Ist Europa mehrfach nur knapp am Blackout vorbeigeschrammt?

Sonne, Wind und Feuer
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emil17
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Re: Ist Europa mehrfach nur knapp am Blackout vorbeigeschrammt?

#31

Beitrag von emil17 » Mo 25. Jan 2021, 10:43

penelope hat geschrieben:
Mo 25. Jan 2021, 09:42
In der Hinsicht haben wir uns leider eher zurück entwickelt.
Alles immer jederzeit und überall und sofort gilt als Fortschritt, und dann muss es noch billiger werden. Billig ist es dann, wenn es wenig kostet, d.h. wenn man den grössten Teil der Kosten irgendwem anders überlassen kann.

Mir stellen sich folgende Fragen:

Muss ich meine Umgebung mit Windrädern zubauen lassen, weil dieser Strom rentabel erzeugt werden kann (was in unserem System aus ausreichender Nachweis für Bedarf gilt), und dann per Umlage und anderweitige Zuschläge auch noch die Zwischenspeicherung und den Transport, und dann per Steuern womöglich auch noch die staatliche Stützung systemrelavanter Technik und Infrastruktur, falls es doch nicht rentiert?
Muss man jedes Alpental mit einem Pumpspeicher versehen, nur damit die Leute anderswo sich nicht überlegen müssen, wann sie ihr E-Auto aufladen sollen?
Muss man auf dem Land immer neue Hochspannungsleitungen akzeptieren, damit der Strom von der Nordsee in die Alpen und wieder zurück in die grossen Städte kann?
Ja, denn ohne eine sichere Stromversorgung funktioniert die Wirtschaft nicht und dann ist auch mein Mindestlohn gefährdet ...

Bezüglich Zwischenspeicherung: Das macht aus Kosten- und Umweltgründen nur Sinn für Geräte, die nötig sind und die man nicht irgenwann benutzen kann.
Leute, die zum Surfen nach Südafrika und zum Weihnachtsshopping nach NewYork fliegen, werden "Geräte, die nötig sind" anders definieren als Umweltschutzaktivisten.
Auf jeden Fall darf man den Bedarf für Speicherung nicht einfach mit den Kilowatts gleichsetzen, die bei Billigtarif und ohne Einschränkung durch den Zähler laufen.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Re: Ist Europa mehrfach nur knapp am Blackout vorbeigeschrammt?

#32

Beitrag von penelope » Mo 25. Jan 2021, 11:40

In Niedersachsen, und speziell in meiner Region, ist man energiepolitisch einiges an Leid gewohnt.

Die Castoren nach Gorleben sind früher quasi hinter der Haustür langgefahren, nur ein paar Kilometer weiter steht jetzt der nächste Salzstock ganz weit oben bei der neuen Endlagersuche. Im nächsten Jahr wird die Weide, auf der mein Pferd steht, einmal komplett aufgebuddelt für eine neue Stromtrasse, die den Strom aus dem Offshore-Windanlagen in den Süden bringt. An normalen Windrädern habe ich mich noch nie gestört, das Ausmaß an Maisanbau für Biogasanalgen ist jedoch echt kein Spaß mehr. Im Landkreis wird dann auch noch Fraking betrieben - deutlich erhöhte Krebsraten im Umland stehen dazu angeblich in keinem Zusammenhang. Und Bayern blockiert weiterhin die Endlagersuche im eigenen Bundesland....

Eine gerechte Energieversorgung kann nur in einer dezentralen Struktur möglich sein. Wo eben nicht genug Energie (und Wasser) für immer noch mehr Menschen und noch mehr Industrie vorhanden ist, da muss dann eben irgendwann ein Ende sein. Ganz egal, wie gerne irgendwelche Hipster und Schickeria zentral wohnen möchten und ganz egal, wie teuer man noch Bauland in der Umgebung verkaufen kann und wie sehr die Unternehmenssteuern locken. Es gibt ja mehr als genügend Gegenden, die unter Abwanderung leiden und denen eine Aufwertung sehr gut tun würde. Ständig über natürliche Grenzen zu gehen ist eben kein Fortschritt sondern einfach kurzfristig gedacht und dämlich.

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patrick7
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Re: Ist Europa mehrfach nur knapp am Blackout vorbeigeschrammt?

#33

Beitrag von patrick7 » Mo 25. Jan 2021, 12:33

penelope hat geschrieben:
Mo 25. Jan 2021, 11:40
Ständig über natürliche Grenzen zu gehen ist eben kein Fortschritt sondern einfach kurzfristig gedacht und dämlich.

:daumen: :daumen: :daumen:

Und ich hatte auch noch mehr Zitieren konnen. ;)

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emil17
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Re: Ist Europa mehrfach nur knapp am Blackout vorbeigeschrammt?

#34

Beitrag von emil17 » Mo 25. Jan 2021, 13:37

penelope hat geschrieben:
Mo 25. Jan 2021, 11:40
Bayern blockiert weiterhin die Endlagersuche im eigenen Bundesland ...
Diese Problematik kann man am besten aus der Geschichte heraus verstehen: In der Technik-Euphorie nach dem Kriege war Sondermüll schlicht kein Thema.
Man hat dann gemerkt, dass es nicht so einfach ist. Für die Atomkonzerne war aber Atommüll immer etwas, das unproduktive Kosten verursacht und schlechte Presse macht. Lange Zeit gab es das Problem gar nicht. Dann war es hilfreich, dass kalter Krieg war - man konnte es so darstellen: Wer gegen Atomkraft war, war für die Russen. "Geht doch nach drüben, wenns euch hier nicht passt", oder "Sibirien einfach - was glaubt ihr was die Russen mit solchen wie Euch machen?" Als ob das mit dem Problem etwas zu tun hätte! Ich höre es heute noch, und wenn man sich nicht so behandeln lassen will und dazu die Bundesverfassung mit den Grundrechten von jedermann zitiert hat (bei Euch das Grundgesetz), bekam man keine Stelle im öffentlichen Dienst und wurde überwacht.
Die Schweiz hat heute noch kein Endlager, und die AKWs laufen immer noch.

Dann kam irgendwann die Einsicht, dass man das Problem im eigenen Land lösen muss.
Zuerst hat die Industrie das auf rein privatwirtschaftlicher Basis zu lösen versucht: man kauft eine alte Tongrube, macht den Dreck da rein und den ehemligen Besitzer reich und die anderen geht das nichts an.

Es kann aber nicht sein, dass eine Region die Arschkarte für eine ganze Nation bekommt. Da hilft auch Demokratie nicht weiter, denn die Frage, welche Energie man will, wurde gar nicht gestellt, wenn es bloss darum geht, wo der Abfall hin soll.
Die hätte aber gestellt werden müssen, bevor die Bewilligung für das erste Atomkraftwerk (oder die erste Chemiefabrik) erteilt wurde, und zwar mit Nennung aller Nachteile.

Gorleben hatte ja damals den Vorteil, dass es Zonenrandgebiet war, d.h da war nichts los, da wohnen eh nicht viele und die paar wenigen konnte man demokratisch überstimmen, weil ja niemand in der ganzen Republik das Zeug wollte. Zudem war es ein Landzwickel, und auf drei Seiten vom Feind DDR umgeben. Dann noch etwas mehr Fördergeld, und es ging. Wenn es dennoch nicht geht, kann man die Demokratie ja mit Polizei durchsetzen.
Aus Sicht fast aller, die nicht im Wendland wohnen und die nicht ganzheitlich denken, ist deshalb Gorleben ein guter Standort - einfach weil es nicht da ist, wo man selber wohnt. Wieso Strom aus der Steckdose kommt, ist ja auch egal, solange man die Rechnung des E-Werks bezahlt.
Natürlich ist das kurzsichtig, denn solche Probleme kümmern sich nicht um Landes-und Verwaltungsgrenzen. Im kurzfristigen Profitdenken kann das aber schon mal vergessen gehen.

Wie die Versprechen im Katastrophenfall eingehalten werden, kann man gut an Fukushima sehen - was ist mit denen passiert, die evakuiert werden, und was haben die an Entschädigung für all das bekommen, bis hin zu verwüsteten und dennoch nicht sauberen Gärten durch Dekontamination?

Die Abfallproblematik muss auch bei der Evaluation von Stromspeichermöglichkeiten heute mindestens so wichtig sein wie die der Speicherkosten und der Effizienz, denn sonst wird das einmal unsere Kinder und Enkel einholen.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Re: Ist Europa mehrfach nur knapp am Blackout vorbeigeschrammt?

#35

Beitrag von Dyrsian » Mo 25. Jan 2021, 19:53

Einer unserer Profs hat uns mal erzählt, dass man in USA die Sache anders angeht: Statt den Müll irgendwo auf Nimmerwiedersehen in ein Bergwerk zu kippen, lagert man ihn oberirdisch, aber "sicher" in zugänglichen Betonhallen.
Alles was man irgendwo "für immer" vergräbt und dann nicht mehr rankommt, finde ich Mist. Siehe Asse!

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Re: Ist Europa mehrfach nur knapp am Blackout vorbeigeschrammt?

#36

Beitrag von andreas » Di 13. Jul 2021, 16:18

Blackout – Wie gut sind wir auf Hessen ohne Strom vorbereitet? | doku
https://www.youtube.com/watch?v=p7zoQBo1-m0

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Re: Ist Europa mehrfach nur knapp am Blackout vorbeigeschrammt?

#37

Beitrag von Renysol » Mi 14. Jul 2021, 17:21

Ein Film mit Happy End. Nach ein paar Tagen fließt der Strom wieder und alles ist gut.

Wenn es einen großen Blackout gibt, dann geht Technik kaputt. Optimisten unter den Fachleuten sagen, nach 2 Wochen könnte das Netz wieder hochgefahren werden.

Nach Umfrageergebnissen können sich 30 % der Menschen maximal 3 Tage selbst versorgen. 30 weitere Prozent können sich 6 Tage selbst versorgen. Die Lücke bis zu 14 Tagen ist kaum zu überbrücken.

Das ist die Stelle, an der wir alle ansetzen müssen. Und da ist der obige Film ein erster Schritt zum Bewusstwerden des Problems.

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Re: Ist Europa mehrfach nur knapp am Blackout vorbeigeschrammt?

#38

Beitrag von emil17 » Do 15. Jul 2021, 07:54

Ich glaube, dass die Angst vor einem Blackout von den Stromkonzernen bewusst gepflegt wird, weil die in den Ausbau der Netze und Produktion investieren wollen und da mit Widerstand seitens der Landbevölkerung zu rechnen ist.
Wir in den Ballungszentren haben den Profit und das automatisierte Leben und alles überall und sofort, ihr da draussen kriegt die Windräder, die Stauseen und die Hochspannungsmasten. Weil wir viel mehr sind als ihr da draussen, ist die Sache auch noch demokratisch.
Zudem kann man nicht alle systemkritischen Dienste und Infrastrukturen immer mehr von Dienstleistungen anderer (hier: Stromversorgung) abhängig machen und wenn etwas ist, war es dann höhere Gewalt.
Man könnte ja auch mal auf der Verbrauchsseite nachrüsten: Geräte die man nicht abschalten kann oder nicht abschaltet, der Bequemlichkeit halber ...
Warum braucht ein gewöhnlicher Haushalt einen Home-Server und fernsteuerbare Sonnenmarkisen?
Warum muss man ein ganzes Haus mit einer Wärmepumpe dauernd auf 23 Grad Innentemperatur halten, auch wenn ganztags über keiner da ist?
Was soll der stromvernichtende Unsinn mit Kryptowährungen?
"Braucht" es diesen Strom genauso wie es den Strom braucht für wirklich wichtige Dinge?
Wieso gibt es Mengenrabatt für Grossverbraucher, statt progessive Tarife, die Anreiz für mehr Effizienz schaffen?
Strom ist wertvoll, deshalb soll er auch teuer sein, denn dann wird sorgfältig damit umgegangen - das ist mit allen Dingen so.
Beispielsweise wären Straftarife für veraltete und unsinnige Installationen wie Elektro-Widerstandsheizungen nötig, denn die lassen sich durch besseres ersetzen. Muss man die letzten Alpentäler in Stauseen verwandeln, nur damit diese Dinger weiterhin bedient werden können?

Zum Thema Wärmepumpen: An sich sind die Dinger genial, nur gibt s da ein Problem: Sie erzeugen eine hohe Grundlast an Strom vor allem im Winter. Viele sind auch rein temperaturgesteuert und schalten dann ein, wenn es drinnen kalt genug ist, und nicht erst am Tag darauf, wenn vielleicht PV-Strom da wäre. Die häufigst verbauten Luft-WPS sind zwar in der Installation billig, weil keine aufwendigen und teuren Erdbohrungen nötig sind, dafür wird der Wirkungsgrad schlecht, wenn man sie wirklich braucht, nänlich wenn es draussen richtig kalt ist.

Der neue Grossverbraucher E-Mobilität hat auch so seine Probleme, denn wenn man das Auto aufladen möchte, ist es Nacht, da es tagsüber beim Arbeitgeber steht. Also braucht man Zwischenspeicher, etwa Pumpspeicherkraftwerke. Dazu muss man dann eben Stauseen bauen oder vergrössern, und den Strom da hin und von dort wieder wegbringen.
Es stellt sich wieder die Frage: Müssen WIR unsere Landschaft verschandeln lassen, damit IHR eure Autos bequemer laden könnt?
Den Strom von der PV von meinem eigenen Dach kann ich aber nicht zum Laden brauchen, ich kann höchstens zu unattraktivem Tarif einspeisen, also ihn dem E-Werk verkaufen, und gleichviel dem gleichen E-Werk am Arbeitsort wieder abkaufen, falls der Arbeitgeber so nett ist und dort eine Ladestation anbeitet.
Mit reinen Vorschriften könnte man da schon einiges an Umweltschäden sparen: Die E-Werke müssen ihre Netze zum Transport von Strom zur Verfügung stellen, damit ich rechnerisch meinen eigenen Strom anderswo als zu Hause verbrauchen kann, und Ladestationen an Arbeitsplätzen gehören gefördert. Der Rest ist dann ein reines Buchhaltungsproblem. Wenn jedes E-Auto eine eindeutige ID hat, die von jeder Ladestation automatisch erkannt wird (hat ja jede Netzwerkkarte von einem PC auch), dann kann das alles vollautomatisch und transparent ablaufen.
Die Folge wäre, dass es finanziell sehr viel attraktiver wäre, Strom zur eigenen Mobilität selber zu erzeugen, und man hätte auch das Problem teilweise gelöst, dass Produktion und Verbrauch des Stroms zur Mobilität nicht zeitlich zusammenfallen.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Re: Ist Europa mehrfach nur knapp am Blackout vorbeigeschrammt?

#39

Beitrag von Dyrsian » Do 15. Jul 2021, 09:35

Noch sind E-Autos doch was für reiche Yuppies.
Wer nur eine Etagenwohnung hat kann das Teil doch nur an irgendeiner Ladesäule am Arsch der Welt für unmäßig viel Geld laden lassen, und nachts kommen dann die Kupferdiebe und nehmen das Ladekabel mit.
Aber mein 3 Zylinder Diesel, der in der Stadt nur 4 Liter braucht, der darf nicht mehr in die Innenstadte weil er nur Euro 5 hat, aus Umweltgründen. Der würde von den Werten wohl sogar Euro 6 kriegen, nur gab es damals noch kein Euro 6.
Der Bus von uns zur Uni wurde eingestellt, angeblich zu wenig Fahrgäste. Ja, man konnte dort sitzen - das scheint im Ruhrgebiet dann schon eine Unterbelegung zu sein. Wer fährt denn noch eine Strecke mit dem ÖPNV wenn er zig mal umsteigen muss und dreimal solange braucht wie mit dem Auto?
Die deutsche Umweltpolitik ist ein Witz.

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Re: Ist Europa mehrfach nur knapp am Blackout vorbeigeschrammt?

#40

Beitrag von Rohana » Do 15. Jul 2021, 17:52

emil17 hat geschrieben:
Do 15. Jul 2021, 07:54
Wir in den Ballungszentren haben den Profit und das automatisierte Leben und alles überall und sofort, ihr da draussen kriegt die Windräder, die Stauseen und die Hochspannungsmasten. Weil wir viel mehr sind als ihr da draussen, ist die Sache auch noch demokratisch.
So isses. Nebenbei wird bei uns "da draussen" immer mehr an Wasserschutzgebieten und Ausgleichsflächen ausgewiesen, weil ihr "da drinnen" nicht nur stromhungrig seid...
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

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