Savorys Aussagen werden nicht von der Wissenschaft gestuetzt

Moderator: kraut_ruebe

DieterB
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Re: Savorys Aussagen werden nicht von der Wissenschaft gestu

#21

Beitrag von DieterB » So 4. Aug 2019, 10:10

emil17 hat geschrieben:es ist sehr einfach, Proben regelmässig zu nehmen und zu dokumentieren, was mit dem Humusgehalt (soil organic matter) passiert. Um das zu messen, braucht man nur einen kleinen Töpferofen, einen feuerfesten Tiegel und eine Waage.
Hallo Emil,

willst du damit sagen, dass ich den organischen Anteil im Boden selbst messen kann? Wenn ja, koenntest du den Vorgang genauer beschreiben?

Ich wohn in einer abgelegenen Gegend und kenne kein Labor in meiner Naehe, dass Bodenproben analysiert. Rein optisch ist die Erde in den von mir bewirtschafteten Flaechen wesentlich besser als auf nicht-bewirtschafteten Flaechen und Pflanzen wachsen auch besser (auch ohne Duenger), aber mir fehlen noch zuverlaessige Daten, um das zu beweisen.

lg. Dieter

Benutzer 6122 gelöscht

Re: Savorys Aussagen werden nicht von der Wissenschaft gestu

#22

Beitrag von Benutzer 6122 gelöscht » So 4. Aug 2019, 12:50

Dieter, ich lese gerade das Buch "Lebendiger Boden" von Leclerc. Da stehen mehrere Tests drin, die man mit Hausmitteln machen kann, um seinen Boden zu bestimmen. Auch sehr viel, wie man z.B. sandigen Boden oder tonigen Boden verbessern kann.

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emil17
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Re: Savorys Aussagen werden nicht von der Wissenschaft gestu

#23

Beitrag von emil17 » So 4. Aug 2019, 15:13

Hallo Dieter,
zum Bestimmen des Bodenhumusgehaltes trocknet man eine Probe von genau 100 cm3 (ein Deziliter) unverdichteten Bodens. Dazu gibt es so Metallnormzylinder mit scharfer Kante und definiertem Volumen, die man sorgfältig in den Boden sticht. Die kann jeder Mechaniker auf der Drehbank machen.
Die Proben trocknet man einige Stunden bei 100 Grad. Dann ist alles Wasser raus.
Das Gewicht der trockenen Probe ergibt die Lagerungsdichte des Bodens: Wiegen 100cm3 z.B. 120 Gramm, so wiegt 1m3 Boden 1.2 t.
Dann wiegt man einige Gramm der Probe in einen Porzellantiegel ein. Diesen lässt man einige Zeit bei etwa 500 Grad in einem belüfteten Ofen stehen.
Dabei verbrennt alles organische Material und der Gewichtsverlust ist deshalb der Anteil an organischem Material.
Höher darf man nicht heizen, weil sich sonst der anorganische Kalk im Boden zersetzen könnte.

Der C-Anteil des organischen Materials beträgt erstaunlich genau 58%, d.h. wenn man den Gewichtsverlust mit 0.58 multipliziert, erhält man das organische Boden-C und wenn man diesen Wert mit 44/12 = 3.67 multipliziert, bekommt man die CO2-Menge, die in dieser Bodenprobe gespeichert war.
Das muss man dann noch mit der Dicke der Humusschicht und der Lagerungsdichte multiplizieren, und du bekommst die CO2 Menge, die eine bestimmte Fläche dieses Bodens speichern kann.
Das ist so eine Standardmethode für das Feldpraktikum in Bodenkunde.
Sagen wir 40 cm Boden mit 1.2 t/m3 Dichte und 4.5% Humusgehalt, gibt dann 0.4 m * 1200 kg Boden/m3 * 0.045 kg Humus/kg Boden * 0.58 kg C/kg Humus * 3.67 kg CO2/kg C * 10000 m2/ha = 180 t CO2 pro ha
Solche Hochrechnungen braucht man nicht, um seinen Boden zu verbessern, aber wohl, wenn man behauptet, mit Management die Welt retten zu können.

Der Humusgehalt allein sagt natürlich noch nicht alles über die Güte eines Bodens aus, dazu möchte man noch Porenvolumen, Austauschkapazität und einige Parameter mehr wissen.
Ein weiteres Problem ist, dass die Bodeneigenschaften über kurze Entfernungen stark schwanken können. Man sollte deshalb immer mehrere Proben nehmen.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

DieterB
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Re: Savorys Aussagen werden nicht von der Wissenschaft gestu

#24

Beitrag von DieterB » Mo 5. Aug 2019, 09:59

Hallo Emil,

danke fuer die kompetente Antwort. Das ist wirklich sehr hilfreich.
emil17 hat geschrieben:Die Proben trocknet man einige Stunden bei 100 Grad. Dann ist alles Wasser raus.
Kann ich diesen Vorgang auch in einem normalen Backoven machen? Dann muss ich nur noch einen Toepferoven fuer das erhitzen auf 500 Grad finden. Vielleicht hat ja einer der Kunsthandwerker in meiner Gegend einen solchen Oven.

Gibt es Angaben zu der Tiefe, in der die Probe genommen werden muss? Wenn ich zu dicht an der Oberflaeche eine Probe nehme, kommen wahrscheinlich organische Reste in die Probe, die noch nicht zersetzt sind. Wie lange muss die Probe mindestens auf 500 Grad erhitzt werden?

lg. Dieter

Manfred

Re: Savorys Aussagen werden nicht von der Wissenschaft gestu

#25

Beitrag von Manfred » Mo 5. Aug 2019, 12:11

Wenn man bei Bodenproben landläufig von Humus spricht, ist die organische Substanz gemeint.
Also alles, was an organischen Verbindungen in der Probe enthalten ist, inkl. lebender und unzersetzer pflanzlicher- und tierischer Bestandteile.

Die Behörden in Bayern empfehlen bei Grünland 10 cm und bei Ackerland 15-20 cm Einstichtiefe bei der Probennahme.
(Die Sonde entnimmt Material über die gesamte Probentiefe hinweg.)
Es werden Mischproben aus mind. 15 bzw. 20 Einstichstellen (je nach Vorschrift nach der geprüft werden soll) je untersuchter Teilfläche genommen.

Um die tatsächliche Veränderung des Gehalts an organischer Substanz beurteilen zu können, müsste man die Proben natürlich deutlich tiefer (mind. bis max. Wurzeltiefe) anlegen.
Eine Universität mit ihren Ressourcen könnte das leisten. Wir Praktiker ziehen halt die vorgeschriebenen Proben alle 5 Jahre und lassen dabei zusätzlich die organische Substanz mit untersuchen.

Inzwischen gibt es auch erste Anbieter für CO2-Zertifikate durch Humusaufbau in D. Damit möchte ich mich demnächst befassen. Für die Zertifikate werden die Proben an per GPS eingemessenen Punkten gezogen, wodurch die Ergebnisse besser reproduzierbar sind.

Manfred

Re: Savorys Aussagen werden nicht von der Wissenschaft gestu

#26

Beitrag von Manfred » Mo 5. Aug 2019, 12:20

"Anleitung zur Bodenprobenahme gemäß Klärschlamm-, Bioabfall-, Dünge- und Cross-Compliance-Verordnung für Untersuchungen auf P, K, Mg, Spurenelemente, Schwermetalle, pH, Kalk, Humus und Bodenart (Stand April 2009)"

https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/zen ... enahme.pdf

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Re: Savorys Aussagen werden nicht von der Wissenschaft gestu

#27

Beitrag von emil17 » Mo 5. Aug 2019, 19:40

Backofen geht, am besten auf einem Kuchenblech.
Töpferofen geht nicht - es sei denn er hätte einen Rauchabzug aus der Brennkammer.
Bei 500 Grad geht zwar alles orgenaische Material in die Gasphase über, aber es findet eine teilweise Verschwelung statt (ähnlich wie in einem Holzvergaserkessel) und es bildet sich entsprechend viel Teer und es riecht auch ziemlich. Deswegen heisst das Teil auch Muffelofen.
So näherungsweise kannst du den feuerfesten Tiegel mit Deckel (!) auch in die nicht allzu lebhafte Glut eines Holzfeuers stellen.
Zeit: bis es nicht mehr raucht, dann noch eine Stunde - wenn man eine genaue Waage hat, nimmt man kleine Einwaagen zum Abmuffeln, so im Grammbereich. Wenn du eine digitale Brief- oder Münzwaage nimmst (0 - 300 Gramm Wiegebereich, +- 0.01 g Auflösung kriegste für unter 10 Euro), dann sind 0.01 Gramm Messfehler bei 1 Gramm Einwaage 1 Prozent. Da die typischen Humusgehalte im einstelligen Prozentbereich liegen, solltest du mit so einer Waage mindestens 10 Gramm einwiegen, damit der Wiegefehler in den Promillebereich der Gesamteinwaage zu liegen kommt, was dann sicher genauer als 10% vom Gesamthumus wird.
Eine Waage, die Milligramm noch sauber wiegt, ist natürlich besser. Präzisionswaagen muss man aber auf genau horizontale und erschütterungsgedämpfte Wiegetische stellen (ein Betonklotz auf einer Fussmatte tuts auch). Auf dem Küchentisch kann man so präzise nicht mehr vernünftig wiegen.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Re: Savorys Aussagen werden nicht von der Wissenschaft gestu

#28

Beitrag von emil17 » Mo 5. Aug 2019, 19:48

Manfred hat geschrieben: Um die tatsächliche Veränderung des Gehalts an organischer Substanz beurteilen zu können, müsste man die Proben natürlich deutlich tiefer (mind. bis max. Wurzeltiefe) anlegen.
Das ist ein grosses Problem! Ohne genaue Kenntnis der Abhängigkeit des Humusgehaltes von der Profiltiefe bis unterhalb der Bewurzelungstiefe, das ist in der Regel deutlich mehr als ein Meter, kann man den Bodenkohlenstoff nicht auf die Fläche hochrechnen. Und wenn es dir gelingt, deine Böden mit geeigneter Bewirtschaftung tiefgründiger zu machen, würde das keiner merken.
Manfred hat geschrieben:Eine Universität mit ihren Ressourcen könnte das leisten.
Deshalb jagt man alle angehenden Bodenkundler, Geographen und Feldbiologen erstmal als Messknechte in der Gegend herum. Die graben dann Profile - etwas ähnliches wie Mannlöcher beim Bund. Der Feind ist dann manchmal der Landbesitzer, den man vielleicht doch hätte vorher fragen sollen ...
So schlecht ist das Graben nicht, denn wenn man mal selber ein paar Löcher von Hand auf 1.50 Tiefe gegraben hat, vergisst man nicht so schnell, was der Unterschied zwischen Sand und Lehm ist und wie zäh Baumwurzeln sein können und wie viele es davon gibt.
Besonders lustig wird es, wenns schifft - dann läuft, wenn man Pech hat, das Loch voll Wasser und das Wasser beim Rauswerfen des Aushubs dem Schaufelstiel nach in die Ärmel.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

viktualia

Re: Savorys Aussagen werden nicht von der Wissenschaft gestu

#29

Beitrag von viktualia » Di 6. Aug 2019, 07:32

Töpferofen geht nicht - es sei denn er hätte einen Rauchabzug aus der Brennkammer.
Umgekehrt ist richtig: kein Töpferofen funktioniert ohne Rauchabzug.
(Wo sollen denn die Gase sonst hin? Da wird doch auch glasiert drin...)

Du brauchst einen, bei dem du die Temperatur so niedrig einstellen kannst, weil die meisten Programme als niedrigsten Wert um die 900 Grad haben. (Schrühbrand = 950 Grad.)
Kann man normalwerweise programmieren/einstellen, in welcher Zeit der wie hoch geht und wie lange er die Temperatur hält, bis er höher/niedriger geht. Aber die "Standartprogramme" kann man für so was halt nicht nutzen.

Fred
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Re: Savorys Aussagen werden nicht von der Wissenschaft gestu

#30

Beitrag von Fred » Di 6. Aug 2019, 16:32

DieterB hat geschrieben: Natuerlich kann die Wissenschaft uns keine absoluten Wahrheiten liefern und wissenschaftliche Erkenntnisse aendern sich, aber einfach zu behaupten, dass die Wissenschaft falsch ist, weil sie seine Methoden nicht validiert ohne irgendwelche Beweise zu liefern ist ein Zeichen von Unvernunft.
Nein. Wenn die Praxis die Theorie widerlegt, ist es einfach ein Zeichen, daß die Wissenschaft noch den ein oder anderen Effekt übersehen hat.
Gibt unendliche Beispiele in der Wissenschaftsgeschichte dafür (z.B. Ignaz Semmelweis) ist eher das normale als etwas besonderes.
Und solange die Wissenschaft mit Physik noch solch elementare Probleme wie mit Quanteneffekten hat, von plausiblen Erklärungen für das Leben an sich, darf man auf die Argumentation: "Was die Wissenschaft nicht versteht darf es nicht geben" nichts geben. .... Es sei denn, man will damit Produkte von der Konkurenz vom Markt halten, und argumentiert mit den Studien, die man selbst hat erstellen lassen, dann ist das natürlich ganz wichtig. (Man hätte sich das Geld für die Studien dann ja auch sparen können).

PS: Christian Kreiß: "Gekaufte Forschung", Europa Verlag ISBN 978-3-944305-72-1

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