Ganzheitliches Management - Diskussion

Moderator: kraut_ruebe

Benutzer 72 gelöscht

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#81

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Di 9. Feb 2016, 14:34

kraut_ruebe hat geschrieben:zu nass kenn ich persönlich nicht,
ich kenne das dafür sehr gut und ja, der Boden kann sehr stark verdichten, wenn man ihn im nassen Zustand zuviel betritt.

@Manfred: ich habe zur Zeit keine privaten Probleme, aber meine Stimmungslage sinkt sofort, wenn ich lesen muss, dass Wälder nicht gegen die Wüstenbildung helfen können, sondern nur holystisch gemanagte Weiden. (Savory sagt in seinen Videos doch etwas von "the only way")

schön, dass du da flexibler bist! :daumen:

Meine Frage über den Fortgang der Wüstenbekämpfung in China staht aber noch! Ich habe leider keine aktuellen Infos gefunden....

Manfred

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#82

Beitrag von Manfred » Di 9. Feb 2016, 15:07

Ich muss mich wohl ausführlicher ausdrücken.
Es geht nicht darum, wer hier seine Stimmungsschwankungen besser im Griff hat.
Es geht darum, ob die Stimmungen ursächlich im Forum sind, oder ob sie von außen hereingetragen werden.
Und weitergehend um die Frage, ob und was das Forum dazu beitragen könnte, dass die Stimmung besser wird.

Was die Wüsten in China angeht. Es gibt ja einige Lichtblicke, z.B. das Lössplateau-Projekt. Aber mit extrem kosten- und personalaufwändigen Permakultur-Methoden, die eine schnelle großflächige Umsetzung unmöglich machen.
Die eh schon vorhandenen Weidetiere und die landflüchtigen ehemaligen Nomaden sinnvoll einzusetzen, würde zu viel geringen Kosten oder sogar sich selbst tragend auf viel größerer Fläche schneller Wirkung bringen.
Nach meinem letzten Stand bemüht sich das Savory Institut sehr darum, auch in China entsprechende Pilotprojekte starten zu dürfen, etwas konkretes ist mir aber bisher nicht bekannt.

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emil17
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Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#83

Beitrag von emil17 » Mi 10. Feb 2016, 22:40

Ich hab das Paper von Savory "restoring the climate" mal gelesen.
Eine tolle Sache! Vor allem eine positive Zukunftsvision.
Kurz zusammengefasst (so wie ich das verstehe) er nutzt Weidetiere als Mulchmaschinen, die davon auch noch leben und Ertrag abwerfen.

Mit scheint, in der Diskussion hier im Forum sind folgende Missverständnisse aufgetreten:
- Wenn nur Kohlenstoffbindung in Böden das Ziel ist, wäre Aufforstung, wo das Klima es zulässt, die bessere Wahl, weil Wälder in Biomasse und Böden mehr Kohlenstoff speichern als Grasländer und das ganz ohne Arbeit.
Das Bestechende an Savoys Idee ist aber, dass die Bodenregeneration mit gleichzeitiger wirtschaftlicher Nutzung vereinbar ist. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für die praktische Durchsetzbarkeit.

Es braucht prinzipiell grosse Herden und grosse Flächen, damit die Weide oft genug gewechselt werden kann.
Seine Anforderung an die Beweidung, nämlich
The plants that are eaten are carefully observed for signs of overgrazing.
That is, land managers focus on adjusting the amount of time in any given paddock based on continuous observation and plan modification.
- also dauernde Kontrolle der Pflanzen und Änderung des Beweidungsregimes -
scheinen es mir aber auszuschliessen, Ferndiagnosen für bestimmte Weidetypen zu machen. Hier muss der Landwirt, so wie immer schon, selber beobachten - und dazu gehört, dass er die Pflanzen und die Böden kennt, die er hat.
Im Fall von Dieter dürfte man das Vieh nur auf die Wiese lassen, wenn der Boden so trocken ist, dass die Trittschäden nicht zu schlimm werden. Eine Probefläche würde sich lohnen.

Offene Fragen für die Bewirtschaftung:
In Gebieten mit saisonal kurzem Futterangebot und langer warmer Trockenzeit - wie bringt man dort das Vieh über die weidefreie Zeit? Wie verhindert man nach einem trockenen Jahr, dass die zu grossen Viehbestände dann das Land ruinieren, weil sie ja irgendwo grasen müssen?

Seine Methode funktioniert nicht bei Überbevölkerung, wo immer mehr Leute sich den maximalen Viehbestand teilen müssen, den das Land ernähren kann. Es kommt dann zu immer mehr immer kleineren Herden und dann zur Überbeweidung (zu früh, zu stark, zu oft), bis das Land ganz ertragslos geworden ist. War auch in Mitteleuropa so, wo die Ziegen und Einzelkühe der Häusler und Taglöhner die Wälder ruiniert haben, falls diese Allmende waren.
In Klimazonen mit Wald als Endstadium ungestörter Vegeation dürfe es nicht ausreichen, nur mit Vieh das Grasland dauernd offen zu halten.
Ich kann nicht nachvollziehen, warum Brache ohne Beweidung in Trockengebieten zur Wüstenbildung führen soll, ausser durch folgende Effekte:
a) Steppenfeuer, welches die Streu und das überständige dürre Gras vernichtet und dabei auch die Pflanzen selber schädigt oder gar den Oberflächenhumus mit verbrennt
b) Bei Brache kommt es zur Änderung der Artenzusammensetzung. Brachegräser haben oft gar keinen Futterwert und eine solche Fläche kann schlecht regenerieren, weil die Gräser fehlen, die an das Weideregime angepasst sind.
c) In den trockenheitsbedingten Grasländern ist Verjüngung oder Wiederherstellung der Grasnarbe sehr erschwert, wenn sie einmal zerstört und der Boden nackt ist.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Manfred

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#84

Beitrag von Manfred » Mi 10. Feb 2016, 23:11

@Emil:
In sprödem Klima (Je ungleichmäßiger die Niederschlagsverteilung und je weniger Niederschlag, desto spröder) gelten andere Regeln als bei uns. Das ist ja gerade das essentielle an Savorys Arbeit. Wie man in unseren Klima Weideland gut bewirtschaften kann, hatte Voisin schon in den 1960er Jahren sehr gut ausgeführt. Die Neuseeländer und Brasilianer haben Voisins Arbeiten früh aufgenommen und teilweise sehr effektive Weidesysteme für feuchteres Klima entwickelt.

Savory hat dann entdeckt, dass und warum Stilllegung in sprödem Klima nicht funktioniert, bei seiner eigenen Arbeit in Nationalparks in Afrika. Als Beispiele führt er auch gerne die Nationalparks im Süden der USA an, weil es dort seit Jahrzehnten, noch auch Dustbowl-Zeiten, Versuchsflächen zur Stillegung gibt. Die Stilllegung hat nur einen kurzzeitigen Effekt gebracht, solange die schon vorhandenen Gräser ungestört wachsen konnten. Danach sind diese Flächen noch schneller zur Wüste geworden als das falsch bewirtschaftete Weideland außenherum, weil mangels der Weidetiere keine jungen Graspflanzen mehr nachgekommen sind. Diese Zäune stehen teilweise heute noch in der Wüste und Allan zeigt immer wieder mal Bilder davon.
Das Gras- und Buschland in Gebieten mit sprödem Klima, und das sind ca. 2/3 der Weltagrarfläche, geht bei Silllegung kaputt. Allan bezeichnet Silllegung deshalb als das destruktivste Werkzeug des Menschen überhaupt, bei Anwendung in Regionen mit spröden Klima.
Wald funktioniert dort auch nicht ohne Grasfresser (wenn den überhaupt genug Wasser für Bäume vorhanden ist, das ist oft nur Stellenweise, in Grundwasserreichweite, der Fall), weil keine Jungen Bäume nachwachsen und spätestens wenn die alten Bäume absterben die Bodenbedeckung verloren geht und damit die Niederschläge uneffektiv werden, sprich nicht mehr gespeichert werden.
In Regionen mit solchem Klima erfüllen die großen Grasfresser mehrere essentielle: Sie brechen die verkrustende Bodenoberfläche auf und ermöglichen so das Keimen der Pflanzen und das schnellere Eindringen des Niederschlags. Sie bereiten in ihren Mägen die Pflanzenmasse auf und schließen so die Nährstoffkreisläufe und sorgen dafür, dass genug Licht an die Wachstumsknoten der Pflanzen kommt (die durch die Evolution auf diese Zusammenarbeit mit den Tieren optimiert sind). Und sie trampeln einen Teil der Pflanzenmasse auf den Boden, als Mulch, der wiederum den Wasserhaushalt verbessert und dem Schutz und der Ernährung der Bodenlebewesen in der obersten Bodenschicht dient.
Nimmt man die Pflanzenfresser raus oder zerstört ihre natürlichen Verhaltensweisen wie den Herdenzug und die dichte Packung der Herden durch Prädatoren, dann zerstört man das dort sehr empfindliche natürliche Gleichgewicht und das Land wird zur Wüste.
Mit Weidetieren lässt sich der natürliche Kreislauf zumindest in groben Zügen simulieren und so kann man die Wüste wieder in Fruchtbares Land verwandeln, dass dann auch all die dafür typischen Tiere und Pflanzen wieder anzieht (soweit noch nicht ausgerottet) und so die Kreisläufe weiter verbessert.

Man muss sich einfach von dem Gedanken verabschieden, dass in richtig sprödem Klima Stilllegung funktioniert. Sie tut es nicht.
Und wo sie funktioniert, wie hier bei uns, können wir sie uns nicht großflächig und für lange Zeiträume leisten, weil wir auf die Nutzung der Flächen angewiesen sind.
Das Gute ist aber, dass die Grundsätze des HM auch in unserem Klima funktionieren und wir damit unsere Flächen besser, sprich wiederherstellend, bewirtschaften können.

Natürlich sind die Übergänge fließend. Aber jeder im Graubereich zum spröden Klima Land bewirtschaftet und mit dem Mittel Stilllegung arbeiten will, sollte ein gutes Monitoring betreiben und im Zweifel frühzeitig gegensteuern, wenn er negative Auswirkungen beobachtet.

Dass die Stilllegung nicht funktioniert hat, war ja gerade der Auslöser für Savorys ganze Arbeit. Er hat selbst noch nach dem damaligen Stand der Wissenschaft in Afrika über 40.000 Elefanten abschießen lassen, bzw. den wissenschaftlichen Beweis geliefert, dass das zum Schutz des Landes nötig sei, wegen der Überweidung.
Die Elefanten (und viele andere Tiere) würden erschossen. So wie heute in China die Kamele verschwinden. Und es wurde nicht besser, sondern noch schlechter. Und er hat das gesehen und angefangen zu suchen und alles Zusammengetragen was an Wissen in dem Bereich auffindbar war und es zu einem Ganzen zusammengefügt, auf dem wir heute aufbauen können.

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Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#85

Beitrag von Tika » Do 11. Feb 2016, 18:59

Ich habe erst damit begonnen, mich in das Thema einzulesen, aber das scheint mir schon zu stimmen:
emil17 hat geschrieben:Seine Methode funktioniert nicht bei Überbevölkerung, wo immer mehr Leute sich den maximalen Viehbestand teilen müssen, den das Land ernähren kann. Es kommt dann zu immer mehr immer kleineren Herden und dann zur Überbeweidung (zu früh, zu stark, zu oft), bis das Land ganz ertragslos geworden ist. War auch in Mitteleuropa so, wo die Ziegen und Einzelkühe der Häusler und Taglöhner die Wälder ruiniert haben, falls diese Allmende waren.
Wenn ich das richtig verstehe, sind große Viehbestände und riesige Landflächen die Grundvorraussetzung für das Prinzip. Aufgeteilt in viele kleine Einzelflächen, auf denen Kleinbauern jeweils eine Kuh zur Selbstversorgung halten, funktioniert das alles ja wieder nicht.
emil17 hat geschrieben:Das Bestechende an Savoys Idee ist aber, dass die Bodenregeneration mit gleichzeitiger wirtschaftlicher Nutzung vereinbar ist. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für die praktische Durchsetzbarkeit.
Und jetzt frage ich mich: wem gehören die riesigen Flächen und die großen Viehherden? Wer profitiert von der wirtschaftlichen Nutzung? Praktisch kann Nahrung produziert werden, was auf Brachflächen vorher nicht möglich war, und das ist toll. Aber für wen? Wie profitiert die einheimische Landbevölkerung davon? Kann diese sich die produzierte tierische Nahrung überhaupt leisten?
Lebe das Leben, das Du liebst und liebe das Leben, das Du lebst.

Manfred

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#86

Beitrag von Manfred » Do 11. Feb 2016, 19:21

Bei den Projekten in Afrika wird das idR so gemacht, dass das gesamte Vieh der Gegend in eine Herde gepackt wird.
Kostet etwas Überzeugungsarbeit, aber die Leute merken schnell, dass so jeder einzelne viel weniger Arbeit hat.
Theoretisch könnte man auch eine einzelne Kuh alle paar Stunden umpflocken, aber der Aufwand 100 oder 200 Kühe einzeln zu hüten ist natürlich viel größer, als alle samt Ziegen und Schafen in eine Herde zu packen.
Und in aller Regel ist nicht zu viel Vieh, sondern zu wenig Vieh vorhanden. Der Viehbestand lässt sich idR durch den steigenden Grasertrag innerhalb weniger Jahre verdoppeln bis vervierfachen, wodurch dann auch das Einkommen der beteiligten Bauern steigt.
In den letzten Jahren wurde auch zunehmend das Ackerland integriert. Wegen der Großraubtiere werden in den Projekten in Afrika die Tiere nachts oft in einen mobilen Koral aus Segeltuch gesperrt. Macht man das auf den Ackerflächen, wird durch den Dung- und Urinanfall und durch das Aufbrechen des Oberbodens der Acker deutlich verbessert. In einem der Videos oben sieht man Bilder zweier Maisäcker. Der eine wurde kurz als Koral genutzt.
Und in vielen anderen Weideländern gibt es eh eine sehr großflächige Betriebsstruktur. Man denke an die Ranches in Australien und den Amerikas. Davon sind mache größer als kleine Länder in Europa.
Und auf kleinen Flächen, wie bei mir, ist der Herd-Effekt durch die wenigen Tiere natürlich nicht so ausgeprägt und wirksam wie bei richtig großen Herden, aber der Effekt ist trotzdem beachtlich. Im Prinzip ist die Sache beliebig skalierbar.
In unseren Klima sind auch die Möglichkeiten viel größer, Weide, Acker und andere Kulturen wie Obstbau oder Holzerzeugung zu kombinieren. Siehe die Berichte über Mark Shepard, Gabe Brown etc. Das Problem sind bei uns eher die bürokratischen Hemmschwellen als die landwirtschaftlichen Möglichkeiten.

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Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#87

Beitrag von Thomas/V. » Do 11. Feb 2016, 19:38

dass das gesamte Vieh der Gegend in eine Herde gepackt wird.
war das früher hier nicht auch so (Mittelalter-Allmendeweide)? oder überhaupt seit Beginn der Tierhaltung?
Lassen sie mich durch, mein Bruder ist Arzt!

Manfred

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#88

Beitrag von Manfred » Do 11. Feb 2016, 19:38

@Tika: Hier ein Beispiel aus Afrika, mit Integration des Ackerbaus:
https://www.youtube.com/watch?v=WAN_pD7c6h8

Manfred

Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#89

Beitrag von Manfred » Do 11. Feb 2016, 20:21

@Thomas: Das gab es sicher immer wieder in mehr oder weniger großem Umfang. Aber die Tiere eines Dorfes als eine Herde zu hüten ist nur ein Faktor von vielen. Und das Timing hatten und haben selbst die alten Hirtenvölker nicht verstanden, wie man z.B. in der Mongolei und in Teilen Afrikas sehen kann.

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Re: Ganzheitliches Management - Diskussion

#90

Beitrag von Thomas/V. » Do 11. Feb 2016, 20:40

Und das Timing hatten und haben selbst die alten Hirtenvölker nicht verstanden,
Naja, mir erscheint die Sache auch recht kompliziert und vielschichtig.
Außerdem spielen ja auch noch andere Dinge mit rein, wie z.B. gesellschaftliche Zustände ect., die womöglich (bzw. m.M. nach ziemlich sicher), alles noch viel komplizierter machen können.
Lassen sie mich durch, mein Bruder ist Arzt!

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