu unterscheiden ist.
Viele Obstsorten sind tatsächlich aus Hybridisierungen entstanden, es sind da aber nur die guten Varianten weitervermehrt worden - oft ungeschlechtlich, durch Stecklinge oder durch Pfropfen, und die unbrauchbaren Varianten sind untergegangen. Daraus kann man also nicht schließen, dass Kreuzungen immer gut wären. "Natürlich" sind sie auch nur in dem Sinne, dass (wahrscheinlich) niemand bewußt gekreuzt hat. "Unnatürlich" daran ist, dass meist zuerst der Mensch die aus verschiedenen Gegenden stammenden Arten nebeneinander gepflanzt hat.
Das bringt mich zu dem F1 Thema, weswegen ich hier einsteige. Es gibt einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen diesen F1-Sorten und einfachen Kreuzungen. Früher gab es sog. "Heterosissorten", die aus der Kreuzung ausgewählter Kultursorten entstanden, weil die Erfahrung gezeigt hat, dass die Kreuzungen besser wuchsen. Das entspricht etwa der Bastardluxurierung des Maultiers. Bei den heute gängigen F1-Sorten werden aber vorher Inzuchtlinien erstellt, die für sich völlig unbrauchbar wären, weil sie zwar bestimmte Eigenschaften reinerbig enthalten, aber so inzuchtgeschwächt sind. Erst bei der Kreuzung zweier solcher Linien, die auch gut aneinander angepaßt worden sind, ensteht der gewünschte Effekt: starke, massive Pflanzen mit einem gegenüber den samenfesten Zuchtsorten erhöhten Ertrag.
Es gibt einige wesentliche Einwände gegen diese F1 Sorten.
1. Der vermehrte Massenertrag geht auf Kosten der wertgebenden Inhaltstoffe - das werden die Saatgutkataloge natürlich nicht ausposaunen, ist aber durch Versuche erwiesen (wen die Belege interessieren, besonders Demeter hat sich mit der Erfoschung dieser Dinge hervorgetan).
2. die Zucht der F1 Sorten ist sehr aufwendig. Sie hat wesentlich zur Konzentration bei den Saatgutzeugern beigetragen, und auf der anderen Seite zur drastischen Verminderung der Sortenvielfalt. An bestimmte Landschaften, Böden, Kleinklima, und Traditionen angepaßte Sorten passen einfach nicht in weltweite Marktstrategien.
3. die eigene Vermehrung von Sorten, die der einzelne Bauer oder Gärtnerin verwendet, ist nicht mehr möglich (jedenfalls nicht mit voraussehbaren Ergebnissen, weil die F1 wieder aufspalten). Damit wird ein wesentliches Recht und die Grundlage aller Selbstversorgung ausgehebelt, nämlich die Verfügung über eigenes Saatgut von Sorten, die der eigenen Wirtschaftsweise und Örtlichkeit angepaßt sind. Hier in einem SelbstversorgerForum zu lesen, dass die Bedenken gegen F1 Sorten reines Ökogelabere ist, erstaunt mich schon.
4. von der Saatgutindustie gezüchtete Sorten - F1 oder nicht - werden in aller Regel auf "High Input" und "Marktgerechtigkeit" gezüchtet, also den Einsatz von reichlich leicht pflanzenverfügbaren Dünger, Pflanzenschutzgiften, Maschineneinsatz, Gleichartigkeit des Ernteguts und des Erntezeitpunkts, schönes Aussehen und Konservierbarkeit (jahrelang ist bei den Beschreibungen von Tomatensorten das Wort Geschmack nicht vorgekommen!). Auch das heißt für mich als Selbstversorger, dass diese Sorten nicht für mich gezüchtet werden. Ich hab das auch ganz praktisch ausprobiert. Die mit wunderbar definierten Eigenschaften versehene F1 Gurke hat bei mir im Haus prächtig und üppig begonnen, aber schon nach den ersten Früchten schlappgemacht, weil sie für optimale Versorgung gezüchtet war, und das kriegt sie bei mit nicht. Die samenfeste Sorte, die ich schon seit 10 Jahren selbst vermehre, braucht zwei Wochen länger, bis sie trägt, bringt pro Pflanze auch weniger Früchte, hält aber mit einer guten Gabel Mist unter den Wurzeln bis Oktober (ich hab immer noch frische Gurken).
Alles Gute
Lightfoot

Benutzer 72 gelöscht

Re: "Ur"möhre

#14

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Fr 15. Okt 2010, 12:47

hallo!

Danke für dein posting!! :daumen:
Das wars, was ich "vor ewigen Zeiten" mal über F1-Hybriden gelesen habe und wieder vergessen....

Und das heißt dann eigentlich auch, dass die Gefahr gering ist, dass in meinem Garten einfach so zufällig F1-Hybriden aus samenfesten Sorten entstehen? oder?

liebe Grüße!

dobi

Re: "Ur"möhre

#15

Beitrag von dobi » Fr 15. Okt 2010, 15:16

Hallo lightfoot,

:daumen: :daumen: :daumen:

Eigentlich ist es eine einfache Einnahmen - Ausgaben - Rechnung.
Wenn eine Frucht doppelt so groß gezüchtet wird wie sie natürlicherweise wäre, muß sie auch doppelt so viel "einnehmen", wenn die Qualität erhalten bleiben soll. Kann sie diese "Einnahmen" nicht tätigen, haben wir eben ein aufgedunsenes, schwabbeliges, krankheitsanfälliges, aber - Hauptsache - großes Ergebnis.

Dass die allerwelts - Samen nicht in jedem Boden u. Kleinklima gleichermassen gedeihen können, ist nicht immer die Schuld des schlechten Bodens, die Pflanzen sind einfach nicht an die lokalen Verhältnisse angepasst.

Wenn die dann anfällig sind für alle möglichen Krankheiten - nur druff mit der Chemie.

Das universal - einheits - Edaphon für alle bezweifle ich inzwischen auch, und halte mich an Plinius:

es wird immer dem Verstand des Menschen überlassen sein, das Vorhandene richtig zu beurteilen.

lg
dobi

Lightfoot

Re: "Ur"möhre

#16

Beitrag von Lightfoot » Fr 15. Okt 2010, 15:55

Guten Tag.
ina maka hat geschrieben:Und das heißt dann eigentlich auch, dass die Gefahr gering ist, dass in meinem Garten einfach so zufällig F1-Hybriden aus samenfesten Sorten entstehen? oder?
doch, es ist wahrscheinlich. Wenn du von derselben Gemüseart zwei Sorten nebeneinander pflanzt, und sie zur selben Zeit blühen, können sie sich kreuzen, (wenn sie nicht, wie z.B. die Tomaten überwiegend, Selbstbefruchter sind). Das ist dann eine F1 (= 1. Filialgeneration). Was dabei rauskommt, ist nicht vorhersehbar, und wird bei den folgenden Generationen irgendwo zwischen den Elternsorten spielen, und einige Zeit brauchen, bis es sich wieder zu einer stabilen Sorte "beruhigt" hat. Wer sein Saatgut selber vermehrt, wird immer wieder so Fälle erleben, und manchmal ist das Ergebnis Ausgangspunkt für eine interessante neue Sorte. Wer eine Sorte rein erhalten will, wird es nach Möglichkeit verhindern, wenns aber passiert, ist es auch kein Grund zur Panik, sondern zum Hinschauen.
F 1 ist weder ein Qualitätsmerkmal - wie die Saatgutindustrie uns weismachen will -, noch ein Merkmal für Unfruchtbarkeit oder anderes Ungute, sondern nur die Feststellung, dass dieses Saatgut aus zwei unterschiedlichen Elternlinien gekreuzt worden ist. Vieles, was ich über die Zuchtziele der F1 gesagt habe, trifft bzw. traf auch für samenechte Sorten der Industrie zu (die es inzwischen bei vielen Gemüsen nicht mehr gibt).
Beim Umstieg auf F1 war m.E. nicht die zusätzliche Ertragssteigerung das Entscheidende, sondern die Tatsache, dass bei F1 das Saatgut jedes Jahr neu nachgekauft werden muss.
Alles Gute
Lightfoot

viellieb

Re: "Ur"möhre

#17

Beitrag von viellieb » Fr 15. Okt 2010, 22:54

Zur Geschichte des Apfels hab ich mal ne tolle Doku gesehen.. finde sie aber nicht wieder. Habe aber diesen tollen Artikell gefunden.. http://www.obstbau.org/content/service/ ... rapfel.php
Auch sonst eine Informative Seite.

@ina maka , da steht unter anderem auch das
Die erfolgreichste australische Sorte ‘Granny Smith’ wurde als Zufallssämling 1868 bei Sydney gefunden.

Benutzer 72 gelöscht

Re: "Ur"möhre

#18

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Fr 26. Apr 2013, 17:29

dann häng ich meinen "Fund" mal hier an - als ich ehemals bewirtschaftetes Land umhackte, stieß ich auf lauter Karotten. Riechen wie Karotten, schmecken auch so - nur aromatischer und süßer (total lecker!!!).
Sie sind auch richtig knackig, nur leider recht dünn - und innen ganz weiß, außen auch, nur oben ein bisserl violett.

Jetzt weiß ich nicht....
Ist das eine Möhrensorte, so eine "weiße Möhre" oder das Produkt der Kreuzung normale Karotte mit wilder Möhre? :pft:

Ich lass sie stehn und bin gespannt, ob und welche Samen da raus kommen.
Falls es eine wertvolle Sorte sein sollte, müsste ich dann wahrscheinlich isolieren? neee - so ein Aufwand.
Aber so lecker wie die eine schmeckte, die ich ausgehackt habe, wäres mir das eigentlich sogar wert....

So - die Moral von der Geschicht:
hacke ohne Schauen nicht.... :holy:
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Re: "Ur"möhre

#19

Beitrag von si001 » Fr 26. Apr 2013, 18:36

Ich haben gestern auch Möhren ausgegraben - allerdings "normale".

Diese "Ur"Möhern hatte ich auch schon. Abgesehen davon, dass es wirklich nichts mit Ur- zu tun hat, war der Geschmack nicht besonders und sie haben jegliche Gerichte unansehnlich dunkel gefärbt.
Liebe Grüße, si001!
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Re: "Ur"möhre

#20

Beitrag von Sabi(e)ne » Fr 26. Apr 2013, 19:14

Hammelmöhre aka Pastinaken? :pfeif:
I love life. And it loves me right back.
And resistance is fertile. :-)

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