Allan Savory Blog - auf Deutsch

Moderator: kraut_ruebe

Benutzeravatar
Rohana
Förderer 2018
Förderer 2018
Beiträge: 5362
Registriert: Mo 3. Feb 2014, 21:31
Familienstand: verheiratet
Wohnort: Oberpfalz

Re: Allan Savory Blog - auf Deutsch

#181

Beitrag von Rohana » Mo 18. Apr 2016, 07:13

Mein grösstest Problem mit dieser ganzen Savory-Geschichte ist relativ wenig praktische Umsetzbarkeit für mich. Das ganze yada yada lässt sich ja anscheinend auf "Ursachen bekämpfen" und "langfristig denken" herunterbrechen. Nur fehlt mir kurzfristig der finanzielle Rahmen, um x Jahre Ertagsausfälle oder -einbußen hinzunehmen, wie es bei einem Komplettumbau nötig wäre. Auch Teilflächenversuche sind aus meiner derzeitigen Sicht mit so viel Arbeitsaufwand verbunden, dass ich echt nicht weiss ob sich das lohnen kann. Wir sind - eigentlich - bei einem recht gut funktionierenden System, da fällt es wesentlich schwerer etwas zu ändern, als wenn man von 0 anfängt!

Aber mal abwarten, vielleicht sage ich in ein oder zwei Jahren was anderes. Die Verbots- und Auflagenflut der kommenden Jahre spielt da ja auch eine Rolle. :kaffee:
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

Manfred

Re: Allan Savory Blog - auf Deutsch

#182

Beitrag von Manfred » Mo 18. Apr 2016, 08:51

Hm. Nein. So ganz hast du es dann wohl noch nicht versanden.
Als erstes schreibt man seinen ganzheitlichen Kontext auf. Also den Zustand, wie man sich sein Leben in einer fernen Zukunft idealerweise vorstellen könnte. Anfangs reicht dafür auch ein grober Entwurf. Es geht mehr darum, eine Richtung festzulegen als irgendwelche Details auszuarbeiten.
Das kannst du heute noch tun. z.B. als Vorlage den in Beitrag 5 aufgeführten allgemeinen Kontext verwenden und für dich modifizieren.
Und dann kannst du auch heute noch damit anfangen, deine Alltags-Entscheidungen an diesem Kontext zu messen.
Große, kostenintensive Entscheidungen wollen natürlich sehr gut überlegt und geplant sein. Da wird man in der Regel erst mal damit anfangen, mehr darüber zu lernen und sich, wenn vorhanden, Praxisbeispiele anzusehen. Und man behält bei all den kleinen Entscheidungen im Auge, wo es hingehen soll und dass evtl. größere Investitionen anstehen.

Aber man hinterfragt auch die Gründe für die Ziele.

Wenn z.B. der Wunsch ist, einen größeren, wirtschaftlichen Milchviehbetrieb zu haben, dann sollte man sich bewusst machen, wieso man das will. Und wenn man sich das klar gemacht hat, kann man auch abklären, ob diese zugrundeliegenden Wünsche/Bedürfnisse etc. nicht auf anderem Weg effektiver zu erfüllen sind.

Allan führt in seinem Buch ein Beispiel von einem jungen Paar an, das unbedingt eine große Jagdranch in Afrika kaufen wollte. Sie haben darin ihr gemeinsames großes Lebensziel gesehen.
Als er ihre Gründe hinterfragt hat, haben sie lange darüber nachgedacht. Die Antwort war (wenn ich es richtig erinnere), dass sie gerne viel Zeit draußen in der Wildnis verbringen und die Tiere beobachten und Biotoppflege betreiben und gerne mit den Jagdkunden arbeiten und Zeit verbringen.
Als sie dann im weiteren Prozess verstanden haben, dass sie als hochverschuldete Eigentümer einer neu gekauften Jagdfarm den Großteil ihrer Zeit im Büro und mit Vermarktungstätigkeiten auf irgendwelchen Messen, im Internet etc. etc. verbringen müssten, sich ständig Sorgen machen müssten, ob und wie sie genug Geld ranschaffen und das sie selbst fast gar keine Zeit mehr haben würden um draußen in der Wildnis bei den Tieren zu sein, da haben sie sich entschieden lieber nach Jobs als Angestellte auf einer solchen großen Jagdfarm zu suchen. Und sie haben eine gefunden, die sehr gut zu ihren Vorstellungen passt und wo sie bis heute glücklich leben und arbeiten.
Dieser Verständnisprozess, herauszufinden was und wieso man wirklich will, ist ganz wichtiger Bestandteil des HM.
Vor großen Investitionsentscheidungen gehört dazu auch sich Gedanken zu machen, wie man psychisch mit der großen Schuldenlast zurecht kommen würde, wenn es nicht so gut läuft wie erhofft, also konsequent die eigene Lebensqualität im Auge zu behalten.

Benutzeravatar
Rohana
Förderer 2018
Förderer 2018
Beiträge: 5362
Registriert: Mo 3. Feb 2014, 21:31
Familienstand: verheiratet
Wohnort: Oberpfalz

Re: Allan Savory Blog - auf Deutsch

#183

Beitrag von Rohana » Mo 18. Apr 2016, 15:46

"versanden" ist n gutes Wort. Vielleicht geht der Kern einfach in den langen Geschichten unter. :rot: Ich guck nochmal... danke dir für Erklärungsversuche! :bieni:
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

henmen
Beiträge: 240
Registriert: Do 17. Mär 2016, 15:28
Familienstand: glücklich verheiratet

Re: Allan Savory Blog - auf Deutsch

#184

Beitrag von henmen » Di 19. Apr 2016, 19:16

Ich glaube das grundsätzliche Problem der Vermittlung ist, dass HM zu häufig nur an Allan Savory, Wüstenbildung und oder Herdenmanagement festgemacht wird. In Wirklichkeit verbindet ein holistischer Entscheidungsfindugsprozess, neben einer wertebasierten Zielsetzung, die Nutzung von geigneten Werkeugen, die finanzielle Planung, Landschaftsplanung, biologische Planung und die Kontrolle der Ergebnisse, wenn es denn um eine landwirtschaftliche Fragestellung geht. Alle Aspekte werden immer und bei jeder Fragestellung als Einheit gesehen und auch so gemanagt. Diese Vorgehensweise erlauben gleichzeitig eine höhere Lebensqualität, finanzielle Stabilität, eine konsequente wirtschaftliche Profitabilität und das Vertrauen darin das Deine Entscheidungen nicht nur gut für Dich persönlich und die Umwelt, sondern auch gut für die Gemeinschaft, sind. HM ist ein bewährtes Mittel um Entscheidungen zu treffen, weil sie die Funktionen der Natur aufgreift und wiederspiegelt und auf diese Weise sicherstellt, dass wir als Lebensgemeinschaft insgesamt wieder gemeinsam mit statt gegen die Natur leben können. Also eigentlich ganz einfach, nur schwierig zu erklären. :)
... auch so kann Landwirtschaft sein: http://www.polyfaces.com/trailer-deutsch/

Benutzer 72 gelöscht

Re: Allan Savory Blog - auf Deutsch

#185

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Di 19. Apr 2016, 19:26

Genau - etwas, wo jeder einverstanden ist (was könnte man da dagegen haben?), wo aber niemand ganz versteht, wie das funktionieren soll.

So auf die Art "ich will das Gute"
hm
:flag:

Was unterscheidet HM von (echtem) Umweltschutz, Nachhaltigkeit (bevor das Wort abgegriffen war) bzw. Permakultur?

Denk an die Generationen, die nach dir kommen!

so einfach ist das eigentlich - oder nicht??

henmen
Beiträge: 240
Registriert: Do 17. Mär 2016, 15:28
Familienstand: glücklich verheiratet

Re: Allan Savory Blog - auf Deutsch

#186

Beitrag von henmen » Di 19. Apr 2016, 19:43

Für mich sind die Lampen in meinem Hirn erst wirklich angegangen, als ich Joel Salatins Buch You can Farm gelesen habe und so ganz einfach und für mich logisch nachvollziehbar die praktische Umsetzung erstmals kennen lernen durfte. Seit dem sind ein paar Jahre vergangen und es macht inzwischen wirklich Spaß Projekte ganzheitlich anzugehen.
... auch so kann Landwirtschaft sein: http://www.polyfaces.com/trailer-deutsch/

Manfred

Re: Allan Savory Blog - auf Deutsch

#187

Beitrag von Manfred » Di 19. Apr 2016, 22:24

Beitrag 7

Quelle: http://savory.global/allanUncensored/wh ... stock-mean

Bild

Was bedeutet „richtig gemanagte Nutztiere?

17. April 2016

In meinem 6. Beitrag habe ich diskutiert, wieso richtig gemanagte Nutztiere essentiell für den Erhalt unserer Zivilisation, wie wir sie kennen, sind. Jetzt lasst uns diskutieren, was richtig gemangte Nutztiere bedeutet. Denn nur wenn wir sie richtig managen, werden wir in der Lage sein, die mit der Wüstenausbreitung und dem Klimawandel verbundene Komplexität anzugehen.

Lasst mich zunächst klarstellen, was richtiges Management ist.

Industrielle Tierfabriken

Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass Landwirtschaft auf der Biologie basieren sollte. Die Mainstream-Landwirtschaft basiert aber auf Chemie und Technologie, angetrieben durch Universitäten, Firmen, bedeutende gemeinnützige Stiftungen, Regierungen und internationale Organisationen – die Folge reduktionistischen Managements und reduktionistischer Richtlinien.

Bild

Buchstäblich Millionen von Rindern, Schweinen und Geflügel werden in industriellen Tierhaltungsanlagen gemanagt. Z.B. Sauen in kleinen Käfigen, die den Müttern kaum Platz lassen, sich zu bewegen. Das ist kein richtiges Management von Nutztieren. Der Verband besorgter Wissenschaftler (Union of Concerned Scientists) hat diese Praktiken kritisiert. Veganer und Vegetarier die ihre Empörung äußern, tun dies meines Erachtens zurecht – solche Praktiken sind nicht nur inhuman gegenüber den Tieren, Tiere auf solche Weise zu behandeln erniedrigt auch die Menschen. Abgesehen davon, dass sie inhuman und erniedrigend sind, schädigen Tierfabriken auch die Umwelt, die Wirtschaft und die menschliche Gesundheit. In jeder Nation, die sich als zivilisiert bezeichnet, sollte eine solche Behandlung der Tiere verboten sein. Leider haben die Tierfabriken dazu geführt, dass viele in der Gesellschaft die Nutztiere verunglimpfen statt zu verstehen, dass die Tiere unschuldig sind und reduktionistisches Management und reduktionistische Richtlinien das Problem sind.

Richtiges Management von Nutztieren fängt damit an, die Tiere auf der Fläche zu managen, auf eine Weise, die gut für den Boden und alles Leben ist – dass die Tiere gut behandelt werden, bis ihr Leben auf möglichst humane Weise enden. Einfach so, wie auch ihr und ich behandelt werden möchten.

Tiere auf der Fläche managen

Hier muss ich unterscheiden zwischen dem Management der Tiere in ganzjährig eher feuchten Lebensräumen (ca. 1/3 der Landmasse der Erde) und dem Management auf den viel großflächigeren Lebensräumen der Erde, die nur saisonal feucht und dann trocken sind. Erstere sind nicht-spröde Lebensräume, in denen abgestorbene Blätter und Stängel sich in eurer Hand weich zusammenknüllen lassen. Letztere sind spröde Lebensräume, wo abgestorbene Blätter und Stängel so spröde sind, dass sie in eurer Hand in kleine Stückchen zerbröseln.

Feuchte, nicht-spröde Lebensräume

Erinnert euch, dass die Landschaft um London das ganze Jahr über grün ist, während die um Johannesburg trotz der höheren Jahresniederschläge den größten Teil des Jahres trocken, staubig und braun ist, weil diese Städte in völlig unterschiedlichen Lebensräumen liegen. In den eher feuchten Lebensräumen, z.B. an den Ost- und Nordwestküsten Amerikas oder großen Teilen Europas, spielen die Nutztiere eine essentielle Rolle für die Regeneration und Gesundheit des Bodenlebens und damit für die Dekarbonisierung der Atmosphäre, aber nicht für die Bekämpfung der Wüstenausbreitung. In solchen feuchten Lebensräumen – erinnert euch an meine vorherigen Beiträge – führen Überweidung oder Stilllegung (ganz oder teilweise) der Pflanzen, egal in welchem Umfang, nicht zur Wüstenbildung.

Hier muss ich kurz abschweifen um die Verwirrung über die vielen unterschiedlichen Empfehlungen zu Beweidungs-Methoden zu diskutieren.

Der Grund für die allgemeine Verwirrung bezüglich des Weide-Managements

In seinem wegweisenden Buch „Diffusion of Innovations“ (die Ausbreitung von Innovationen) beschreibt Everett Rogers, wie sich Neuerungen in der Gesellschaft ausbreiten. Weil wir Menschen mit Egos sind, machen wir folgendes: Wenn wir etwas Neues lernen, geben wir diesen Neuen einen neuen Namen und verdrehen es, damit es so ausschaut, als wäre es unsere eigene Idee. Und so verteilen sich neue Ideen auf eine etwas chaotische aber letztendlich doch effektive Weise.
Sowohl auf der Basis von Voisins Arbeit als auch auf der Basis meiner Arbeit haben Leute allerlei eigene, neue „Beweidungssysteme“ entwickelt. Beispiele dafür sind Mob Grazing, Short Duration Grazing, Mangement Intensive Grazing, High Density Grazing, Cell Grazing und Adaptive Multi-Paddock Grazing. Tragischer Weise ging durch die neuen Namen und das Verdrehen der Arbeit anderer der simple Grund für den Erfolg verloren. So als würde ich euren Witz als meinen weiter erzählen, aber die Pointe weglassen! Die weggelassene Pointe war natürlich der Entscheidungsfindungs- und Planungsprozess.

Was die Leute in der Wirtschaft leicht verstehen, ist aus irgendeinem Grund schwierig für die meisten Rancher und Grünland-Wissenschaftler. Die Geschäftsleute verstehen, dass ein vorgegebenes Management-System ihnen da gute Dienste leistet, wo die Vorgänge vorhersehbar sind. Z.B. die Verwendung eines gängigen Buchhaltungs- oder Warenmanagement-Systems. Aber es würde ihnen nicht im Traum einfallen, ihr gesamtes Geschäft und all seine Unwägbarkeiten nach irgendeinem vorgegebenen „Geschäfts-System“ zu managen.

Die Verwirrung unter den Farmern, Ranchern und Grünland-Akademikern und in der Öffentlichkeit beruht, glaube ich, darauf, dass das Wort „System“ mit zwei unterschiedlichen Bedeutungen verwendet wird. Wir reden vom Ökosystem und anderen komplexen Systemen und meinen damit , dass das Ganze, oder das System komplex ist . Es funktioniert in Ganzen und Mustern, ist selbstorganisierend und tatsächlich komplex. In meinem zweiten Beitrag in dieser Serie habe ich diskutiert, wieso unsere Unfähigkeit Komplexität zu managen das Boot der Menschheit versenkt. Alles was wir mangen beinhaltet menschliche Organisationen und die Natur, beides per Definition komplexe, selbstorganisierende Systeme . Während das ziemlich klar ist, entsteht Verwirrung, wenn wir dasselbe Wort System in einem anderen Sinn verwenden, um eine vorbestimmte, vorgegebene Methode der Beweidung zu beschreiben. Das ist z.B. bei der Rotationsweide und vielen anderen Weidesystemen der Fall. Wer so etwas macht, ignoriert die soziale, kulturelle, wirtschaftliche und ökologische Komplexität, indem er ein Beweidungssystem (wie ein Buchführungssystem oder Warenwirtschaftssystem) empfiehlt, das die Rancher verwenden sollen.

Unter dem Strich kann in eher feuchten Regionen, wo sich keine Wüsten bilden, jedes aus der Fülle von Beweidungssystemen verwendet werden, solange die Tiere ihr Leben lang human behandelt werden. Das Land sollte besser werden, solange die Tiere gebündelt und in Bewegung gehalten werden. Die Leute werden mit dem, was sie tun, glücklich sein, wie viele gute Leute und diejenigen, die sie anleiten, es sind, weil sie die verborgenen Kosten nicht sehen. Für die meisten kleinen Weidebetriebe in den eher feuchten Regionen funktioniert Voisins einfacher Planungsprozess hervorragend und ist jedem Beweidungssystem überlegen. Meine Frau und ich haben Voisins Buch durch Island Press neu auflegen lassen, um sein Originalwerk für die leichter verfügbar zu machen, die es besser machen wollen, als jedes Beweidungssystem es kann.

Jetzt kommen wir zu Land, wo sich Wüsten bilden. Wie in den USA und auf dem Großteil der Erde. Land, wo die Niederschläge saisonal und schwankend sind und meist unter 400 mm (16 inch) im Jahr liegen, wo keine Technologie, kein Bäumepflanzen oder irgendetwas anderes außer Nutztieren wirklich geeignet ist, um die Wüstenbildung umzukehren und den Klimawandel zu adressieren. Auf diese Regionen müssen wir unsere Aufmerksamkeit richten, weil solche spröden Lebensräume die größte Landfläche auf unserer Erde bedecken, viel größer als die tropischen Wälder und die feuchten Regionen.

Spröde Lebensräume mit saisonaler Feuchtigkeit

Als ich in den 1960er Jahren realisierte, dass wir keine andere Option haben, um die Wüstenbildung auf dem Großteil der Landmassen der Erde umzukehren, als den Einsatz von Nutztieren, stand ich vor einem ernsthaften Dilemma. Wie sollte das zu bewerkstelligen sein?

Wie ich in meinem TED-Talk über die Wüstenausbreitung http://on.ted.com/Savory erklärte, hatten wir über 10.000 Jahre Erfahrung sachkundiger Hirten , die ihre Herden hüteten, sie vor Raubtieren schützen und sie ständig bewegten, so wie sie es auch heute noch tun. Aber das hat in der Antike zur Entwicklung der großen, menschengemachten Wüsten geführt und fördert noch immer die Wüstenbildung, während ich hier schreibe. Es war klar, dass das Hüten, wie es schon immer betrieben wurde und noch immer wird, die Wüstenausbreitung nicht umkehren würde.

Bild

Außerdem hatten wir die Erfahrung aus ca. einem Jahrhundert wissenschaftlich geleitetem Weide-Managements. Und dieses beschleunigte die Wüstenbilderung schneller, als es die Hirten über Jahrtausende getan haben. Dieses Management beinhaltete verschiedenste Weidesysteme, Zäune, Wasserverteilung, die Verwendung von Maschinen, Feuer und Chemikalien. Es beinhaltete auch die anhaltende Reduzierung der Nutztierzahlen, was sowohl zu einem Genozid der Hirtenkulturen in Afrika, Israel, China und sonstwo führte, als auch zum Sterben der westlichen Ranch-Kultur in den USA. All das funktionierte eindeutig nicht. Was sollten wir also tun? Was sollen wir tun?

Alles was ich vor Jahrzenten wusste, war, dass wir lernen mussten, den Herdentrieb, das Zusammenballungs-Verhalten der Nutztiere, auf eine Weise zu nutzen, wie sie während der Evolution unter Anwesenheit der rudeljagenden Raubtiere entstanden war. Irgendwie mussten wir die Nutztiere als Werkzeug einsetzen, als Stellvertreter für das ehemals intakte Zusammenspiel aus ziehenden Pflanzenfresser-Herden und Rudel-Raubtieren, das nicht mehr existiert.

Und während wir die Nutztiere auf eine Art managten, die die Natur nachahmt, mussten wir auch noch hochkomplexe Situationen managen – sozial, ökologisch und wirtschaftlich. Voisin hatte uns einen Ansatz geboten – verwende irgendeinen Planungs-Prozess, um die Komplexität zu adressieren. Ich versuchte es mit Voisins Planungsmethode. Da sie aber für Europas dauergrüne Weiden entwickelt worden war, konnte sie die größere Komplexität nicht bewältigen, der wir in Afrikas Savannen gegenüberstanden. Noch konnte Voisins Planungsmethode mit sozialer und wirtschaftlicher Komplexität umgehen. Da wir Ökologen noch nie etwas Vergleichbarem begegnet waren, begann ich in anderen Fachgebieten zu recherchieren, um herauszufinden, ob irgendwer vergleichbar komplexe Situationen gelöst hatte. Das Vergleichbarste, das ich fand, waren militärische Erfahrungen, die in Europa über Jahrhunderte entwickelt wurden. Militärstrategen waren gezwungen, immer erfolgreichere Methoden für die Planung extrem komplizierter, sich schnell ändernder Situationen in akuten Gefechtssituationen zu entwickeln. Um das zu erreichen, haben schlaue Köpfe einen einfachen Weg ersonnen, wie man in einer oft chaotischen und veränderlichen Situation den jeweils besten Plan entwickelt. Statt das Rad neu zu erfinden, kupferte ich einfach das ab, was ich als Armeeoffizier der rhodesischen Armee auf der britischen Sandhurst Militärakademie erlernt hatte. So entstand das Holistic Planned Grazing (die ganzheitlich geplante Beweidung).

Ganzheitlich geplante Beweidung (geeignet für alle Lebensräume)

In diesem erfolgreichen und reproduzierbaren Prozess ist der erste Schritt für die Manager, das ganzheitliche Rahmenwerk zu verwenden, um die Komplexität zu managen. Man beginnt damit, seinen einzigartigen ganzheitlichen Kontext zu entwickeln, als Richtschnur für das Management. Das ist die essentielle Phase in der die Menschen für sich selbst festlegen, in ihrem eigenen Selbstinteresse, ob überhaupt Nutztiere gemanagt werden sollen und wenn ja, dann wie. In einem brasilianischen Regenwald z.B. würde jeder Bauer oder jede Kooperative an dieser Stelle feststellen, dass dort keine Rinder sein sollten. Rinder auf einer Weidefläche in einem gerodeten tropischen Regenwald zu halten, wäre sozial, ökologisch und wirtschaftlich schlecht und wäre deshalb nicht im langfristigen Eigeninteresse irgendeiner Person oder Kooperative.

Falls die, die managen, in Übereinstimmung mit ihrem ganzheitlichen Kontext, beschließen, dass Nutztiere essentiell sind, um ihre Leben zu verbessern, und das nichts anderes dies in dieser Situation leisten kann, dann wird die Planung der Tierhaltung auf der Fläche fortgesetzt. Fortgesetzt mit dem Wissen, dass dies die richtige Entscheidung in sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Hinsicht für ihr eigenen Leben und für die zukünftiger Generationen ist.

Wie wird die ganzheitlich geplante Beweidung durchgeführt?

Militärische Denker haben die tiefgreifend einfache Idee entwickelt, komplizierte Situationen in kleine, verdauliche Teile zu zerlegen, und einen Teil nach dem anderen abzuwägen. Sogar ein gestresster Kopf kann das. Und dann, nach dem Durchdenken eines kleinen Teils, macht mit dem nächsten weiter, wobei jeder Schritt auf dem vorherigen aufbaut, um beim bestmöglichen Plan anzukommen. I konnte erleben, wie diese Methode in unglaublich komplizierten Situationen sogar für gestresste und erschöpfte Menschen inmitten eines Gefechts funktioniert hat. Aber es gab ein weiteres Problem. Schlachten dauern nur kurze Zeit. Menschen, die Nutztiere managen, müssen für Monate oder Jahre vorausplanen. Sie müssen unerwartete Wetteränderungen, Feuer, Giftpflanzen, Raubtiere, Ackerfrüchte, andere Landnutzungen, die Bedürfnisse von Wildtieren und noch mehr einplanen. Gleichzeitig müssen sie den sich im Verlauf des Vermehrungszyklus ändernden Nährstoffbedarf der Tiere berücksichtigen. Wie könnte ich die Idee aus der Militärplanung verwenden und so eine komplexe Situation über Monate lösen? Ganz einfach.

Indem wir die Planung als Diagramm aufzeichneten, konnten wir die Dimensionen Zeit, Fläche, Tierzahlen und viel Probleme, Angelegenheiten, den Wechsel der Jahreszeiten und mehr auf einem einigen Stück Papier darstellen. So einfach. Wir haben es versucht und es hat sofort funktioniert. Obwohl ich schon tausende Farmer und Rancher bei ihrer Planung habe scheitern sehen, habe ich bisher nie erlebt, dass ganzheitlich geplante Beweidung in irgendeinem Land gescheitert wäre. Immerhin baut dieses Vorgehen auf 300 Jahren Erfahrung durch helle Köpfe.

Ganzheitlich geplante Beweidung ist leicht zu lehren und so einfach, dass sogar Kinder sie verstehen können. In Afrika haben junge Leute frisch von der Mittelschule und ohne jede praktische Erfahrung innerhalb eines Tages gelernt, die Beweidung zu planen. Tatsächlich ist es eine Gaudi für jede Familie oder jedes Team von Menschen, fast wie ein Gesellschaftsspiel. Aus jedem Kopf sprudelt Wissen auf das Diagramm und am Ende plant man die Bewegung der Tiere, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Mangelnde Erfahrung war bisher nie ein Hindernis, weil Unwissen das Lernen nicht verhindert, im Gegensatz zu unseren Egos, wie wir bereits wissen.

Bild

Die Schritte für die Planung der Beweidung sind in einem Aide Memoire zusammengefasst. (Der Begriff stammt aus dem Französischen, wegen der Ursprünge in den Militärschulen, und bedeutet Erinnerungshilfe.) Diese Erinnerungshilfe stellt sicher, dass einfache, kleine Schritte befolgt werden, die am Ende zum fertigen Plan führen. Die Erinnerungshilfe ist universell (anwendbar in allen Lebensräumen und jeder Art von Situation) und reflektiert die Erfahrungen auf diesem Gebiet von tausenden Farmern, Ranchern und Hirten. Training, inklusive Material für das Selbststudium, ist erhältlich und wird ständig verbessert vom Savory Insitute und seinem weltweiten Netzwerk aus lokal geführten und managten Hubs (Ein Netzwerk aus Vorzeige- und Schulungsbetrieben). Eine vereinfachte Version, zusammen mit Mobilisierungsmaterial für die Gemeinden (entwickelt mit finanzieller Unterstützung des US-Entwicklungshilfe-Ministeriums USAID) ist für Halbanalphabeten, Nichtregierungsorganisationen und andere in Afrika erhältlich.
Bild

Eine junge Frau unterstützt halbanalphabetische Dorfbewohner in Zimbabwe bei der Weide-Planung für ihre Nutztiere.

Funktioniert Ganzheitlich geplante Beweidung?

Ihr werdet euch evtl. fragen ob das, was ich schreibe, von Ergebnissen oder durch die Anerkennung angesehener Einrichtungen gestützt wird. Ergebnisse wurden wiederholt demonstriert, über fast ein halbes Jahrhundert. Natürlich haben die Menschen das, was sie taten, mit unterschiedlichen Niveaus von Fähigkeit und Können getan, aber die Erfolge waren so groß, dass ganzheitlich geplante Beweidung inzwischen auf 20 Millionen Hektar auf sechs Kontinenten praktiziert wird. In den USA dominieren Ranches, die ganzheitlich managen, die Wettbewerbe für gutes Landmanagement. Obwohl die Verwendung von Nutztieren für die Umkehrung der Wüstenbildung den Glaubenssätzen der Gesellschaft und damit den Glaubenssätzen der Institutionen widerspricht, haben bereits einige renommierte Organisationen unsere Arbeit gewürdigt:
-Der australische Banksia Award 2003 für „die Person oder Organisation, die im globalen Maßstab das meiste für die Umwelt tut“
-Der amerikanische Buckminster-Fuller Award 2010 für „eine Strategie, die am effektivsten die größten Probleme der Menschheit angeht“
-Der Western A Price 2015 für „Integrität und Durchhaltevermögen in der Wissenschaft“
-Und aktuell sind wir Finalist beim Virgin Earth Challange, Sir Richard Bransons 25 Millionn Dollar Preis für skalierbare und nachhaltige Wege, Treibhausgase aus der Atmosphäre zu entfernen.

Kritik und Fehler

Das Verfahren, derart Komplexes zu managen, wurde über Jahrzehnte entwickelt, unter ständiger Kritik, die dabei half, Fehler sowohl in der Logik als auch in den wissenschaftlichen Grundlagen zu finden, also ganz so, wie sich Wissenschaft und Wissen normalerweise entwickeln. Seit den frühen 1980er Jahren wurden keine weiteren Fehler mehr gefunden und am ganzheitlichen Rahmenwerk wurden nur noch kosmetische Änderungen vorgenommen, trotz der Appelle an alle Wissenschaftler (die ich immer noch mache) beim Aufspüren von Fehlern entweder in der Logik oder den wissenschaftlichen Grundlagen zu helfen. Erinnert euch daran, dass es sich hierbei um einen Entscheidungsfindungs- und Planungsprozess handelt, der sämtliche verfügbaren wissenschaftlichen Informationen und weitere Wissensquellen verwendet.

Trotz dieser Feststellung wird jeder, der eine Google-Suche macht, ständig wiederkehrende Behauptungen finden, dass die ganzheitlich geplante Beweidung weder auf Wissenschaft basieren noch von Wissenschaft gestützt würde. Und dass es keine experimentellen Beweise gäbe. Solche Behauptungen, die von Gegnern durch soziale Medien weitläufig gestreut werden, stammen aus Veröffentlichungen, Berichten und Artikeln von Veganern, Umweltschützern und von Professoren an renommierten Universitäten, welche die „Legitimität als objektive Wissenschaftler“ erhöhen.

Obwohl wir all diese Artikel der Kritiker und wissenschaftliche Publikationen lesen, in der Hoffnung, dass sie etwas Neues gefunden hätten, konnten wir einen solchen Fall bisher nicht entdecken. Trotz ihrer akademischen Befähigung haben sich die Autoren solcher Veröffentlichungen immer wieder mit der einen oder anderen Variante eines Beweidungssystems beschäftigt, aber nicht mit dem ganzheitlichen Planungsprozess für die Beweidung. Diese Autoren zitieren sich auch immer wieder gegenseitig. In einer Veröffentlichung durch 8 Autoren (alle mit Doktortitel) wurden 19 Veröffentlichungen zitiert, die ihre Kritik belegen sollten. Aber als diese Kritiken alle zurückverfolgt wurden, inklusive der Veröffentlichungen, die in diesen 19 Dokumenten zitiert wurden, stellte sich heraus, dass nicht einziger davon je ganzheitlich geplante Beweidung untersucht hatte. Das zu behaupten, weil die Beweidungssysteme, die sie untersucht hatten, die Wüstenausbreitung nicht umkehrten, und daraus zu schließen, ganzheitlich geplante Beweidung sei nicht durch experimentelle Wissenschaft belegt, ist wirklich verdrehte Logik. Dieses Verhalten wird evtl. am besten in „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen ” von Thomas Kuhn beschrieben.

Wir sollten uns aber nie zurücklehnen und es ist meinen Hoffnung, dass alle von euch, die meine Blogeinträge lesen, alles was ich schreibe auf den Prüfstand stellen werden. Bitte fühlt euch frei, und tut es auch, dies mit allen Skeptikern und Kritikern die ihr kennt oder die ihr über Suchmaschinen finden können, zu teilen und sie einzuladen an dieser Diskussion teilzuhaben. In der ernsten Situation, in der sich die Menschheit befindet, bitte ich euch nur, nicht apathisch zu sein, der zukünftigen Generationen willen.

In meinem nächsten Beitrag werden ich zusammenfassen, warum nur das ganzheitliche Management des Komplexen – unter Einsatz von richtig gemanagten Nutztieren, kombiniert mit der Technologie zur Entwicklung nachhaltiger Energienutzung – ernsthaft den Klimawandel angehen und so zukünftigen Generationen die Hoffnung bieten kann, die sie verdienen. Bis dann.

Benutzer 72 gelöscht

Re: Allan Savory Blog - auf Deutsch

#188

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Mi 20. Apr 2016, 09:28

Manfred hat geschrieben:Beitrag 7

Quelle: http://savory.global/allanUncensored/wh ... stock-mean
[....]
In meinem nächsten Beitrag werden ich zusammenfassen, warum nur das ganzheitliche Management [....] ernsthaft den Klimawandel angehen und so zukünftigen Generationen die Hoffnung bieten kann, die sie verdienen. Bis dann.
abgesehen davon, dass jeder hier im Forum, wenn er so lange Textteile zitiert, einen Hinweis bekommt.... ;)
Was mich an dem ganzen stört und abschreckt, ist dieses kleine Wörtchen "nur" - nur!
Erinnert mich leider an meine Mami, die behauptet dasselbe von ihrem "Guru" - den ich an und für sich toll finde (also das, was er schrieb), aber N U R

??

Nee!
das ist das Gegenteil von Vielfalt und ganzheitlich. :im:

Es gibt "nur" viele Wege ....

Manfred

Re: Allan Savory Blog - auf Deutsch

#189

Beitrag von Manfred » Mi 20. Apr 2016, 09:39

Ina, wenn du eine Alternative kennst, wie die spröden 2/3 der Landfläche der Erde anders bezahlbar zu sanieren sind: Immer her damit. Dieses "nur" steht, wie er ja selbst erklärt hat, als Herausforderung da, damit jede denkbare Alternative ans Tageslicht kommt und umgesetzt wird.
Wenn es dir gelänge, eine zu finden, würdest du einen unschätzbar wertvollen Beitrag leisten.

henmen
Beiträge: 240
Registriert: Do 17. Mär 2016, 15:28
Familienstand: glücklich verheiratet

Re: Allan Savory Blog - auf Deutsch

#190

Beitrag von henmen » Mi 20. Apr 2016, 10:34

Manfred,

weißt Du ob in Deutschland ein Hub in Vorbereitung ist oder es hier inzwischen HM Berater gibt?

Gruß Henmen
... auch so kann Landwirtschaft sein: http://www.polyfaces.com/trailer-deutsch/

Antworten

Zurück zu „Ganzheitliches Management (Holistic Management nach Allan Savory)“