Manfred hat geschrieben: ↑Fr 30. Okt 2020, 11:35
10 Stunden Arbeit / Tag x 365 Tage x 20 Euro Brutto-Vergleichslohn für eine Tätigkeit ähnlicher Qualifikation = 73.000 Euro
Dann müsste der Betrieb einen Gewinn von 127.000 Euro machen, um die eingesetzten Produktionsfaktoren fair zu entlohnen.
Erst wenn der tatsächliche Gewinn darüber hinaus geht, wird ein echter Unternehmergewinn erwirtschaftet, also eine Entlohnung für das eingegangene Risiko.
Nur erwirtschaftet kaum ein oder gar kein Landwirtschaftsbetrieb dieser Größenordnung so einen Gewinn.
Ja, warum erwirtschaftet kaum ein Landwirtschaftsbetrieb dieser Größenordnung so einen Gewinn? Sind die alle unfähig?
Du kannst natürlich nicht einen fiktiven marktüblichen Zins auf gebundenes Eigenkapital als Kapitalkosten und einen fiktiven Lohn für deine Arbeit im Betrieb als Lohnkosten vom Betriebsergebnis abziehen.
Dein Überlegungsfehler ist, dass du Selbständigen Erwerb mit der Teilhaberschaft an einer Firma verwechselst, in der du nicht selber arbeitest.
Als selbständig Erwerbender musst du mit deiner Arbeit und Kreativität dafür sorgen, dass sich dein Eigenkapital angemessen verzinst. Mit deinem Eigenkapital haftest du für Zufälle wie Unwetter, welche die Ernte verderben, und auch für alle Verbindlichkeiten sowie für den Erfolg deiner betriebswirtschaftlichen Ideen. Dafür darfst du alles behalten, was nach Abzug der laufenden Kosten und Rückstellungen noch übrig bleibt. Damit musst du deinen Lebensunterhalt bestreiten.
Abzüge von fiktiven Eigenkapital- und Eigenlohnkosten lässt auch das Steuergesetz nicht zu. Auch eine Firma kann das nicht. Bei Aktien, also Firmenateilen, wird das was übrig bleibt, an die Aktionäre verteilt. Das kann sehr viel oder gar nichts sein, je nach Betriebsergebnis. Entsprechend der Gewinnerwartung bestimmt sich der Aktienkurs.
Du rechnest so wie einer, der Brennholz macht, herausfindet, dass er etwa 100 Euros pro Festmeter dafür nehmen muss, um langfristig bestehen zu können, diese 100 Euros (die nicht rein zufällig gerade der Marktwert für 1 Festmeter Brennholz sind) vom Ergebnis abzieht und sich wundert, dass dann nichts mehr bleibt.
Deine Überlegung könnte höchstens dazu dienen, den Krempel zu verkaufen und mit dem Geld einen Betrieb einer anderen Branche zu übernehmen, der dann mehr abwirft. Weil die Leute, die genug Geld haben, ebenso überlegen, und weil die ohne Geld von so einem Betrieb nicht leben können, wenn sie das dafür nötige Fremdkapital bedienen müssen, funktioniert das nicht.
Das alles bedeutet nicht, dass der Betrieb niemanden ernähren kann. Er ernährt den Betriebsleiter, und das ist fair, denn der macht ja die Arbeit.
Wenn du Eigenkapital bilden willst, musst du mit deinem Lebenshaltungskosten deutlich unter dem Betriebsgewinn bleiben. Das ist der übliche Weg, der mühsam und langwierig ist und "erarbeiten" heisst.
Du kannst natürlich einen Arbeiter einstellen, der weniger kostet als was der Betrieb abwirft, und den den Job machen lassen. Noch besser ist ein Pächter, denn der arbeitet auf eigenes Risiko und liegt dir nicht auf der Tasche, wenns mal schlecht läuft. Läufts anhaltend gut, kannste den Zins etwas nach oben anpassen. Wenn es viele Arbeiter oder Pächter gibt und die keine besser bezahlten Stellen anderswo finden, funktioniert das recht gut und du kannst mit dem Gewinnanteil, der dann an dich fliesst, weitere Betriebe kaufen und ebenso damit verfahren. Und du hast den Kapitalismus begriffen und du bist der mit der Villa, während die anderen bloss arbeiten und nicht vom Fleck kommen. Damit die weiterhin mitmachen, braucht es noch eine neoliberale Philosophie, wonach selber schuld ist, wer nicht vom Fleck kommt.
Marx nannte das Mehrwertabschöpfung. Eine feine Sache, ausser man ist selber einer der vielen Arbeiter und hat, weil sich dessen Lohn auf seine Lebenshaltungskosten einpendelt, nie die Möglichkeit, selber Eigentümer zu werden und andere für sich arbeiten zu lassen.
In einem fairen Markt würde sich auch der Preis für einen Betrieb so regeln, dass gerade der Lebensunterhalt für einen Betriebsleiter dabei rauskommt. Kommt regelmässig mehr raus, steigen die Preise für Betriebe, kommt weniger raus, werden Betriebe aufgegeben und die Preise sinken, denn wer investiert schon in eine Branche mit geringer Rendite, wenn andere Geschäfte lohnender sind?
Pech für Möchtegern-Landwirte, wenn Landwirtschft kapitalintensiv und wenig rentabel ist und Boden von Leuten nachgefragt wird, die viel Geld haben. Deshalb gibt es ja Sonderregelungen für die Bewertung landwirtschaftlicher Güter beim Erbgang und zum Schutz vor Bodenspekulation. In der Praxis heisst das aber, dass man einen Betrieb erben oder erheiraten muss, wenn man anständig davon leben will.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.