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von DieterB » Fr 16. Dez 2011, 00:15
Der westliche Geist trennt sich nur schwer von seinen analytischen Gewohnheiten und kann oft die synthetischen Gedanken der Menschen in Fernost nicht nachvollziehen. Fuer Fukuoka ist es ganz natuerlich, Elemente aus dem Buddhismus, Taoismus, Christentum und anderen Glaubensrichtungen in sich zu vereinen. Seine spirituelle Heimat ist jedoch der Buddhismus. Deshalb ist auch die Inspiration fuer seine Methode des Landbaus die Doktrin vom Nicht-Sein (Sunyata) des Mahayana Buddhismus und nicht das Wu-Wei des Taoismus. Das Schluesselerlebnis - das seine Weltsicht bestimmt - ist die Erkenntnis: „es gibt nichts“ (nani mo nai). Dabei darf dies nicht mit Nihilismus verwechselt werden.
Bevor wir also im taoistischen Dunstnebel davonschweben, moechte ich daran erinnern, dass es Fukuoka um ganz konkrete Dinge geht, also z. B. die Erkenntnis, dass Ackerbau ohne Pfluegen moeglich ist – ja sogar besser ist. Hier kommen wir zu einem anderen Unterschied im westlichen und oestlichen Denken: der Orientale denkt vorzugsweise in konkreten Einzelfaellen und nicht in allgemeinen Theorien. Es ist also ein Fehler Fukuokas Gedanken in eine allgemeine Theorie des Nicht-Tuns umzudeuten.
Die Tendenz Fukuoka in taoistischen Termini zu interpretieren, hat vielleicht auch den deutschen Verleger seines ersten Buches dazu verleitet, den Titel „Der grosse Weg ...“ zu waehlen. Dieser Uebersetzung fehlt jede Entsprechung im Original. Der englische Titel „The One Straw Revolution“ ist eine ausgezeichnete und direkte Uebersetzung des Japanischen „Ichiwara no Kakumei“. Es geht Fukuoka naemlich um nichts weniger als um Kakumei oder Revolution: nach fuenf Tausend Jahren Pfluegen sollen wir umdenken und die Erde ohne Pfluegen bebauen. Das erfordert nichts geringeres als eine Revolution – eine totale Umkehr. So nennt Fukuoka auch den letzten Text, den er kurz vor seinem Tod geschrieben hat: „Iroha no Kakumei“, was buchstaeblich so viel bedeutet wie „Das Abc der Revolution“. Der zweite Band zum Thema Religion aus seiner Trilogie „Mu“ traegt den Titel „Kami no Kakumei“, also die „Revolution Gottes“. Drei von neun Buechern enthalten damit das Wort „Revolution“ im Titel. Das ist sicher kein Zufall. Dies zeigt wie eine kleine Verschiebung in der Uebersetzung zu einer Interpretation fuehren kann, die nichts mehr mit dem Original zu tun hat.
Das Wichtigste ist jedoch Fukuokas Gedanken in die Tat umzusetzen. Dann koennen wir auf die Buecher verzichten. Daran hapert es meistens.
Hier einige Zeilen aus seinem letzten Text zusammen mit meiner vorlaeufigen Uebersetzung. Der Text is eine Art Gedicht - oder Aphorismensammlung - in dem er seine Sicht des Lebens zusammengefasst hat.
いろは革命歌
Das Abc der Revolution
一番初めに 捨てりゃよい
手錠の時計 足かせお金
Zuerst, werfe alles weg,
die Handschellen der Uhr, die Fussfesseln des Geldes.
恥ずかしいのは 人間ばかりが偽物造り
悪銭身につけ 浮き名を流す
Beschaemend ist, dass nur die Menschen Faelschungen produzieren,
Betrug und schlechter Ruf.
知恵と知識は違うぞなもし
知識集めじゃ 知恵滅ぶ
Wissen ist nicht Weisheit,
wir sammeln Wissen und zerstoeren Weisheit.
理屈屁理屈 馬のわら靴
Argumente gegen Argumente,
sie werden gewechselt wie die Strohschuhe eines Pferdes.
聞く耳持たず 話しもしない 山川草木
秘め言葉天知る地知る
Berge, Fluesse, Gras und Baeume, sie haben keine Ohren und sprechen nicht,
doch ihre geheime Sprache kennt die Erde und versteht den Himmel.
見たい聞きたい知りたいが仇となり
弱れて死ねる知恵の海
Du willst sehen, hoeren und wissen – das ist dein Verderben,
der Ozean der Weisheit verebbt und stirbt.
lg. Dieter