derabgesandte hat geschrieben:Könnte man solche Prämien nicht ganz abschaffen oder verstehe ich einfach das System dahinter nicht? Ein Beispiel aus unserem Dorf: Auf einer riesigen extensivierten Weidefläche stehen drei Pferde des Eigentümers. Die Fläche ist verpachtet, bringt also Einnahmen, ohne dass der Pächter die Fläche nutzt. Der Pächter wiederum erhält eine Prämie, die höher ist, als die Pacht. Also Einnahmen für den Pächter.
Geht es also bei diesem Prämiensystem darum, Einnahmen zu generieren, die von Steuerzahlern finanziert werden?
Das ist eine ziemlich komplexe Fragestellung.
Die ursprüngliche Idee bei der Einführung der Ausgleichszahlungen war, bei zunehmender Öffnung der Märkte (und wir mussten unsere Märkte öffnen, weil wir selber Autos, Industriegüter etc. exportieren wollten) die heimischen Bauern gegenüber der Billigkonkurrenz (aus Regionen mit besseren klimatischen Voraussetzungen, größeren Strukturen und weniger Auflagen) konkurrenzfähig zu halten, die Geschwindigkeit des Strukturwandels in der heimischen Landwirtschaft abzumildern, und die eigene Versorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern.
Dann gingen einige Jahrzehnte ins Land, die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, die Begehrlichkeiten von verschiedensten Seiten, Besitzstandswahrung etc. haben sich breit gemacht. Und das Ergebnis ist unser heutiges System.
Das Bild ist inzwischen stark frakturiert. Teile der Landwirtschaft könnten ohne die Ausgleichszahlungen leben. Das sind vor allem intensiv produzierende Veredelungsbetriebe (Schweine- und Hähnchenmast) auf guten Ackerstandorten, dazu einige Sonderkulturbetriebe und doppelt geförderte Betriebe wie etwa Biogasanlagenbetrieber mit ihren Einahmen aus der Einspeisevergütung.
Bei diesen Betrieben ist es (abgesehen vom Eigenlandanteil) so, dass die Ausgleichszahlungen oft 1 zu 1 in die Pachtpreise fliesen.
Sprich wenn man diesen Betrieben die Ausgleichszahlungen streichen würde, würde sich außer den Pachtpreisen wenig ändern. Dort sind die Ausgleichszahlungen also in erster Linie eine Förderung der Bodeneigentümer. Natürlich müsste man auch dort die Zahlungen langsam abbauen, weil die Betriebe ja durch teils langfristige Pachtverträge gebunden sind. Einen sofortigen Wegfall würden sie finanziell nicht überstehen.
Am anderen Ende der Skala stehen extensiv wirtschaftende Betriebe wie meiner auf Grenzertragsstandorten. Die zahlen niedrige Pachtpreise, produzieren wenig und leben von den Ausgleichszahlungen, Kulturlandschaftspflege- und Naturschutzmitteln.
Von den paar Rindern die ich auf meiner Fläche extensiv erzeugen kann, könnte ich meine Unkosten nicht annähernd bezahlen. Und hätten meine Verpächter gar keine Pachteinnahmen, würden sie ihre Grundstücke lieber als Wald anpflanzen, als sie kostenlos zur Erhaltung als Grünland zur Verfügung zu stellen.
Sprich diese Form von Landwirtschaft ist ohne öffentliche Mittel nicht möglich. Bei Wegfall müssten diese Betriebe aufgeben und die Flächen würden großteils zu Wald werden oder müssten mit Geldern aus anderen Töpfen freigehalten werden.
Und dann gibt es den größten Teil der Betriebe, der sich irgendwo zwischen diesen beiden Extremen bewegt, und mehr oder weniger stark auf die Ausgleichszahlungen angewiesen ist.
Dazu kommt der Volkswirtschaftliche Effekt. Natürlich ist Deutschland daran interessiert, mögl. viel des an die EU überwiesenen Geldes ins eigene Land zurück zu holen. Und je höher die Prämien auch für Großbetriebe und Intensivbetriebe sind, desto mehr Geld kommt zurück.
Da liegt also ein großer Laib Brot auf dem Tisch und die gesamte Politik, diverse NGOs, die äußerst inhomogene Bauernschaft, die Bodeneigentümer etc. schlagen sich alle darum, wer welchen Krümel abkriegt.
Demokratie halt.
Würde man die Mittel streichen, wäre eine Folge jedenfalls klar:
Der Stukturwandel würde sich erheblich beschleunigen. Es gäbe dann bald nur noch intensive arbeitende Großbetriebe auf der einen und unwirtschaftliche Flächen die zu Wald werden auf der anderen Seite. Evtl. mit ein paar kleinen Nischenbewohnern dazwischen.
Aus meiner Sicht ist das nicht wünschenswert, weil dann Belange der Versorgungssicherheit, der Landschaftspflege (wer wohnt gerne in einer Agrarsteppe oder einer Fichtenmonokultur), des Naturschutzes (der größte Teil der Naturschutzmaßnahmen wird aus öffentlichen Landwirtschaftsmitteln bezahlt) den Bach runter gingen. Aber ich bin halt auch nur ein Rädchen im großen Spiel, dass letztlich seine eigenen Wünsche und wirtschaftlichen Interessen vertritt.
Ohne die Ausgleichsmittel müsste ich das Pachtland sofort (bzw. sobald die Verträge es erlauben) weglassen. Einen Teil meiner Eigentumsfläche würde ich wohl als SV-Hobby bewirtschaften, mit 2 oder 3 Kühen für den Eigenbedarf und für Familie und Freunde. Und den Rest würde ich anpflanzen.