Danke für den Buchtipp!!
Ich versuch' dann mal eine Ultra-Kurz-Zusammenfassung von "Commitment and Community":
Rosabeth Moss-Kanter hat 30 utopische Gemeinschaften im 19. Jahrhundert in den USA studiert (mittels Studium der Quellen in diversen Archiven): Frühsozialisten und religiöse Gruppierungen. Ihnen allen war gemeinsam, dass sie Selbstversorgung betreiben wollten. Also die Theorie basiert auf wirklichen Fällen, allerdings zu einer anderen Zeit als heute. Das muss man bei den Ergebnissen mitbeachten.
Aber nun zu den "Erfolgsfaktoren": Der zentrale Erfolgsfaktor einer Gemeinschaft ist, dass sie es schafft, bei ihren Mitgliedern "Commitment" aufrecht zu erhalten: Die Leute wollen lieber bleiben als gehen, sei es aus Begeisterung, sei es aus mehr oder weniger Zwang.
Konkret identifiziert sie folgende Gruppen von Erfolgsfaktoren. Langlebige Gemeinschaften praktizierten niemals alle diese Dinge auf einmal, aber signifikant mehr davon als kurzlebige Gemeinschaften: (WARNUNG: Diese Mechanismen sind großteils nicht gerade von der netten Sorte.)
-) "
Opfermechanismen": Die Gruppe praktiziert irgendeine Art von Enthaltsamkeit (z.B. Schweigen, sexuelle Enthaltsamkeit) und lebt sehr sparsam.
-) "
Investitionsmechanismen":
-) Körperliche Anwesenheit: Man muss vor Ort wohnen.
-) Finanzielle Investition: Man übergibt bei Eintritt sein Vermögen der Gemeinschaft. Während der Mitgliedschaft erhält man die Dinge für den Privatgebrauch von der Gemeinschaft
-) Unwiderrufbarkeit des Investments: Über eingebrachtes Vermögen werden keine Aufzeichnungen gemacht. Aussteiger kriegen ihre Investion nicht zurückerstattet.
-) Aussteiger werden für eingebrachte Arbeitsleistung nicht entschädigt.
-) "
Entsagungsmechanismen"
-) Isolation: Entlegene Gegend, "Rundum-Selbstversorgung" (einschließlich medizinische Versorgung), Auswärtsaufenthalte nur während bestimmter Zeiten,
Außenwelt wird als böse angesehen, Mitglieder tragen spezielle Kleidung, Mitglieder sprechen speziellen Gruppenjargon, Zeitungen aus der Außenwelt werden
nicht gelesen, staatliche Feiertage werden nicht gefeiert
-) Grenzkontrollen: Mitglieder verlassen selten die Gemeinschaft, es gibt spezielle Regeln für die Interaktion mit Besuchern
-) Einschränkung von Paarbeziehungen: "Freie Liebe" (alle-mit-allen) oder Zölibat, sexuelle Beziehungen unterliegen Kontrolle durch die Gruppe
-) Einschränkung von Familienbeziehungen: Eltern und Kinder werden getrennt, Familien wohnen nicht gemeinsam
-) "
Kommunikationsmechanismen"
-) Homogene Mitglieder (Religion, sozioökonomischer Hintergrund, ethnizität, vorherige Bekanntschaft)
-) Gemeinsame Nutzungen: Gemeinschaftseigentum an Land, Gebäuden, Möbel und Ausrüstung, Kleindung und persönlichen Gebrauchsgegenstände
-) Gemeinsame Arbeit: Arbeit wird nicht entlohnt, Gemeinschaftsleistungen sind für Mitglieder kostenfrei, Beitritt ohne Qualifikationsvoraussetzungen, Job rotation,
gemeinsame Arbeitseinsätze
-) Regelmäßige Kontakte: Wenig Privatsphäre, Regelmäßige bis tägliche Gruppentreffen
-)
Rituale: Eigene Lieder, gemeinsames Singen, gemeinsame Feste
-)
Verfolgung: Missetäter werden ökonomisch oder physisch bestraft
-)
Kasteiung:
-) Rituale von Beichte und gegenseitiger Kritik, gegenseitige Überwachung, Überwachung durch Führer
-) Sanktionen: Öffentliche Kritik von Abweichlern, Entuzug von Privilegien, Ausgrenzung von Gemeinschaftsaktivitäten, Sanktionierung eher durch Bestrafung innerhalb
der Gemeinschaft als durch Ausschluss
-) Spirituelle Abgrenzung: Mitglieder werden moralisch überhöht, Unterwerfung gegenüber moralisch Höhergestellten, keine Unterscheidungen auf Basis von Können
oder Intelligenz, Unterweisung in der Gemeinschaftslehre, Mitglieder müssen Regeln lernen, neue Mitglieder von alten Mitgliedern abgeteilt, Probezeit mit
eingeschränkten Rechten
-)
Transzendenzmechanismen
-) Ideologie: Lehren über die Natur des Menschen, eigenes philosophisches System, Menschen mit übernatürlichen Kräften, Unterwerfung unter höhere Prinzipien,
Werte als offizielle Basis für Entscheidungen
-) Institutionalisierte Autorität: Führer sind Gründer oder persönliche Nachfolger des Gründers, keine Möglichkeit die Autorität in Frage zu stellen, Führung genießt
spezielle Privilegien
-) Anleitung: Tägliche Routinen, genaue Verhaltensregeln
-) Übernahme der Ideologie: Schwur leisten, Glaubensprobe für Kinder
-) Tradition: Gemeinschaft entstand aus einer schon zuvor bestehenden Gemeinschaft. Je länger diese schon bestand, desto höher die Überlebenschancen auch der
neuen Gemeinschaft.
Tja, also wenn das die Erfolgsgeheimnisse langlebiger Gemeinschaften sind, dann ist es denke ich kein Wunder, dass Gemeinschaftsprojekte heutzutage nicht gerade boomen.
Aber wie gesagt, das war im 19. Jahrhundert. Teilweise wird es heute sicher anders sein.
guzzmania