Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

Was halt nirgendwo passt
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ohne_Furcht_und_Adel
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Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#1

Beitrag von ohne_Furcht_und_Adel » Mo 15. Aug 2022, 22:47

Wir haben im Moment Inflation und hohe Energiepreise, außerdem sitzt die riesige Exportnation China quasi in Quarantäne. Es herrscht Rohstoffknappheit und der demographische Wandel beschert unseren Unternehmen einen nicht zu bewältigenden Überhang an potentiellen Aufträgen, bzw. können einige Alltagsdienste deswegen nicht mehr wie gewohnt bereitgestellt werden. Das ist also eine Krisenzeit, in der der normal bemittelte "Verbraucher" unter Druck gerät. Nach den letzten, für viele ziemlich stressigen Corona- Jahren sind wir also aus dem Schlamassel noch nicht 'raus.

Soweit, so gut. Man könnte das als "Herausforderungen unserer Zeit" abtun. Aber was, wenn die Krise die neue Normalität ist? Wenn eine Erholung des Wohlstandsniveaus und des Konsumlebens vielleicht zwar kommen, aber dann auch schnell wieder gehen wird? Ich will jetzt gar nicht auf steigende oder sinkende Kaufkraft einer Krankenschwester oder zu erwartendes Rentenniveau heutiger 35jähriger eingehen, oder wo die aktuelle deutsche Regierung nachbessern sollte. Ich sehe eher einen globalen Zerfall. Z.B. einen Wettstreit der Systeme; China wird entweder die Wirtschaft und sogar die Politik im Westen und anderswo weiter stark beeinflussen und dabei viel verdienen, oder diese Abhängigkeit und dieses Auslaugen wird weitgehend rückgängig gemacht, was den Riesendrachen aber gewiss nicht zähmen wird. Die USA können und wollen nicht mehr die ganze Welt in Schach halten, was von skrupellosen Regierungen mittelgroßer Staaten längst ausgenutzt wird. Also geopolitisch hat sich die Lage in den letzten 25 Jahren ziemlich geändert; sie wirkt instabiler. Ich sehe den Klimawandel mit seinem Extremwetter und fortschreitende Umweltzerstörung mit spürbaren Auswirkungen auf die Nahrungsmittelversorgung. Es gibt in ehemals wasserreichen Gegenden Wälder und Gewässer, denen wegen der quasi jährlich wiederkehrenden Dürre das Wasser bis zum Hals steht (haha). Dann regnet es wieder so stark, dass die Menschen bei Überschwemmungen massenweise ihre Existenz verlieren. Stürme nehmen auch zu. Die Landwirtschaft verbraucht in dem ungünstigen Umfeld weiterhin praktisch mehr Ressourcen, als sie erzeugt. Ökologische Ziele, die von internationalen Organisationen ausgerufen werden, verfolgt kaum ein Land ernsthaft. Ich sehe eine Wirtschaft, die von ungeheuren Mengen billiger Energie und von Importen abhängig ist, und eine steigende Weltbevölkerung, vor allem eine steigende Stadtbevölkerung, die unter anderem mithilfe billiger Energie möglichst komfortabel und frei leben will. Eine unglaubliche Menge an Müll und Giftstoffen. Aber Ressourcen werden knapp, und das Geld wird knapp. Vielleicht kann sich hierzulande ein Durchschnittsverdiener in 15 Jahren nur noch sein Obdach, seine Kleidung und sein Essen leisten. Vielleicht wird wieder Faschismus gewählt, wenn den Deutschen ihr Leben zu unbequem und zu kompliziert wird?

Viele der einfachen Lösungen der Vergangenheit (seit dem Wirtschaftswunder) haben sich in Probleme der Gegenwart verwandelt, wie es helle Köpfe seit einigen Jahrzehnten prophezeien. Die Politik ist aufgewacht, aber es herrscht eher eine Unruhe, eine verhaltende Panik vielleicht- aber keine echte Handlungsbereitschaft, denn die würde anders ansetzen. Z.B. Elektroautos sind am Ende doch eher Teil des Problems. Parteilinien und die Angst um die Wählergunst helfen beim Regieren offenbar nicht weiter, lenken von der Sache ab. Ich habe den Eindruck, dass wir uns auf Details konzentrieren und die massiven Probleme in so vielen Bereichen isoliert voneinander betrachten, aber vielleicht macht unser Wirtschaftsmodell und unser Lebensstil insgesamt einfach gar keinen Sinn mehr, wenn wir ehrlich sind? Vielleicht wird es mit den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer aberwitziger, dem hergebrachten Modell des Wohlstands und der eigenen Rollen und Ziele innerhalb der Gesellschaft weiter anzuhängen. Dann wäre es jetzt an der Zeit, sich davon zu verabschieden. Den allerlängsten Teil ihrer Geschichte hat die Menschheit ja schon zuvor anders gelebt, ohne sich dabei weltweit selbst existenziell zu gefährden.

Ich glaube, dass wir bescheidener sein müssen, unser Leben nicht am Ruhm der Generation unserer Eltern oder Großeltern messen sollten, denn die fetten Jahre sind wahrscheinlich vorbei. Man müsste längst in Rente sein, damit die freie Marktwirtschaft sich für einen gelohnt hat. Für die Welt insgesamt war die Marktorientiertheit ohnehin meist eher eine Katastrophe, allmählich ist sie es fast für alle. Es scheint, wir haben mit unseren Konsumgewohnheiten so eine Art Affen auf dem Buckel sitzen, der langsam zu groß und zu schwer wird. Wir müssen eher anpassungsfähig sein und brauchen Improvisationstalent statt Konsum, irgendwie praktische Basisfähigkeiten statt uns nur auf unseren Erwerbsbereich und auf üppige materielle Versorgung zu verlassen. Vielleicht muss man in der Zukunft der von Importen zu 99% abhängigen Großstadt den Rücken kehren, denn die Versorgung der Massen steht auf tönernen Füßen. Vielleicht muss man sich Luxus und Spektakel besser verkneifen, aber dafür einfachere, authentischere Glücksmomente schätzen lernen.

Ich glaube, dass Menschen wie wir, die es sich schon vorher nie zu einfach gemacht haben, den Auftrag haben, an einer anderen, stabileren Zukunft für alle mitzuarbeiten. Zumindest können wir uns selbst vielleicht vor manchen Katastrophen besser schützen als andere. Mir fehlen im Alltag die Menschen, mit denen ich wahrscheinliche Szenarien neuer Krisen definieren kann, um uns dann in einem vernünftigen Rahmen darauf einstellen zu können, zumindest mental. Und welche Fähigkeiten oder auch Ausstattung sollte man anderen nahelegen bzw. vermitteln, und auf welche Weise? Gibt es vielleicht sogar einen Weg, politisch ein ganz neues Modell endgültig in gang zu bringen? Oder ist es hoffnungslos, d.h. die Masse wird dem Traum von Konsum und Komfort, vom Glück durch Geld allein sowieso weiter anhängen, während sie ins Verderben stürzt? Wie verhält man sich dann in dieser Umgebung?

PS Ich will euch hier nicht drängen, mitzudiskutieren, wem es vielleicht unangenehm ist. Schließlich geht es ja darum, sich damit auseinanderzusetzen, dass es die eigenen Kinder und Enkel offenbar einmal viel schlechter haben werden als man selbst, und es haben ja quasi alle um uns herum und auch wir selbst schwere Dauerfehler gemacht. Aber für mich geht es um grundlegende Fragen unserer Zeit, auf die bisher kaum tiefergehende Antworten gegeben werden.

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#2

Beitrag von SunOdyssey » Di 16. Aug 2022, 08:42

Das ist das beste, was ich seit langem hier gelesen habe. Ich danke dir für diesen Beitrag und ich glaube, dass du mit allem recht hast, was du schreibst.
Ich finde den Blick in die Zukunft auch deswegen richtig, weil es uns die Augen öffnen sollte vor dem, was da kommt. Ich hatte letztens einen Traum, dass nach den Fichten alle Eichen hier gestorben sind, ganz plötzlich fielen die Blätter und die Bäume waren kahl. Das war ein schrecklicher Alptraum, denn schon als Kind war die Vorstellung für mich schrecklich, dass die Bäume nach dem Winter nicht mehr grün werden könnten. Das wird nun immer realer und steht für eine sterbende Natur, der wir solange alles weggenommen haben, bis sie eben verhungern musste.

Ich glaube, dass es nicht nur um eine schlechtere Zukunft für uns Menschen geht, sondern dass es um alles gehen könnte. Das wird immer realer, aber niemand will es sehen.
Ich sage, was ich meine und ich meine, was ich sage

Und ich sage.....blöde Autokorrektur

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#3

Beitrag von penelope » Di 16. Aug 2022, 08:49

Vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich sehe vieles wie du und teile die meisten deiner Überlegungen.
Besonders:
ohne_Furcht_und_Adel hat geschrieben:
Mo 15. Aug 2022, 22:47
Aber was, wenn die Krise die neue Normalität ist?
Halte ich für sehr offensichtlich.

Mich wundert es nur sehr, wie viele Menschen es immer noch schaffen, die Augen davor zu verschließen. Ich fand den ersten Corona-Lockdown sehr einschneidend und sehr erhellend im Bezug auf die Überlegung, welche Bereich in unserem Leben wirklich notwendig sind. Ich war der festen Überzeugung, dass nach dieser Erfahrung unser Leben ja sicher danach nie wieder so sein kann, wie zuvor – nicht nur, aber überwiegend im positiven Sinn. Ich bin sprichwörtlich aus allen Wolken gefallen, als dann in diesem Frühjahr (in erster Linie bei meiner Arbeit) tatsächlich einige Leute die Ansicht vertreten, wir machen jetzt genau so wieder weiter, wie wir Ende 2019 aufgehört haben. Diese Option war in meinem Kopf gar nicht vorhanden und ich finde diese Vorstellung auch immer noch völlig absurd. Es ist (für mich) doch völlig offensichtlich, dass, wenn wir im gleichen verkorksten System weiter machen, auch die gleichen Probleme wieder auftreten werden. Das ist doch nur eine Frage der Zeit.

Aber die „Einschlagsfrequenz“ der Krisensituationen erhöht sich ja merklich. Ich denke immer noch, dass der Punkt, an dem es einfach niemand mehr schaffen kann, sich davor zu verschließen, dass ein Wandel geschieht, jetzt ja irgendwann mal da sein muss. Zudem ich es auch ähnlich sehe wie du: was wir jetzt für „normal“ halten, ist auch nur ein winzig kleiner Ausschnitt aus der Geschichte der Menschheit. Vor nur 50, oder auch nur vor 30 Jahren, haben wir noch in einer ganz anderen Welt gelebt, als wir es heute tun. Und in nochmal 30 Jahren wird sich wieder sehr verändert haben, was als „Normalität“ angesehen werden wird.

Ich denke aber nicht, dass das unbedingt etwas Schlechtes sein muss. Natürlich sehe ich gerade in Bezug auf das Klima, wie schwierig die Situation werden wird, aber irgendwo bleibt die Hoffnung, dass ein „Anders“ auch gut sein kann (ich habe allerdings auch keine Kinder und muss mir nur über meine eigenen Lebensspanne Gedanken machen).

Im kleinen merke ich gerade privat, wie gut es einem tuen kann, Gewohnheiten aufzubrechen. Mein Mann hat vom Hausarzt ernste Ermahnungen bezüglich seiner Blutwerte erhalten, und um es noch mal zu umgehen, Medikamente zu nehmen, haben wir zunächst jetzt mal Schweinefleisch komplett vom Speiseplan gestrichen und Milch sehr reduziert. Erst haben wir natürlich gedacht, dass wird jetzt aber erstmal hart und ein Verzicht, aber nach etwa zwei Monaten muss ich sagen: es fühlt sich für uns wirklich zu 0,0% nach Verzicht, sondern ausschließlich nach Bereicherung an. Es hört sich so abgedroschen an, wenn man sagt, dass man Veränderungen als Chance sehen sollte, aber irgendwo stimmt es schon.

Eule
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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#4

Beitrag von Eule » Di 16. Aug 2022, 16:04

penelope hat geschrieben:
Di 16. Aug 2022, 08:49
Mich wundert es nur sehr, wie viele Menschen es immer noch schaffen, die Augen davor zu verschließen. Ich fand den ersten Corona-Lockdown sehr einschneidend und sehr erhellend im Bezug auf die Überlegung, welche Bereich in unserem Leben wirklich notwendig sind. Ich war der festen Überzeugung, dass nach dieser Erfahrung unser Leben ja sicher danach nie wieder so sein kann, wie zuvor – nicht nur, aber überwiegend im positiven Sinn. Ich bin sprichwörtlich aus allen Wolken gefallen, als dann in diesem Frühjahr (in erster Linie bei meiner Arbeit) tatsächlich einige Leute die Ansicht vertreten, wir machen jetzt genau so wieder weiter, wie wir Ende 2019 aufgehört haben.
Das wundert Dich? :eek: Was hast Du denn gedacht, weshalb die Leute massenhaft auf die Straße gegangen sind, weshalb bis dahin scheinbar "ganz vernünftige" Leute plötzlich an die wildesten Verschwörungen glauben?
Da ist jetzt plötzlich ihre heile Welt, aus der sie bisher alles Unangenehme auf diesem Planeten so einfach ausblenden konnten, weil's ja nur in den Medien sichtbar war, durch etwas physisch Erfahrbares in Gefahr, das sie gezwungen werden, nicht nur wahrzunehmen, sondern konkrete Veränderung ihres Handelns verlangt. Ihr Recht auf freie Entfaltung wurde eingeschränkt! :ohoh:
Klimawandel, Krieg, Hunger und Elend auf der Welt, - was ist das schon gegen das als unverletzbar wahrgenommene, eigene Recht, sein gewohntes Leben wie gewohnt und geplant leben zu können? :pfeif:
Als ich das vor zwei Jahren sah, war mir sofort klar, dass eine friedliche, intelligente, gemeinschaftlich getragene Lösung für z.B. das Thema Klimaveränderung, vollkommen illusionär ist. Was würden wohl die Leute tun, die wegen ein paar Monaten Lockdown, Maskenpflicht, Reisebeschränkungen und Impfprogramm schon am Rad drehen, wenn vergleichbare und weitergehende Einschränkungen für den Rest ihres Lebens, und wohl auch für das ihrer Kinder nötig sind (und das wäre der Fall, wenn's funktionieren soll). Vergiß es!

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#5

Beitrag von emil17 » Di 16. Aug 2022, 18:42

Es ist wohl ein Problem der Tragik der Allmende. Das eigene Verhalten wird keinerlei Auswirkungen auf den Gang der Dinge haben. In einem anonymen verwalteten Umfeld ist brauchen, solange es hat, die logische Konsequenz für viele.
Einen Ausweg sehe ich darin, Wohlstand nicht mehr allein über mehr Dinge und höheres Bruttosozialprodukt zu definieren. Damit hatte ich aber noch nie Probleme.
Die Hauptaufgabe der Politik sehe ich darin, die Profiteure angemessen an den Kosten zu beteiligen.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Tscharlie
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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#6

Beitrag von Tscharlie » Di 16. Aug 2022, 19:10

Was ist eigentlich Wohlstand?

Wer legt das fest?

Wie kann jemand sagen, dass mein Wohlstand zu Ende sein soll, obwohl er gar nicht weis was für mich Wohlstand ist?
Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier. M.Gandhi
(Nach Hinweis Name korrigiert)

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ohne_Furcht_und_Adel
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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#7

Beitrag von ohne_Furcht_und_Adel » Di 16. Aug 2022, 19:18

Eule, ich bin nicht sicher, ob alle lockdown-, Impfungs- und Maskenpflicht- Gegner nur wegen ihrem persönlichen Recht auf Selbstbestimmung auf die Straße gegangen sind. Die Demos in den dunkelsten Corona- Zeiten waren ja ein Tummelplatz für alle möglichen Ansichten, also Verschwörungstheoretiker, Impfskeptiker und Impfgegner, Pandemie- Leugner und -verharmloser, dazwischen halt noch irgendwelche alternativen Rechten oder gar Neonazis, die jede Art von Unzufriedenheit in der Bevölkerung gerne instrumentalisieren würden. Viele kennen schwere Corona- Verläufe allenfalls aus den Medien und sehen dann vielleicht nicht ein, warum sie sich ein neuartiges Medikament spritzen lassen sollen, wenn in ihrem Umfeld keine gesundheitliche Gefahr erkennbar ist.

Dass unsere Wirtschaftsform und halt die Umwelt in der Krise steckt, ist aber für alle erkennbar. Also vielleicht besteht da doch noch Hoffnung auf den gewissen Punkt des allgemeinen Erwachens, von dem Penelope sprach. Falls nicht längst die ganz großen Weichen in Richtung Inferno gestellt wurden, wie SunOdyssey argwöhnt, denn das würde bedeuten, dass alle gemeinschaftlichen Gegenmaßnahmen zu spät kämen.

Also was die Haltung vieler noch komplett im System eingebundenen Personen betrifft, würde sich sicher ein erheblicher Prozentsatz den Aussagen anschließen "aber was soll man denn unternehmen? Man hat doch gar nicht die Wahl" bzw. "Meine Zukunft und die meiner Kinder würde aber erst recht ungewiss, wenn ich vom bisherigen Pfad abweiche". Die Deutschen waren früher mal für ihre Tatkraft oder ihren unternehmerischen Ehrgeiz bekannt, Feigheit war dagegen keine typische Eigenschaft. Wir haben uns irgendwie in ein Volk von Lämmern verwandelt, die allmählich in den LKW zur letzen Fahrt getrieben werden sollen. Solche Menschen brauchen wohl einen Schubser, also müssen gründlich geweckt werden. Schließlich kommt es wohl auch auf den Einsatz und die Kreativität jedes Einzelnen an, und nicht nur auf die nächste Ideologie, die der Masse alles vorgibt.
Ich denke, dass hierzulande die komplett defaitistische Seite in der Minderzahl ist, die also versucht, in der Krise und auch in der Mega- Krise möglichst schadlos zu bleiben und sich immer für ein "weiter so" entscheiden würde, vielleicht zuliebe des dicken Geländewagens vor der Tür und weil sie noch viele Kreuzfahrten und Fernreisen vorhaben, aus Hass auf Öko- Typen (die schon immer Spielverderber waren), weil Shopping in Malls und Discountern so bequem ist, weil sie keine Windräder in der Nachbarschaft sehen wollen usw. Das dürfte weniger als die Hälfte der Bevölkerung sein. Selbst wohlhabende Rentner sind oft recht progressiv und denken gerne mit. Manche wollen natürlich in jedem Fall alles erreichte Materielle halten und für die Ewigkeit garantiert wissen. Und vor allem gibt es die Hungrigen, die gerne noch alles erreichen würden, weil sie noch nicht weit gekommen sind und sich von keinem dabei bremsen lassen wollen oder aus Rücksicht stoppen würden. Die anderen, das sind für sie auch diejenigen, die bisher immer auf sie herabgeschaut haben und von ihrem Reichtum nichts abgegeben haben. Warum sollten sie jetzt selber auf etwas verzichten, bevor sie richtig anfangen konnten, zu genießen? Diese Einstellung ist glaube ich vor allem ein Problem in den Schwellenländern, und dort in den Megacities. Man sieht in den Fernsehserien eine kapitalistische Idylle, die als Leitbild dient und doch irgendwann zu erreichen sein muss. Wenn der Klimawandel einem Nordafrikaner einen Dürresommer mit Hitzerekorden beschert, ok, das muss man halt irgendwie überstehen, aber hoffentlich kann man sich irgendwann auch mal einen schicken BMW leisten. Die Deutschen machen das doch auch und haben den dicksten footprint, also warum sollte man von vornherein aufgeben und mit Karren und Fahrrad vorlieb nehmen?

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#8

Beitrag von sybille » Di 16. Aug 2022, 19:24

Tscharlie, diese Frage stelle ich mir schon lange und bin zu der Überzeugung gekommen das Wohlstand an dem gemessen wird was man sich leisten kann - die neueste Elektronik, der neueste Grill, immer mal wieder neue Möbel, die neueste Mode, jedes Familienmitglied hat ein Auto ... Was Wohlstand ist diktiert uns die Werbung.
Für mich bedeutet Wohlstand das ich genügend zu Essen habe, mein Wohnzimmer im Winter warm ist ohne das ich etwas dafür tun muss, das ich den Hahn aufdrehe und es kommt Wasser ...
Hühner sind Menschen wie Du und ich, nur das sie zur Hausordnung Hackordnung sagen.

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#9

Beitrag von Rohana » Di 16. Aug 2022, 19:45

sybille hat geschrieben:
Di 16. Aug 2022, 19:24
Was Wohlstand ist diktiert uns die Werbung.
Siehste, man gut dass ich grundsätzlich keine Werbung gucke (in Ermangelung von Fernsehen) und im Radio wegschalte. Pech wenn ich die Nachrichten verpasse :pfeif:
Für mich bedeutet Wohlstand das ich genügend zu Essen habe, mein Wohnzimmer im Winter warm ist ohne das ich etwas dafür tun muss, das ich den Hahn aufdrehe und es kommt Wasser ...
Ich würde dazu ergänzen: Dass ich die Möglichkeit habe, fast jede Art von Naturraum frei betreten und geniessen zu können. Dass wir gute Infrastrukturen haben und ein soziales Netz. Es gibt Kinderbetreuung, Bildung, Ärzte, Seniorenbetreuung, Internet und Strassen, und Arbeit eigentlich für alle die arbeiten wollen (ich geb zu für manche schwieriger...). Es ist alles irgendwie erreichbar und verfügbar, ob ich nun ins Museum will, ins rechte Rockkonzert (will ich nicht, könnte ich aber), oder gluten-, laktose-, tier-, sonstigwas-freie Lebensmittel kaufen will.

Das alles, hab ich manchmal den Eindruck, wird von vielen Bürgern als so selbstverständlich hingenommen dass es schon wieder nix mehr wert ist. Ein weitere Punkt der grade sehr aktuell ist: Ich habe zu meinen Lebzeiten keinen Krieg gekannt, auch meine Eltern nicht am eigenen Leibe, aber in der Psyche und den Erfahrungen *ihrer* Eltern. Wir haben Frieden mit unseren Nachbarn. Das ist ein sehr, sehr kostbares Gut!
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

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Re: Kann es sein, dass unser Wohlstandsmodell am Ende ist?

#10

Beitrag von Eule » Di 16. Aug 2022, 19:49

@ohne_furcht_und_adel:
ist Dir bewusst, dass Du lauter Gründe aufzählst, die klar für das Szenario von SunOdyssey sprechen?
(by the way: "weniger als die Hälfte der Bevölkerung" würde u.U. für eine absolute Mehrheit im Parlament reichen :pfeif: )

@Emil:
Die Hauptaufgabe der Politik sehe ich darin, die Profiteure angemessen an den Kosten zu beteiligen.
kleines Problem dabei: die Politik (an den entscheidenden Positionen) sieht ihre Hauptaufgabe darin, sich angemessen an den Profiten der Profiteure zu beteiligen. ;)

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