Puhh - ich glaube, mit den Leinen-/Halsbandempfehlungen gehen wir - ebenso wie mit den meisten Büchern - in die völlig falsche Richtung. Die Bloch'schen Einsichten kann ich indes zum größten Teil unterstützen, auch wenn ich seine Umsetzung hier und da für Dünnsinn halte.
Also mal kurz eine paar grundsätzliche Sachen zur Hundeerziehung:
Wir sollten nicht aus dem Auge verlieren, dass es sich auch bei Hunden um Individuen handelt, die - man glaubt es kaum - auch innerhalb einer Rasse höchst unterschiedliche Charaktere aufweisen, auf die es einzugehen gilt.
Ziel der Hundeerziehung kann es nicht sein, die Töle dauerhaft mittels Leine zu domptieren, sondern einen Begleiter/Mitarbeiter zu bekommen, der sich frei ohne Leine/Halsband bewegt und sich aus eigenem Antrieb innerhalb des Regulariums bewegt, ja irgendwann selbst auf die Einhaltung dieser Regeln pocht.
Hundeerziehung lebt nicht von Buchwissen, auch nicht davon, dass man Sonntags von 10.00-11.00 Uhr auf dem Hundeplatz übt - und sich wundert, dass der Tierische außerhalb des Hundeplatzes macht, was er will.
Hunde leben weitgehend frei von den Belastungen des Verstandes und weilen überwiegend in der unmittelbaren Gegenwart, können also nicht nachvollziehen, wenn sie für ein "Verbrechen" gemaßregelt werden, welches durch eine aktuellere Handlung überdeckt wird. Gern gesehenes Beispiel: Der Hund begeht irgendein Verbrechen, wird von Halter dann irgendwie herbeigebrüllt - und gemaßregelt. Der Hund lernt daraus, dass es auf die Ohren gibt, wenn er der Auffordrerung zu kommen folgt. Dies war nämlich seine letzte Handlung, zu er die Maßregelung in Beziehung setzt - nicht das zuvor begangene "Verbrechen".
Hunderziehung ist - zumindest in den ersten Jahren - ein 24/7-Job und lebt letztlich alleine von der Souveränität des Halters. Das für die Unterordnungswilligkeit zwingend notwendige
VERTRAUEN muss sich der Halter erst einmal
verdienen - durch fortgesetzt "gute" Entscheidungen, die die Interessen aller Beteiligten (eben auch des Hundes) in angemessener Weise berücksichtigen.
Es ist in diesem Sinne z.B. keine "gute" Entscheidung, wenn dein Hund ohne sinnvollen Anlass "Sitz", "Platz" oder "Männchen" machen muss - nur damit du z.B. Freunden oder Nachbarn zeigen kannst, was für ein toller Hecht du bist und wie toll du deinen Hund erzogen hast. Mit solchen Sachen schmälerst du ganz erheblich das Selbstwertgefühl deines Hundes, du machst ihn faktisch vor den Augen anderer zum Kasper.
Und mach' dir nichts vor - das kommt auch beim Hund exakt so an. Du wirst auch nicht auf Kommando auf einem Bein stehen wollen, nur damit Nachbars sehen, wie toll ich dich im Griff habe - sondern dich irgendwie verarscht fühlen. Ein Hund ohne ausreichendes Selbstwertgefühl wird jedoch niemals in seinem Verhalten souverän werden.
VERTRAUEN wird weiterhin duch intensives Spiel gefördert - je heftiger und rabiater, umso besser. Einzige Grenze bei der Sache ist, dass man sich nicht absichtlich gegenseitig weh tut. Das muss der Kleine eben auch erst mal lernen, z.B. dadurch, dass man statt Spielzeug lieber seine Hände/Unterarme benutzt und das Getier spielerisch darauf herumbeissen lässt, bis es eben zu heftig wird und man mittels "Au!"-Ruf anzeigt, dass es weh tut.
Das hat zudem den völlig unbemerkten Vorteil, dass es die Souveränität des Halters in den Augen des Hundes ganz erheblich fördert, denn offensichtlich kann es sich der Halter ja leisten, sich Beißwerkzeug und Waffe des Tierischen auszuliefern - ihm also
VERTRAUEN zu schenken.
Der Tierische wird dir im Übrigen auch nicht mehr Aufmerksamkeit schenken, als du ihm. Daran kranken die meisten Hundehaltungen. Als Halter ist es einfach dein Job zu erkennen, welcher Laune/Verfassung dein Hund gerade ist - und was er so im Schilde führt, auch wenn er 50 Meter von dir entfernt ist. Im Ansatz jeder Handlung ist der Hund noch lenkbar. Wenn er erst mal sein Zielverfolgungsradar aufgeschaltet hat und Reh oder Hase durch Wald und Flur hetzt, hilft alle Brüllerei nichts mehr.
Last not least sind Beziehungen zwischen Säugetieren
immer individuell.
Der Cocker meiner Nachbarn - der dort keinen Schlag hört, also "unerzogen" zu sein scheint - legt bei mir ein ganz anderes Verhalten an den Tag und ist problemlos durch leise Kommandos zu lenken - und ich bin definitiv nicht seine Bezugsperson.
Liegt womöglich alleine daran, dass er schon als Welpe immer zu mir rüberkommen konnte und wir zusammen die Sau rausgelassen haben, bis der Arzt kam.

Das ist überhaupt ein wesentlicher Punkt, der gerne verdrängt wird: Die Tierischen wollen nicht nur physisch sondern auch mental ausgelastet sein - und zwar täglich. Das gehört nämlich auch zu ihren elementaren Bedürfnissen, die ein souveräner Halter selbstverständlich berücksichtigt.
Vergiss die ganzen Lehrbuch-Dogmen, wie z.B. dass dein Hund niemals über dir stehen sollte und solchen Käse. Ich hatte kein Problem damit, bei der Rumtoberei auch unter meinem Hund zu liegen, mich wüst verknurren zu lassen und somit in die defensive Rolle zu schlüpfen. Hat ihm nämlich gezeigt, wieviel Vertrauen ich ihm schenke - und das bekam ich mehr als nur doppelt zurück.
Gebissen/zerfleischt werden in der Regel diejenigen Halter von ihren Hunden, die lebtags sinnlose/brutale Dominanz über das Tier ausüben bis sie dann plötzlich einen Moment der Schwäche erleben und der Hund sich endlich auch mal am Drücker wähnt...
Und jetzt hör' ich mal auf, bevor ein Buch daraus wird.
Hab ich übrigens nicht aus Büchern gelernt, sondern hatte einen Lehrer (siehe Foto).
Diese Lehrer lehren dich aber nur, wenn du sie lässt...

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