Humus – Grundlage unseres Lebens

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emil17
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Re: Humus – Grundlage unseres Lebens

#71

Beitrag von emil17 » Fr 21. Feb 2020, 14:10

Wenn man den Humusgehalt eines Bodens bestimmen will, um daraus Klimawirksamkeit von Massnahmen zu beureilen, führt kein Weg an der Bestimmung von absoluten Gehalten pro Fläche vorbei.
Wenn man vergleichbare Böden beurteilen will, sind prozentuale Gehalte ok, zumal sie einfach und rasch zu bestimmen sind.
Um eine quantitative Beurteilung genau zu machen, musst du für jeden Bodenhorizont bestimmen:
Lagerungsdichte (in Tonnen pro Kubikmeter, nimmt nach unten fast immer zu)
aktueller Wassergehalt (um auf das Trockengewicht zu kommen)
Humusgehalt (in Prozenten wobei 100% das Trockengewicht der Bodenprobe des betreffenden Horizontes sind)
Steingehalt (in Volumenprozenten)
Das über alle Bodenhorizonte aufsummiert gibt dann den Humusvorrat.
Schwierig zu messen sind:
die Profiltiefe (wo hört es nach unten auf?). Die obersten Schichten sind zwar für die Fruchtbarkeit entscheidend, die unteren Schichten werden aber auch durchwurzelt, z.B. als Lebensversicherung von ausdauernden Gewächsen in Trockenperioden.
Der Skelettgehalt in steinigen Böden, weil es grosse Volumina (also grosse Löcher) braucht, um das überhaupt zu schätzen, und weil er oft über kleine Distanzen stark schwankt.
Die Lagerungsdichte: Die Beprobung soll das Porenvolumen nicht verändern, sonst hat man nacher meist zu hohe Werte, wenn die Probenahme den Boden verdichtet.

Bei schweren Lehm-Böden kann deshalb der Humusgehalt in Tonnen pro Fläche gleich sein wie bei leichteren Böden, obwohl der prozentuale Humusgehalt oberflächennaher Schichten deutlich geringer ist.

Das ist so ähnlich wie bei der relativen und absoluten Luftfeuchtigkeit. Wenn man wissen will, wieviel Wasser in einem Volumen Luft ist, hilft die relative Luftfeuchtigkeit alleine nichts.
Rati hat geschrieben:
Fr 21. Feb 2020, 11:29
weil du durch die Bearbeitung des Bodens (Spatentiefe =ca 20 cm) genau in der wichtigen Zone für einen verstärkten Stoffumsatz sorgst (der durchaus positiv für die Nährstoffverfügbarkeit für die Kuturpflanzen ist). Diese Umsatzsteigerung musst du natürlich durch eine größere Bereitstellung an Rohstoffen wieder ausgleichen.
Ich befürchte, hier machst du einen Denkfehler. Umsatz und Kapital sind nicht dasselbe!
Wenn der Umsatz steigt, können auch bei sehr geringen Vorräten im Boden hohe Wuchsleistungen vorliegen; etwa in tropischen Regenwäldern, wo wegen des Klimas der Boden fast nichts speichern kann, weil Humus unbeständig ist und alles sofort ausgewaschen wird. Dort sind praktisch alle Nährstoffe in den Pflanzen selbst.

Andersrum können Böden in kaltem Klima sehr nährstoffreich sein. Typisches Beispiel sind die extrem wüchsigen Hochstaudenfluren der Hochgebirge im Bereich der klimatischen Waldgrenze, wo aber fast 8 Monate Vegetationsruhe herrschen. Die Nährstoffe werden dort sehr schlecht ausgenutzt, wenn man die Pflanzeproduktion auf die Menge verfügbarer Nährstoffe bezieht.

In unseren Breiten mit ausgeprägten Jahreszeiten haben wir bei einjährigen Kulturen das Problem, dass im Frühjahr alles wachsen und im Herbst alles sich zersetzen muss, wenn der Boden nicht aushagern soll, es also den Boden als Nährstoffzwischenspeicher braucht. In Gegenden ohne Vegetationsruhe laufen Wachstum, also Nährstoffaufnahme, und Abbau, also Freisetzung, parallel zueinander, so dass nie grössere Nährstoffmengen ungenutzt im Boden darauf warten, wieder aufgenommen zu werden.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

viktualia

Re: Humus – Grundlage unseres Lebens

#72

Beitrag von viktualia » Fr 21. Feb 2020, 14:37

Was mich beschäftigt ist der Teil, den die Pflanzen übernehmen, bzw. das Bodenleben. https://www.youtube.com/watch?v=o55RGuE ... e=emb_logo (ab min.32.)
"Building Soil Organic Matter While Your Crop Is Growing" J.Kempf (Leider auf Englisch, aber recht gut zu verstehen.)

Das ist quasi die "dunkle", also unterirdische, Seite von dem hier: https://www.orbi.or.at/o/wp-content/pio ... Dez_16.pdf
(Stufen der Pflanzengesundheit, John Kempf)

Bakterien bauen Humus ab, Pilze bauen ihn auf, kurz und sehr grob zusammen gefasst.

Pilze produzieren humifiziertes Material, das dann lange im Boden bleibt und damit die "Infrastruktur" des Bodenlebens fördert.
(Wasserhaushalt, Belüftung, pflanzenverfügbare Nährstoffe)

Die Exudate tauchen da wieder auf, die Wurzelausscheidungen,
die in jedem Stadium des Pflanzenwachstums anders sind (da drum gehen Film u. pdf insgesamt),
und es braucht auch die Glomaline, die die Sache zusammen halten und natürlich Luft und Wasser.

Aber da haben wir, in meinen Augen, den Punkt, wo es nicht mehr darum geht, tonnenweise Material zu kaufen,
dem man dann beim Schwinden zuschauen kann,
sondern um den Teil, den man fördern sollte/könnte, wenn es um einen gesunden, fruchtbaren, lebendigen Kreislauf geht.

Rati
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Re: Humus – Grundlage unseres Lebens

#73

Beitrag von Rati » Fr 21. Feb 2020, 15:26

emil17 hat geschrieben:
Fr 21. Feb 2020, 14:10
Wenn man den Humusgehalt eines Bodens bestimmen will, um daraus Klimawirksamkeit von Massnahmen zu beureilen, führt kein Weg an der Bestimmung von absoluten Gehalten pro Fläche vorbei.
sorry wenn das falsch rüberkam, aber ich habe diesen Faden nicht genommen um jetzt über Klimabeeinflussung zu diskutieren, sondern über Humusab um und aufbau.
Deshalb:
emil17 hat geschrieben:
Fr 21. Feb 2020, 14:10
Rati hat geschrieben:
Fr 21. Feb 2020, 11:29
weil du durch die Bearbeitung des Bodens (Spatentiefe =ca 20 cm) genau in der wichtigen Zone für einen verstärkten Stoffumsatz sorgst (der durchaus positiv für die Nährstoffverfügbarkeit für die Kuturpflanzen ist). Diese Umsatzsteigerung musst du natürlich durch eine größere Bereitstellung an Rohstoffen wieder ausgleichen.
Ich befürchte, hier machst du einen Denkfehler. Umsatz und Kapital sind nicht dasselbe!
Wenn der Umsatz steigt, können auch bei sehr geringen Vorräten im Boden hohe Wuchsleistungen vorliegen; etwa in tropischen Regenwäldern, wo wegen des Klimas der Boden fast nichts speichern kann, weil Humus unbeständig ist und alles sofort ausgewaschen wird. Dort sind praktisch alle Nährstoffe in den Pflanzen selbst.
hast du zwar recht wenn du schreibst Umsatz und Kapital sind nicht das gleiche, Kapital war aber auch nicht das worum es mir geht, höchstens wenn du beschreiben willst wie viel mehr Kapital du einsetzen must um einen höheren Umsatz zu befriedigen.
emil17 hat geschrieben:
Fr 21. Feb 2020, 14:10
In unseren Breiten mit ausgeprägten Jahreszeiten haben wir bei einjährigen Kulturen das Problem, dass im Frühjahr alles wachsen und im Herbst alles sich zersetzen muss, wenn der Boden nicht aushagern soll, es also den Boden als Nährstoffzwischenspeicher braucht. In Gegenden ohne Vegetationsruhe laufen Wachstum, also Nährstoffaufnahme, und Abbau, also Freisetzung, parallel zueinander, so dass nie grössere Nährstoffmengen ungenutzt im Boden darauf warten, wieder aufgenommen zu werden.
Pflanzen in unseren Breiten, auch Kulturpflanzen wachsen nicht nur im Frühjahr und Zersetzungsprozesse laufen nicht nur im Herbst ab.
Die einzige Pause (eher starke Verlangsamung), da hast du recht findet in der kalten Jahresperiode statt, aber das betrifft dann sowohl Wachstum (Nährstoffverbrauch) als auch Zersetzung (Nährstoffaufbau) Insgesamt betrachtet hält sich beides (bei gesunden Bedingungen) die Waage
Also starker Auf und Abbau in der Vegetationszeit.
Und
Schwacher Auf und Abbau in der kalten Zeit.


So nu muß ich leider aufhören.
fahre ja gleich nach Hannover zum Konzert @ unverblümt danke nochmal. :)

Grüße Rati
Was ist ist! Was nicht ist ist möglich!"
[Einstürzende Neubauten 1996]

Rati
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Re: Humus – Grundlage unseres Lebens

#74

Beitrag von Rati » So 23. Feb 2020, 10:33

Hi,

leider habe ich tatsächlich nicht die Zeit mir deine links durchzulesen, deswegen kann ich da kaum drauf eingehen, aber hier kann ich auch so einsteigen:
viktualia hat geschrieben:
Fr 21. Feb 2020, 14:37
Bakterien bauen Humus ab, Pilze bauen ihn auf, kurz und sehr grob zusammen gefasst.
Ja,ganz grob ;) Pilze und all die anderen Kleinstlebewesen sind am Zersetzungsprozess beteiligt. Die Baktis braucht es dann um die Nährstoffe im Humus wieder für Pflanzen verfügbar zu machen.
Aber die Baktis sind auch an Zersetzungsprozessen (zB Verwesung) und damit am Humusaufbau beteiligt.
viktualia hat geschrieben:
Fr 21. Feb 2020, 14:37
Aber da haben wir, in meinen Augen, den Punkt, wo es nicht mehr darum geht, tonnenweise Material zu kaufen,
dem man dann beim Schwinden zuschauen kann,
sondern um den Teil, den man fördern sollte/könnte, wenn es um einen gesunden, fruchtbaren, lebendigen Kreislauf geht.
ja, schon, aber irgendwie braucht es eine Pallette an Abstufungen von frei und natürlich bis ...sagen wir mal menschlich unterstützt/manipuliert (und damit abhängig vom mensch) wir so einen Kreislauf aufbauen können.
Was will ich damit ausdrücken? dazu noch mal zu emil:
emil17 hat geschrieben:
Fr 21. Feb 2020, 14:10
In unseren Breiten mit ausgeprägten Jahreszeiten haben wir bei einjährigen Kulturen das Problem, dass im Frühjahr alles wachsen und im Herbst alles sich zersetzen muss,...
wir brauchen Flächen auf denen unsere einjährigen Kulturen auf einem guten humusreichen Boden ertragreich und in dichtester Besiedlung wachsen können.
Diese Flächen sind automatisch vielen ungünstigen Bedingungen ausgeliefert. Starkzehrende(kultivierte Pflanzen brauchen immer mehr Nährstoffe als Wildformen) dichtwachsende Pflanzen auf Böden die nun mal auch zumindest oberflächlich bearbeitet und verdichtet werden.
Ich würde ja, als erste Schritte (für landwirtschaftliche Flächen) die Verwendung von Mist (Strohanteil) und einer Art moderner Drei Felderwirtschaft vorschlagen.
Warum?
Humusaufbau braucht ligninhaltiges Material und drei Felderwirtschaft sorgt für Ruhepausen im Boden um den Aufbau zu fördern.
Ich denke das die Herausforderungen dafür nicht im Thema Humus sondern mehr im Themenbereich Organisation, und sozial und Wirtschaftsbelange liegen, welche aber nicht hier diskutiert werden sollten.


Grüße Rati

PS: ich freu mich aber darüber das jetzt anscheinend Einigkeit darüber herrscht das oberflächliche Bodenbearbeitung (Umgraben) Humusabbau fördert (weil höhere Aktivität und damit höherer Umsatz) und das deshalb dementsprechend mehr Material in den Kreislauf eingebracht werden muss um das Gleichgewicht des Kreislaufes zu erhalten.
Was ist ist! Was nicht ist ist möglich!"
[Einstürzende Neubauten 1996]

viktualia

Re: Humus – Grundlage unseres Lebens

#75

Beitrag von viktualia » Mi 4. Mär 2020, 20:31

Ich hol das mal hier rüber, von da https://www.selbstvers.org/forum/viewto ... 4&start=50 weil ich noch was anderes dazu sagen möchte.
Rati fragte bei Manfred nach:
Und was ich jetzt nicht herauslesen konnte, meinst du das trotz höherem Umsatz der Humusgehalt im bearbeiteten Boden- auf Ackerflächen) bei geschlossener Pflanzendecke zunimmt ohne das zusätzliches Material (Mist uns so zur Humusbildung geeignetes Zeugs) angeboten werden muß?

Und ich antwortete:
Nicht trotz, sondern wegen.
Aufgrund des höheren Umsatz´entsteht ja der stabile Dauerhumus.
(Was an Ernte abgefahren wird, wäre ja erst mal "Nährhumus" (Mulch mit Baktis) gewesen/geworden).

Wobei hier sehr wichtig ist "höheren" Umsatz erst mal qualitativ und nicht nur quantitativ zu verstehen, bzw. anzubauen.
Gesunde Pflanzen bilden Dauerhumus im Boden.

Ein Teil des Angebauten ist ja auch als Nährhumus vorgesehen in diesem "System" und verbleibt auf dem Boden.
(Bzw. "arbeitet" weiter und nährt so den Boden, wenn was nur geschnitten oder gewalzt wird.)

Ich denke, dass "Ausgleich" je nach Bodenverhältnissen, bzw. Frucht, bzw. aktuellem Zustand schon noch nötig sein kann,
aber nicht nach der "üblichen Bilanzrechnung", also eins zu eins mit der geernteten Menge.
Eher "eins zu eins" zur Regenwurmmenge oder anderen Begleitfaktoren.

Soweit ich das bislang begriffen habe.
Und wie genau das mit der Humifizierung geht (Pilze!) da arbeite ich noch dran...
Wenn ich mir das Ganze so anschaue,
mit Nähr- und Dauerhumus - und Regenwürmern und Jahreszeiten, mit ein- zwei- und mehrjährigen Pflanzen,
Mineralisierung und Humifizierung - da drängt sich mir das Bild auf,
dass wir es nicht mit einem Kreislauf zu tun haben, sondern mit vielen.
vielen Vielen vielen vielen verschiedenen.

Ich werde jetzt keinesfalls von "Metaebenen" schwurbeln,
aber es sind ja offensichtlich auch verschiedene Arten von ineinander greifenden Funktionen oder Vorgängen.
Nicht nur Perlenketten, auch Zahnräder oder "Matroschkas".

Und irgendwie (das kann jetzt aber auch an meinem Unwissen und der daraus folgenden Faszination liegen),
kommt es mir so vor, als wär die Sache mit der "Humifizierung", in einem solchen Bild
wie eine Nabe in der Mitte eines Rades, was Zentrales.
Von dem dann zum Beispiel abhängt, wieviele Speichen das Rad und damit welches Ausmass es annehmen kann.
(Nein, ich erhebe nicht wirklich den Anspruch, dass das was über "Humifizierung" aussagt. Über mein Bild davon, ja.)
Halt ne ganz andere Art von "Kettenreaktion", so was in der Art.
Bin gespannnt, was ich da noch lernen kann.

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