zu den Meldungen aus der Landwirtschaft

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emil17
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Re: zu den Meldungen aus der Landwirtschaft

#11

Beitrag von emil17 » Mo 15. Apr 2019, 12:53

Der Zwang zu immer mehr Grösse, um zu überleben in einer Welt mit begrenzter Fläche, wird uns noch umbringen.
Wenn man jedes Jahr 5% wachsen muss, um nicht unterzugehen, dann verschwinden logischerweise jedes Jahr 5% der Betriebe.
Das eine (wachsen, egal wie) wird als erstrebenswert oder doch als natürlich aufgefasst, das Bauernsterben hingegen als Versagen der Gesellschaft. Dabei ist es doch das selbe.
Zudem: Wer sich alles fremdfinanzieren lässt, aus steuerlichen Gründen oder warum auch immer, und einen Tilgungshorizont von 20 bis 40 Jahren anstrebt für Kredite (Maschinen, die in der halben Zeit schon wieder unrentabel altmodisch oder klein sind?), der ist doch lebenslänglich Knecht der Bank.
(Das mit dem Steuern leuchtet mir nicht ein: Zwar kann ich Kreditkosten absetzen, muss sie aber voll der Bank bezahlen, d.h. das Geld muss so oder so erwirtschaftet werden. Da ist es doch sinnvoller, Steuern zu zahlen als eine Bank zu finanzieren. Irgendwoher haben die ja den Marmor in ihren Schalterhallen).
Wenn man sich bei seinen Erzeugnissen auch noch am Weltmarkt orientieren muss, ist man von weltwirtschaftlichen Zufälligkeiten abhängig, die mit der selbst erbrachten Leistung nicht mehr viel zu tun haben.
Da würde es mir auch stinken.
Mir scheint, entweder klein aber fein, eine Nische suchen, oder dann gross und die Menge machts. Dazwischen gibts immer weniger Platz.
Für mich ist das erste besser als das Zweite, denn es lässt Platz zum Leben. Ich will doch nicht lebenslänglich Dinge produzieren müssen auf ein Weise, die ich selber nicht gut finde.
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Re: zu den Meldungen aus der Landwirtschaft

#12

Beitrag von Rohana » Mo 15. Apr 2019, 18:49

emil17 hat geschrieben: Wenn man sich bei seinen Erzeugnissen auch noch am Weltmarkt orientieren muss, ist man von weltwirtschaftlichen Zufälligkeiten abhängig, die mit der selbst erbrachten Leistung nicht mehr viel zu tun haben.
Da würde es mir auch stinken.
:daumen:
Mir scheint, entweder klein aber fein, eine Nische suchen, oder dann gross und die Menge machts. Dazwischen gibts immer weniger Platz.
Für mich ist das erste besser als das Zweite, denn es lässt Platz zum Leben. Ich will doch nicht lebenslänglich Dinge produzieren müssen auf ein Weise, die ich selber nicht gut finde.
Leider gibt es nicht so viele Nischen wie Bauern. Was noch ein zusätzliches grosses Problem ist, ist die zunehmende Flüchtigkeit der gesetzlichen Rahmenbedingungen zusätzlich zu den gesellschaftlich "akzeptierten" Rahmenbedingungen. Wer möchte schon einen neuen Stall bauen nur um in 5 Jahren wieder umbauen zu müssen weil der Gesetzgeber das dann anders sieht? Um "auf Vorrat" alles doppelt und dreifach zu dimensionieren sind solche Projekte leider n bisschen arg teuer... abbezahlt werden soll es ja auch noch.
penelope hat geschrieben:Mir scheint es jedoch manchmal etwas kurz zu kommen, dass diese Situation einfach auch auf noch sehr viele andere selbständige Berufe - insbesondere im ländlichen Raum- zutrifft. Der Landgasthof, der Frisör im Ort und der kleine Lebensmittelladen sind auch oft genug Betriebe in dritter oder vierter Generation, die vor ähnlichen Problemen stehen: wachse oder weiche.
Grade die Bauern bekommen das mit, denn die wohnen ja auf dem Land bzw. in mittleren, kleinen und kleinsten Ortschaften, sind Stammtischgeher, Kunden oder sogar Lieferanten der Dorfläden. Egal ob Bauer oder nicht: Auch da bestimmt das Verhalten der Konsumenten bzw. Nutzer dieser Einrichtungen deren Überleben, sogar ohne Einflüsse des Weltmarkts. Erst wenn diese Infrastrukturen wirklich weg sind, wird ihnen hinterhergetrauert :nudel:
Dem Landwirt wird sein Acker aus der Hand gerissen, wenn er aufhören will und die Pacht- oder Verkaufspreise sind aktuell in sehr vielen Gegenden wirklich sehr gut. Im Vergleich zu dieser priviligierten Stellung jammern viele Landwirte doch sehr laut.
Ein Landwirt ist bloss kein Landwirt mehr wenn er sein Land verkauft hat. Klar kann man da vermutlich bessere Preise für erzielen als für einen alten Friseursalon, aber was bringt das der Situation der Aktiven? Was hat man vom Land, das erst etwas "wert" ist wenn es verkauft oder langfristig verpachtet wird, egal für welche Summen? Wäre es weniger schlimm wenn die Friseursalons und Dorfläden aussterben, wenn sich die Immobilien besser verkaufen liessen?
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Re: zu den Meldungen aus der Landwirtschaft

#13

Beitrag von penelope » Mo 15. Apr 2019, 21:16

Für den Frisör und für den Händler wäre das natürlich besser.

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Re: zu den Meldungen aus der Landwirtschaft

#14

Beitrag von Rohana » Mo 15. Apr 2019, 21:27

Für den Besitzer der Immobilie vielleicht. Für den, der eigentlich seinen Beruf ausüben möchte, ist die Aufgabe desselben doch immer mies, vor allem unter (wirtschaftlichem) Zwang...
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Re: zu den Meldungen aus der Landwirtschaft

#15

Beitrag von emil17 » Di 16. Apr 2019, 07:44

Wenn du als Gewerbler auf Laufkundschaft angewiesen bist, musst du an guter Lage mieten und arbeitest hauptäschlich für den Verpächter.
Ist die Lage gut, geht er mit der Pacht rauf, läuft es mal nicht so gut, ist es dem Pächter sein Problem.
Personalintensives Gewerbe (Detailhandel, Haarschneider, Bistro) kann die dafür nötige Wertschöpfung nicht generieren, weshalb man in teuren Innerstädten nur noch Geschäfte für unnötigen Luxus, Anwaltskanzleien, Spezialärzte und dergleichen findet. Ausnahmen sind meist dort, wo die Liegenschaft noch im Eigenbesitz ist.
Wenn aber die Mieteinnahmen gleich hoch sind wie der Ertrag des Geschäftes, fragen sich spätestens die Erben, warum sie sich das antun sollen.

Die Begünstigung der Besitzer gegenüber denen, die die Arbeit machen, ist einer der Hauptfehler des kapitalistischen Systems.
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Re: zu den Meldungen aus der Landwirtschaft

#16

Beitrag von Rohana » Di 16. Apr 2019, 07:50

emil17 hat geschrieben:Die Begünstigung der Besitzer gegenüber denen, die die Arbeit machen, ist einer der Hauptfehler des kapitalistischen Systems.
Vielleicht habe ich mich unklar ausgedrückt, ich bin davon ausgegangen dass Besitzer und "der, der die Arbeit macht" dieselbe Person ist. Wenn der Friseur gerne frisieren möchte, ist doch erstmal nicht relevant wie viel oder wenig der Ort an dem er das tut wert ist, sondern ob er seinen Laden dort einigermassen gewinnbringend betreiben kann oder nicht. Ist der Gedankengang nicht nachvollziehbar? :hmm:
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Re: zu den Meldungen aus der Landwirtschaft

#17

Beitrag von emil17 » Di 16. Apr 2019, 08:09

Doch, aber wenn du Kapitalismus begriffen hast, gilt "wer arbeitet, hat keine Zeit um Geld zu verdienen".
Rohana hat geschrieben:Wenn der Friseur gerne frisieren möchte, ist doch erstmal nicht relevant wie viel oder wenig der Ort an dem er das tut wert ist, sondern ob er seinen Laden dort einigermassen gewinnbringend betreiben kann oder nicht.
Das Zweite ist das gleiche wie das Erste, denn wer eine höhere Wertschöpfung mit seinem Gewerbe hat, kann höhere Mieten bezahlen und sich die besseren Lagen sichern, weil der bessere Geschäftsgang die höheren Fixkosten ausgleicht.
Als Besitzer suche ich die höchstmögliche Miete rauszuholen. Ob sich dort ein Frisör oder ein Anwalt einmietet ist mir egal, weil ich da ja gar nie bin, und solange die Miete pünktlich kommt, hören die nichts von mir.
Das geht auch mit dem Wohnungsmarkt so - in hochpreisigen Feriendestinationen wie St. Moritz können es sich die Leute, die die Arbeit machen (z.B. Gemeindeangestellte), nicht leisten, am Ort zu wohnen.
Es funktioniert auch so in der Landwirtschaft: Wenn du im Gemüseanbaugebiet Land pachtest, ist die Pacht dort so hoch, dass du es dir nicht leisten kannst, "nur" Getreide zu machen.
Eben weil der Grossteil des erwirtschafteten Mehrwerts von den Grundbesitzern eingestrichen wird, die dafür nichts tun als andere arbeiten zu lassen, ist das System unfair. Als Bezüger leistungsloser Einkommen fährst du zudem doppelt gut: Du musst nichts dafür tun, und es werden keine Sozialabgaben wie Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge usw. fällig.
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Re: zu den Meldungen aus der Landwirtschaft

#18

Beitrag von penelope » Di 16. Apr 2019, 08:14

Mir ging es eher darum, unterschiedliche Betriebe, die seit mehreren Generationen im Familienbesitz sind, nebeneinander zu stellen. In solchen Konstellationen gehören die Immobilien in den meisten Fällen den Familien. Und natürlich ist es traurig, wenn der Landgasthof in der vierten Gerneration dann irgendwann dicht macht, weil es sich einfach nicht mehr lohnt. Genau so ist es traurig, wenn der eher kleine Bauer niemanden mehr hat, der den Hof weiterführt und das Land dann an den eh schon größten Betrieb im Ort verpachtet wird. Nur: die Landwirte sind von diesen Berufsgruppen wirklich noch die priviligierten, da ihr Land (im Gegensatz zu den typsichen unmodernen Gewerbeimmobilien in kleineren Dörfern) noch einen tatsächlichen Wert hat. Natürlich ist das persönlich traurig, wenn ein Stück Familiengeschichte stirbt und es ist auch oft traurig für das Dorf, aber finanziell fallen viele Landwirte doch noch vergleichsweise weich.

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Re: zu den Meldungen aus der Landwirtschaft

#19

Beitrag von Rohana » Di 16. Apr 2019, 08:38

Sicher, wenn viel Land da ist, was zu guten Preisen verkauft oder verpachtet werden kann, ist das natürlich besser als "bloss" ein Landgasthof... aber das hilft der *aktiven* Landwirtschaft nicht. Ich hätt jetzt auch noch keinen nicht-mehr-Bauern jammern gehört, dass der Boden zu billig wär :aeug:
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Re: zu den Meldungen aus der Landwirtschaft

#20

Beitrag von penelope » Di 16. Apr 2019, 09:06

Es kommt nur hier und im anderen Thread sehr oft so rüber, als wären Landwirte unendlich benachteiligt gegenüber allen möglichen anderen Gewerbetreibenden. Das finde ich halt recht eindimensional und denke, dass da häufiger mal auf recht hohem Niveau "gejammert" wird.

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