... und wieder n Sägewerk weniger

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Little Joe
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... und wieder n Sägewerk weniger

#1

Beitrag von Little Joe » Do 8. Mär 2012, 21:07

Hallo Leute hatte heut das Erlebnis der 3. Art.
Als ich vor 9 Jahren in die Eifel gekommen bin gabs hier ein tolles kleines Sägewerk in Familienhand. Bin durch Zufall drauf gestossen, und man bekam wirklich alles von der Dachlatte bis hin zum Firstbalken und alle Arten von Brettern. Das erste mal als ich da war, gabs den Opa noch der mir gleisch n Plausch reindrückte "Wie und Wofür das Holz sein sollte". Pferdeunterstand! Ja da haben wir hinten noch n Stapel der is zwar schon 2 Jahre alte und etwas verzogen , kannse für die Hälfte haben. Super!! Hat mir dann auch noch beim aufladen geholfen. Brauchse ne Rechnung? Nee, ja dann machen wir ne glatte Summe. Sohn und Enkel (damals 16) liefen auch rum. Büro war ne Bretterbude mit Holzofen.
Drei Jahre und etliche Stapel Bretter später war der Opa dann leider nicht mehr und Sohn hat alles übernommen. Lief aber alles weiter wie bisher, ich hab immer die begradigten Schwarten gekauft (qm 2€ war echt unschlagbar). Vor 4 Jahren war ich dann mal wieder Bretter holen und Sohn sagt lad schon mal auf wenn du fertig bist kommste rein zum bezahlen. Enkel mit Handy am Ohr steht daneben. Vater sagt: "Hilf mal beim Aufladen" Sohnemann sagt nix telefoniert weiter und schlurft von dannen. Hat ich echt sooooooooon Hals.
Vor zwei Jahren war die Bretterbude weg, stattdessen schicker Anbau mit Holz und Glas, aber mein Holz gabs immer noch. Aber auch n neues Hochregallager mit irgendwelchem superteurem Holz in Folie. Aber egal, Preis blieb stabil und Mr Superenkel sass eh immer im neuen Anbau und hat telefoniert und abkassiert.
Im Herbst letzten Jahres war ich dann da, Vater weg und Mr Grosskotz war jetzt Chef. Ich sag brauch drei Lagen begradigte Schwarten in 2,50, ich weiss wo geh dann schon mal aufladen. Nix da Mr. Ganz toll latscht im netten Zwirn, mit cooler Basecap hinter mir her, bewaffnet mit Spraydose. Geht zum Holzstapel und sprüht die 4. Lage an!!! "Damit sie nich mehr aufladen" ARSCH. Natürlich hilft keiner beim Aufladen. Ich geh rein zum bezahlen, da steht der auf geht raus und sieht nach ob ich auch nich zuvuiel eingeladen habe. Ich: Brauch keine Rechnung zahle bar. Er; Das macht keinen Unterschied.

So. heute Nachmittag. Komme zum Sägewerk, und als erstes hör ich nix. Keine Sägen. Komisch. Keine Bretterstapel. Ich in den Anbau. Da is nu ne Glaswand hinter der Mr Kinderchef sitzt, davor irgend son Sklave. Ich: ich brauch 4 Lagen begradigte Schwarten. Sklave: Haben wir nicht mehr, wir sägen nicht mehr selbst, wir verkaufen nur noch Holz. :eek: Wie Was????? Wo kommt denn das Holz her? Belgien, Russland, Polen. Sie können Schalbretter haben: 8€ qm. :eek: :eek: Seh ich aus wie Krösus. Ich: Wo kommen die denn her:? Er: AUS RUSSLAND :roll: :roll:

Jetzt sagt mal echt, da karren die Bretter aus Russland an um sie hier zu verkaufen, wo hier das Holz fast bei denen aufm Hof wächst. Wie bescheuert is das denn?
Wo sind die Läden, wo man noch Schrauben einzeln kaufen konnte, wo Werzeug angeboten wurde was noch was aushielt.

total genervter Joe
Erstaunlich, dass Menschen, die alles besser wissen, nie etwas besser machen.

zaches
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Re: ... und wieder n Sägewerk weniger

#2

Beitrag von zaches » Do 8. Mär 2012, 21:26

UNd wo haben die ihre Säge für die Bretter hin verkauft??
Hier hat 2 Dörfer weiter jemand so eine Bäume-in-Bretter-Säger gekauft - da rennen jetzt alle mit ihren Eichen hin und lassen sie sägen. Denn alle anderen Sägewerke sind hier schon seit Jahren geschlossen und es gibt nur n och Holz in Plastefolie....

Also: entweder Du kaufts die Säge oder ich kaufe die Säge oder Du fährst dahin, wo die Säge nun steht.... :grinblum:

lg, zaches
"Erdachtes mag zu denken geben, doch nur Erlebtes wird beleben." Paul von Heyse

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Re: ... und wieder n Sägewerk weniger

#3

Beitrag von WernervonCroy » Do 8. Mär 2012, 22:32

Das ganze hat viel tiefer Gründe.

Unsere heutige Zukunft, sprich die Jugendenlichen sind sich zu fein, die Hände dreckig zu machen. Sehe ich immer wieder, wenn wieder mal welche vorbeilaufen und "ui pferde" schreinen.............ich lasse dann nur mal die Hunde frei......
Selbst mein Grosser will keinen Handschlag mehr "freiwillig" machen. Ich bin mittlerweile dazu übergangen, du machen, sonst haue. Schlage nie gerne, aber wenns zu Erziehungszwecken sein muss......
Früher musste man noch bei Oma/Opa bzw Mutter/Vater mithelfen, heute kann kein Kind mehr Mithelfen.
Wie schon öfters gheschrieben, ich mache sehr viel selbst und finde es super toll das mein kleiner immer mithelfen will und natürlich lasse ich Ihn auch gerne :grinblum:
Lebe dein Leben.
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Re: ... und wieder n Sägewerk weniger

#4

Beitrag von Bunz » Fr 9. Mär 2012, 07:48

Hallo Joe,
Du erlebst gerade das im Kleinen, was im Großen seit Jahren passiert.
Die Neunmalklugen tönen ja ständig, daß "gehandelt" mehr einbringt, als "geschafft".
Und DAS haben wir jetzt.
Und damit schaffen wir uns selbst ab (um mal was Geflügeltes hier reinzubringen).
lg
Bunz
Der Weg zur Gesundheit führt durch die Küche und nicht durch die Apotheke.
Sebastian Kneipp

DerElch

Re: ... und wieder n Sägewerk weniger

#5

Beitrag von DerElch » Fr 9. Mär 2012, 08:13

@frank wuerde ich mal so nicht verallgemeinern... es gibt durchaus jugendliche die zu schätzen wissen was sie bekommen und sich auch nicht zu gut sind anzupacken.

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Re: ... und wieder n Sägewerk weniger

#6

Beitrag von mindsmith » Fr 9. Mär 2012, 08:58

Bei mir ganz ähnlich, die Sägerrei die füher das Holz der Region gekauft hat, sägt nun nicht mehr selbst sondern kauft das fertige Holz in Osteuropa und Russland. Weils billiger ist. Wenn man dann dort was kaufen will ist es trotzdem viel teurer als noch vor ein paar Jahren. :motz:

Manfred

Re: ... und wieder n Sägewerk weniger

#7

Beitrag von Manfred » Fr 9. Mär 2012, 09:52

Versteh ich nicht:
Selber ein gutes Lehrergehalt kassieren. Aber die anderen sollen für Billiglohn harte körperliche Arbeit leisten und dann noch ihr Holz halb verschenken. Und wenn sie das nicht wollen, sind sie zu faul zum Arbeiten?
Vermutlich darf die "Zecke" von Junior auch noch seine Eltern mit durchfüttern, weil die trotz ihrer lebenslangen Schufterei für andere nicht mehr als ein paar Euro Rente bekommen.
Wenn du den nächsten Säger findest: Zahl ihm doch einfach auskömmliche Preise. Dann findet der evtl. einen Nachfolger, der gegen Großsägewerke mit Schnellzerspanern konkurrieren kann. Selbst die Großsägewerke in D werden zunehmend von Ausländischen Konzernen geschluckt, weil sie alleine nicht am Weltmarkt bestehen können.
Klausner in Landsberg z.B. wurde von Ilim Timber geschluckt. Und können dank ihrer Marktmacht dann die Großlieferanten wie den Staatsforst drücken und den Abstand zu den Kleinen noch weiter erhöhen.

viellieb

Re: ... und wieder n Sägewerk weniger

#8

Beitrag von viellieb » Fr 9. Mär 2012, 10:51

Manfred hat geschrieben:Und können dank ihrer Marktmacht dann die Großlieferanten wie den Staatsforst drücken und den Abstand zu den Kleinen noch weiter erhöhen.
@manfred, und jetzt denk nochmal etwas weiter....

Genau Joe hör aufs weise Zaches ;)

bunte Grüße

Manfred

Re: ... und wieder n Sägewerk weniger

#9

Beitrag von Manfred » Fr 9. Mär 2012, 12:02

@Joe: Entschuldige. War vorhin etwas angefressen. Deine Zweifel an der Persönlichkeit des Juniors sind natürlich unbenommen. Ich wollte nur die wirtschaftlichen Zwänge zum Ausdruck bringen. Ich habe hier das Glück, dass der Junior unseres Haus-und-Hof-Sägers die Säge weiter im Nebenerwerb betreibt. Andere, größere Sägen haben längst dicht gemacht. Der im Nachbarort (einst Vollerwerbsbetrieb mit mehreren Angestellten) hat z.B. Solarzellen auf die Dächer gelegt und vermietet die befestigten Flächen als LKW-Stellplatz. Ich schätze, dass hier im Umkreis seit 1950 mind. 3/4 der Sägen dicht gemacht haben und mit dem anstehenden Generationenwechsel noch mal viele folgen werden.
Aktuell sind sie in der Quetsche zwischen steigenden Hackschnitzel- und Industrieholzpreisen und dem Kostendruck der Großsäger. Mit motormanueller Mischarbeit ist dagegen kaum anzustinken.
Wo sich wieder eine Lücke auftut ist in der Tat bei (teils mobilen) Kleinstsägewerken, die im Lohn für den Eigengbedarf von Waldbauern schneiden oder Sonderwünsche erfüllen (Starkholz, besondere Zuschnitte und Holzarten), die für die Großsägen magnels Volumen nicht von Interesse sind. Reich werden die aber auch nicht. Da muss man richtig klotzen für seinen Lebensunterhalt.

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Re: ... und wieder n Sägewerk weniger

#10

Beitrag von emil17 » Fr 9. Mär 2012, 16:45

Fallbeispiel Grosssägerei in Domat/Ems Graubünden: Kommt einer und will in ne Grossägerei investieren, aber bitte Steuerermässigung und Industriefläche von der Gemeinde für fast nix und Förderung. Dafür schafft er Arbeitsplätze.
Arbeitsplätze sind keine geschaffen worden, weil ein paar kleine lokale Sägereien eingegangen sind.
Die grosse ist nun auch pleite. Schuld sei die öffentliche Hand, weil die kein Geld mehr nachschiessen wollten, um die Betriebsverluste zu decken.
Und die Gemeinden im Hinterland werden nun ihr Holz kaum mehr los, weil Transport zu umständlich.
Ist überall der selbe Mist.
Aber eigentlich müsste es ein Forums-Kapitel "zur traurigen Wildsau" dafür geben.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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