Gute ideen?

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emil17
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Re: Gute ideen?

#21

Beitrag von emil17 » Sa 20. Jun 2020, 18:47

Eigentlich gings mal um Garten-Apps, aber seis drum ...
Nur soviel: Natürlich muss man die Wiesenpflanzen nicht im geschlossenen Waldgebiet suchen. Hätten sich die Leute, welche es nicht geschafft haben, die Arten des Dauergrünlandes auf Waldlichtungen und Brandrodungsflächen erfolgreich zu etablieren, gefragt, woher denn die Arten natürlicher Wiesen kommen, hätten sie die Antwort vermutlich gefunden.
Natürliche Wiesen, also ohne Eingriffe dauernd baumfreies Dauergrünland, gibt es in Mitteleuropa, und zwar ziemlich grosse Flächen. Die sind artenreich und werden im Sommer extensiv beweidet oder auch gar nicht bewirtschaftet. All diese Arten müssen ebenfalls von irgendwoher eingewandert sein, denn während der Kaltzeit waren die Flächen, wo sie heute sind, unter Eis.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Manfred

Re: Gute ideen?

#22

Beitrag von Manfred » So 21. Jun 2020, 10:55

Auch die Kältesteppe oberhalb und nördlich der "Baumgrenze" wird nahezu ausschließlich von Gehölzen dominiert, wenn nicht Herbivoren Gras und Kräuter erhalten. Kriechende Weiden, diverse Beeren- und Heidegewächse etc.

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Re: Gute ideen?

#23

Beitrag von emil17 » So 21. Jun 2020, 19:14

Manfred hat geschrieben:
So 21. Jun 2020, 10:55
Auch die Kältesteppe oberhalb und nördlich der "Baumgrenze" wird nahezu ausschließlich von Gehölzen dominiert, wenn nicht Herbivoren Gras und Kräuter erhalten. Kriechende Weiden, diverse Beeren- und Heidegewächse etc.
Ja dann ... Was nicht passt, wird passend gemacht.
Die Zone, wo "Kriechende Weiden, diverse Beeren- und Heidegewächse etc." dominieren, ist etwa 200 Höhenmeter breit und schliesst unmittelbar oberhalb der klimatischen Waldgrenze an. Darüber kommen dann einige hundert Höhenmeter Dauergrünland, also das, was nur dank der Hervivoren da sein soll.

Die Herbivoren wissen leider nicht, dass sie für das Verschwinden der Gehölze zuständig sind, und fressen die Gräser und Kräuter lieber als die Sträucher und Zwergsträucher, weshalb man früher viel Anstrengungen unternommen hat, um die Alpweidefläche offen zu halten und nach unten hin auszudehnen.
Warum nur, fragt sich emil, der die Flora der Alpen aus eigener Anschauung kennt, warum wissen die Herbivoren bis auf 50 m genau, auf welcher Meereshöhe die Gehölzgrenze ist und wo sie folglich mit Erhalten der Gräser und Kräuter anfangen bzw. aufhören müssen?
Das tun sie offenbar sogar dort, wo sie gar nicht hinkönnen - für Wild unzugängliche Flächen gibt es genug und dort finden sich ebenfalls nur bis zur Höhe der klimatischen Baumgrenze Gehölze, und bis viel weiter hinauf Kräuter und Gräser, die auch in den benachbarten Wiesen der gleichen Höhenstufe wachsen, nebst natürlich zahlreichen Spezialisten für solche Standorte.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Manfred

Re: Gute ideen?

#24

Beitrag von Manfred » So 21. Jun 2020, 20:59

Du verkennst halt, dass du in einer Jahrtausende alten Kulturlandschaft wohnst, in der es bis vor ein paar Jahrzehnten sogar noch Reste nicht menschengesteuerter Herdenmigration gab.
Stell einen Schutzkorb über den alpinen Rasen, warte 500 Jahre und staune.

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Re: Gute ideen?

#25

Beitrag von emil17 » So 21. Jun 2020, 21:35

Das Argument der Kulturlandschaft greift für die unzugänglichen Flächen nicht.
Was man in den Alpen sieht, sieht man auch in den asiatischen Gebirgen mit vergleichbarem Klima, oder in Neuseeland, In den kanadischen Rockies ist es am authetischsten, denn die Gebirge der kanadischen Pazifikküste sind und waren seit je äusserst dünn besiedelt, und das Klima und die Arten sind vergleichbar. Überall das gleiche Bild.
Des weiteren hätte deine Theorie das Problem, dass die Täler bis ins Mittealter sehr unwegsam waren (und es etwa in Kanada heute noch sind) und grosse Herden, wenn es sie denn gab, im Gebirge nicht über weite horizontale Strecken wandern können. Das Wild, das im Sommer die Alpweiden abfrisst, muss also den Winter im Gebiet überleben, so wie es auch heute noch der Fall ist. Die Population wird durch den langen und schneereichen Winter bestimmt, und so wenige Tiere, wie den Winter in den Wäldern trotz Herbstspeck und möglichst inaktivem Verhalten überleben, können nicht die dafür viel zu grossen Flächen alpinen Dauergrünlandes gehölzfrei halten, das im kurzen Sommer hoch produktiv ist.
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Re: Gute ideen?

#26

Beitrag von emil17 » So 21. Jun 2020, 21:36

emil17 hat geschrieben:
So 21. Jun 2020, 21:35
Das Argument der Kulturlandschaft greift für die unzugänglichen Flächen nicht.
Was man in den Alpen sieht, sieht man auch in den asiatischen Gebirgen mit vergleichbarem Klima, oder in Neuseeland, In den kanadischen Rockies ist es am authetischsten, denn die Gebirge der kanadischen Pazifikküste sind und waren seit je äusserst dünn besiedelt, und das Klima und die Arten sind vergleichbar. Überall das gleiche Bild.
Des weiteren hätte deine Theorie das Problem, dass die Täler bis ins Mittelalter sehr unwegsam waren (und es etwa in Kanada heute noch sind) und grosse Herden, wenn es sie denn gab, im Gebirge nicht über weite horizontale Strecken wandern können. Das Wild, das im Sommer die Alpweiden abfrisst, muss also den Winter im Gebiet überleben, so wie es auch heute noch der Fall ist. Die Population wird durch den langen und schneereichen Winter bestimmt, und so wenige Tiere, wie den Winter in den Wäldern trotz Herbstspeck und möglichst inaktivem Verhalten überleben, können nicht die dafür viel zu grossen Flächen alpinen Dauergrünlandes gehölzfrei halten, das im kurzen Sommer hoch produktiv ist.
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Manfred

Re: Gute ideen?

#27

Beitrag von Manfred » So 21. Jun 2020, 23:02

Hm. So wie ich die Rockeys erinnere, zieht sich dort, wo die Herden fehlen und es ausreichend Feuchtigkeit gibt, der Wald hoch bis an die Fels- bzw. Schneezone. Nur die Schutthalden sind frei.
An der kanadischen Pazifikküste haben wir Regenwälder. Da sind die Niederschläge viel zu hoch für Grasland.
In den südlichen Rockeys, zum Inland hin, gab es einst in den trockeneren Zonen einst riesige Wildschafbestände, dort wo es für die Bisons zu trocken war. Seit diese Schafe weitgehend ausgerottet sind, wird das Land dort zur Wüste, wie in so vielen spröden Regionen der Erde.

Welchen Bereich der Rockeys genau meinst du denn? Und hast du Bilder davon?

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Re: Gute ideen?

#28

Beitrag von emil17 » Mo 22. Jun 2020, 11:44

GoogleEarth  :)
es geht so ziemlich überall, guckst du z.B. im Glacher Bay National Park am Südrand des Kluane Ice fields, etwa 58°40'N, 136°45' W,
oder der Mt. Minto , Bild aus GoogleEarth hier

oder aus den südlichen Teilen der Brooks Range, da sind viele Bilder in Google Earths Panoramio (Dalton Highway)

Die "Rasenfeindlichkeit" mancher Gegenden der Rockies gibt es auch in den Alpen (Dolomiten) und hat den gleichen Grund: Die Geologie - es bildet sich kaum Feinerde und oberhalb der Gehölzgrenze sieht es kahl aus, ist es aber dann doch nicht, wenn man sich da hin bemüht.

Ah ja, da gibt es doch noch die jahrzehntelang betriebenen Dauerversuchsflächen der Eidgnössischen Forschungsanstalt WSL am Stillberg in Davos - denen gelang es nicht, waldgrenzbildende Baumarten oberhalb der Waldgrenze über das Zwerggebüschstadium hinauszubringen, trotz Einzäunung und Pflanzung, also mit wesentlich besseren Startbedingungen für die Jungpflanzen, als wenn sie sich hätten in einer Wiese als Keimlinge etablieren müssen. Und eben ganz ohne Herbivoren.

ist aber insofern egal, als dass man, um den Sinn einer nachhaltigen Landwirtschaft zu begründen, keine ausgestorbenen Megaherbivoren braucht.
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Manfred

Re: Gute ideen?

#29

Beitrag von Manfred » Mo 22. Jun 2020, 21:26

Guck mal hier:

https://www.youtube.com/watch?v=aTEg1eW27Yo

Da sieht man halbwegs gut, was dort oben wächst, und auch einige der Grasfresser, die den geringen Grasanteil erhalten.
Und es wundert auch wenig, dass sie dort, so sie die meisten Schafe finden, auch der größte Grasanteil vorhanden ist.

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Re: Gute ideen?

#30

Beitrag von emil17 » Di 23. Jun 2020, 10:15

Aus Sicht eines Bauern ist der Grasanteil möglicherweise gering, aus Sicht eines Botanikers nicht. Zudem ist das Video in der unteren alpinen Stufe gedreht worden, also da wo die Zwergsträucher sind.
Stellt sich, wenn das alles nur wegen der Herbivorie durch Säugetiere so ist, natürlich die Frage, warum es eine Strauchzone oberhalb der Baumzone gibt.
Was Ursache und Wirkung ist, da haben wir offenbar ganz andere Ansichten. Du hast natürlich recht, bei uns hat es da, wo man Kühe oder Schafe findet, auch immer viel Gras.
Das Wild kann übrigens nicht die ganze Biomasse abfressen, die sich in der alpine Zone befindet, und die Verbuschung verhindern, dazu sind es zu wenige - die müssen ja den Winter überleben. Bei der traditionellen und auch nachhaltigen Alpwirtschaft sind die Tierbestände grösser, weil die Herde mit Heu, das im Tal gewonnen wird, durch den Winter gebracht wird. Im Tal sind Weideflächen nur dort, wo es zu steil oder zu steinig für Mähwiese ist. Aber auch hier galt, vor der Zeit der Futterimporte, die Regel, dass ein Bauer nur so viele Tiere halten kann, wie er über den Winter bringt. Sommerfutter war nie limitierend.
Das einheimische Grosswild, das wohl noch ein angepasstes Verhalten an die natürliche Verhältnisse hat, ist im Sommer oben und im Winter im Wald. Zudem sind die Tiere im Winter möglichst inaktiv, um Energie zu sparen (weshalb Wintertourismuns für das Wild wegen Skifahren durch die Wälder abseits der Wege ein grosses Problem ist, da dadurch das Wild aufgescheucht wird). Müssten, ohne Einwirkung des Menschen, im Tal dauernd grosse Flächen durch Verbiss offengehalten werden, dann könnten diese Tiere nicht auch gleichzeitig oben weiden.
Schon das spricht gegen die Theorie, dass das alpine Grünland durch Megaherbivoren bedingt sein soll.
Hochgebirgswild hat statt dessen eine spezielle biologische Anpassung an die Lebensweise in einem Gebiet mit langem, hartem Winter: Die Brunftzeit ist im Herbst, wenn die Tiere voll genährt sind. Der Embryo entwickelt sich im Winter aber nicht weiter, weil die Belastung für das Muttertier in der futterarmen Zeit zu gross wäre. Im Frühjahr kann aber der Wurf viel früher erfolgen und so hat das Jungtier die Möglichkeit, bis zum nächsten Winter genug gross zu werden. Dennoch ist die Sterblichkeit im ersten Winter am grössten.
Dadurch wird die kurze Vegetationszeit viel besser ausgenutzt.
Die andere Strategie ist ein langer Winterschlaf (Murmeltier).

Was ebenfalls gegen die Megaherbovorentheorie spricht: Unbewirtschaftete Wälder verjüngen sich bekanntlich durch flächenweisen Zerfall von Altbeständen. Dort stellt sich sehr rasch eine Schlagflur ein, die dann irgendwann wieder wegen Lichtmangel verschwindet. Diese Arten, die zum typischen Arteninventar des Waldlandes gehören (Himbeere, Weidenröschen, roter Holunder, Fingerhut, mache Farnarten) sind aber alles schlechte Futterpflanzen. Logisch, denn der Frassdruck im geschlossenen Waldland ist ja sehr hoch. Gräser des alpinen Graslandes haben dieses Problem nicht und dürfen attraktiv sein, denn die Wildbestände sind nie auch nur annähernd so hoch, dass alles abgefressen würde.
Was hat eine Pflanze davon, eine gute Futterpflanze zu sein? Sie vermeidet den Nachteil, sich verteidigen zu müssen.
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