gutshaus

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Wayan
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Re: gutshaus

#41

Beitrag von Wayan » Mi 22. Okt 2014, 13:42

Adjua hat geschrieben:
unkrautaufesserin hat geschrieben: Ich liebe alte Gutshäuser und kleine oder große Schlösser. Ich würde gerne so leben, und sei es als Küchenfrau. Denn auch wenn man den ganzen Tag arbeiten muß, hat man doch immer die schöne Aussicht, die schöne Architektur, die Athmosphäre.
Mit oder ohne Annehmlichkeiten wie Versicherung, Kündigungsschutz, Pensionsanspruch und Schutz vor sexueller Belästigung durch den Gutsherren, seinen Verwalter und seine Söhne?
7-Tage-Woche, Bezahlung die zum Überleben gerade eben reicht, Null Perspektive auf nennenswert bessere Lebensumstände, Familienleben wenn überhaupt nur unter minimalistischen Umständen...
Wirklich harte Arbeit (!!) Wäsche waschen ohne Technik, im Winter mit aufgeweichten, später aufgeplatzten Händen; ruiniertem Rücken usw. ---> man stelle sich das frühere Leben nicht zu romatisch vor, auch das Essen war (im Winter) einseitig und knapp :aeug:
Alle sagten: Das geht nicht. Da kam einer, der wußte das nicht und hat´s einfach gemacht.

Benutzer 72 gelöscht

Re: gutshaus

#42

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Mi 22. Okt 2014, 15:14

Unkrautaufesserin hat geschrieben:So arbeite ich auch den ganzen Tag, oder vielmehr die ganze Nacht. In einem seelenlosen Betonklotz, bei Kunstlicht. Toll.
ist nicht schön! kann ich verstehen
Wayan hat geschrieben:Wirklich harte Arbeit (!!) Wäsche waschen ohne Technik, im Winter mit aufgeweichten, später aufgeplatzten Händen; ruiniertem Rücken usw. ---> man stelle sich das frühere Leben nicht zu romatisch vor, auch das Essen war (im Winter) einseitig und knapp
Das ist nicht immer das schlimmste, was einem passieren kann

Obwohl ich selber noch nie Wäsche im Fluss gewaschen hab, die Mutter meines Freundes war das noch gewöhnt! (Bohnen mit Mais waren das ganze Jahr über Hauptsattmacher....)

und sie war eine sehr glückliche Frau!!
in sich ruhend.....
lachte viel


Die Wahrheit dürfte wie so oft irgendwo in der MItte liegen.
Weder war früher alles überall toll, noch ist es das heute...
"schönes Leben" ist auch zum Großteil Interpretationssache.

Adjua
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Re: gutshaus

#43

Beitrag von Adjua » Mi 22. Okt 2014, 15:37

Also Emil. Ich nehme alles zurück und schliesse mich deiner Meinung an. Ina Maka und Unkrautaufesserin haben mich überzeugt, dass die neo-eso und neo-romantischen Sichweisen dermassen unerträglich sind, dass gar nicht genug Mahnmal-Katen neben jedem Gutshaus stehen können :nudel: :nudel: :nudel:

Benutzer 72 gelöscht

Re: gutshaus

#44

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Mi 22. Okt 2014, 16:46

Adjua hat geschrieben:Ina Maka und Unkrautaufesserin haben mich überzeugt, dass die neo-eso und neo-romantischen Sichweisen dermassen unerträglich sind
NEIN!!!!!

ich nicht! :flag:

Nudeln auf den Kopf kriegst du aber trotzdem keine, ich bin glücklich, muss mich nicht ärgern (lassen?) :holy:

Übrigens: ich hab gar keine Sichtweise beschrieben, schon gar keine neo-....

Ich hab nur von einer Frau berichtet, die eigentlich wissen müsste, dass sie unglücklich ist, es hatte ihr aber niemand gesagt, also ...

lebt sie gerne :)

(das ist doch was schönes, oder??)

ich denke, wenn früher alles so furchtbar gewesen wäre, wir wären ausgestorben!
Komischerweise steigt die Selbstmordrate aber, wenn "wilde Völker" zivilisiert werden....

wobei ich persönlich in etwa in der Zeit des Mittelalters den "Niedergang" des angeborenen Glücklichseins bei den Menschen im allgemeinen sehe - aber das ist jetzt echt eine Sichtweise, meine persönliche.
andere mögen das anders sehen.....

:troest:

Adjua
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Re: gutshaus

#45

Beitrag von Adjua » Mi 22. Okt 2014, 17:22

Ina maka, wenn man im gegebenen Zusammenhang davon berichtet, dass schwer arbeitende Leute ( zu denen du nicht mal selbst gehörst!) "glücklich" aussehen, dann kann man nur sagen neo- :nudel: :nudel:

Bedienstete eines Herrenhauses hatten nicht nur schwere Arbeit, sondern waren schutzlos allem ausgeliefert, was man heute als Ausbeutung und Verbrechen bezeichnet - schwere, oft gesundheitsschädliche Arbeit, keinerlei Kündigungsschutz, keinen Urlaub, keine geregelten Arbeitszeiten, keine Freizeit - und auch keine Möglichkeit, gegen den Willen der Herrschaft den Job zu wechseln. Plus die Aussicht, das Alter mangels Pension im Armenhaus zu verbringen. Als Draufgabe war frau sexuelles Freiwild.

Wie man sowas ausblendet und mit irgendeim unsäglichen "ich-kenn-da-aber-jemanden"-Beispiel daherkommt, obwohl sinnerfassendes Lesen (Literatur? Wissenschaft?) vorausgesetzt werden kann, ist mir ein Rätsel.

Daher: Emil, du hattest echt recht :ohoh:

Benutzer 72 gelöscht

Re: gutshaus

#46

Beitrag von Benutzer 72 gelöscht » Mi 22. Okt 2014, 18:27

Adjua hat geschrieben:Ina maka, wenn man im gegebenen Zusammenhang davon berichtet, dass schwer arbeitende Leute ( zu denen du nicht mal selbst gehörst!) "glücklich" aussehen
na ja - aussehen??
Ich hab mit ihr zusammengelebt :im:
- und auch, soweit ich das kann, "hart mitgearbeitet" - soweit ich das kann deshalb, weil ich ja ganz andere Voraussetzungen mitbringe, schlicht und einfach mit meinem Körper manches nicht so tun/aushalten kann. ??
Adjua hat geschrieben:Bedienstete eines Herrenhauses hatten nicht nur schwere Arbeit, sondern waren schutzlos allem ausgeliefert [....]
:nick:

hatten aber trotzdem ihre Freuden!
anders kann ein "normaler" Mensch gar nicht existieren.
Adjua hat geschrieben:Wie man sowas ausblendet
nein, ich blende das nicht aus!
Ja, es gab harte Arbeit, Ungerechtigkeit und Leid.

(übrigens hab ich im Wien der Jetzt-Zeit mit Illegalen zusammengelebt und weiß da so einiges zu erzählen, von wegen "früher" und "in fernen Ländern"!! :waeh: )
Adjua hat geschrieben:und mit irgendeim unsäglichen "ich-kenn-da-aber-jemanden"-Beispiel daherkommt, obwohl sinnerfassendes Lesen (Literatur? Wissenschaft?) vorausgesetzt werden kann, ist mir ein Rätsel.
Das versteh ich schlicht und einfach nicht - genausowenig wie das:
Adjua hat geschrieben:Emil, du hattest echt recht
womit denn?

Ich seh das alles nicht so eng.
Natürlich: man beutet keine Menschen aus, man unterdrückt andere nicht, man beraubt sie nicht ihrer Freiheit!!

Letzteres allerdings - hmmm....

passiert das nicht auch mit den Menschen, die kaum Sonnenlicht sehen, weil sie "wegen dem Geld" den ganzen Tag in einem Großraumbüro oder einer Fabrik verbringen müssen ??

von dem her kann ich solche Sehnsüchte verstehen, vor allem, weil ich aus Erfahrung weiß. dass "harte Arbeit", wenn freiwillig und mit netten Leuten und "im Rahmen" getan, sehr schön sein kann - auch das Aushalten mancher Hungerzeiten killt einem nicht die Freude am Leben.

Das "den ganzen Tag im Büro eingesperrt sein" ist für manche Menschen schlimmer.

Das ist leider nicht aus der Literatur angelesen, ich hoffe, du verzeihst ;)

Vielleicht rede ich deshalb so, weil ich in einer gewissen Phase meines Lebens "die Straße" den Bequemlichkeiten meines nicht armen Elternhauses vorgezogen hab - weil ich RAUS MUSSTE.....

Es sollte doch jeder nach seiner Facon (richtig geschrieben?) glücklich sein dürfen, oder?

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Re: gutshaus

#47

Beitrag von citty » Mi 22. Okt 2014, 19:59

unkrautaufesserin hat geschrieben:Soll ich Euch mal was sagen?

Ich liebe alte Gutshäuser und kleine oder große Schlösser. Ich würde gerne so leben, und sei es als Küchenfrau. Denn auch wenn man den ganzen Tag arbeiten muß, hat man doch immer die schöne Aussicht, die schöne Architektur, die Athmosphäre.

So arbeite ich auch den ganzen Tag, oder vielmehr die ganze Nacht. In einem seelenlosen Betonklotz, bei Kunstlicht. Toll.

Liebe Grüße, M.


Ich muss Dir auch was sagen, Unkrautfresserin: ich finde die meisten alten Burgen Gutshaeuser etc. auch traumhaft schoen zum Anschauen, aber ich beneide keinen der da frueher arbeiten musste. Ich hatte mal einen Ferienjob in einem Burgmuseum. Im Eingangsbereich, wo ich sass, gab ein einziges winziges Fenster und eine Tuere die bei schlechtem Wetter geschlossen wurde. Die Mauern waren meterdick, die Atmosphaere duster, feucht, muffig, kalt und sehr unromantisch. Die anderen Raeume waren aehnlich ungemuetlich. War jedesmal froh wieder draussen zu sein und wenn ich es mir abends zuhause gemuetlich machen konnte, dachte ich oft an die armen Leute die frueher auf dieser Burg arbeiten mussten und so gut wie nie wegkamen. Man ist als Arbeiter auf seinen Arbeistsplatz beschraenkt und sieht nichts von der uebrigen Herrlichkeit! Was mich aber am allermeisten stoerte: die Burgherren liessen uns Ferienjobber und auch die anderen Arbeiter sehr deutlich spueren, dass sie sich als was Besseres fuehlten, die Erwachsenen samt Verwandtschaft bis zu den Juengesten, Die Kinder besuchten uebrigens einen Adelskreis damit sie unter sich blieben..... Zu der Burg gehoerte auch ein Gutshaus, da mussten die Leute frueher den ganzen Tag und bei jedem Wetter auf dem Feld arbeiten, Unkraut hacken etc. Wenn heute ein paar Idealisten so ein heruntergekommenes Gebaeude kaufen und mit viel Liebe wieder herrichten ist das was ganz anderes und kann mitunter sogar romantisch sein.

LG Citty
Dr. Roger Liebi fan :)

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Wayan
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Re: gutshaus

#48

Beitrag von Wayan » Mi 22. Okt 2014, 20:22

Die Gutshäuser an sich können ja nichts für die gesellschaftlichen Umstände damals wie heute.

Wenn sich heute eine tolle Nutzungsmöglichkeit findet, warum nicht? Wichtig ist es trotzdem zu wissen, was früher mal war. Bei dern ägyptischen Pyramiden wird auch regelmäßig erwähnt, welche Menschenmassen unter welchen Opfern diese faszinierenden Gebäude errichtet haben.
Alle sagten: Das geht nicht. Da kam einer, der wußte das nicht und hat´s einfach gemacht.

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Re: gutshaus

#49

Beitrag von emil17 » Do 23. Okt 2014, 12:21

Adjua: Danke für die Rehabilitation!
Mir kommen diese Gedanken (wie war es damals für die Leute, die da mitmachen mussten), wenn so wie im Amalienhof-Link eine Landidylle von früher allzu einseitig beschrieben wird. Zum Beispiel die dort eingestellten Fotos, wo Leute in weissen Hemden bei der Erntearbeit gezeigt werden.

Selbstverständlich wäre es dumm, solche Häuser wegen dem sozialen Umfeld ihrer Erstellung verfallen zu lassen, wenn sich eine sinnvolle Nutzung ergibt. Der Vandalismus, welcher die Bolschewisten mit diesen Gebäuden angerichtet haben, ist jedenfalls schlimm und ungerechtfertigt gewesen.

@ina: Glück ist relativ. Im Kriegsgefangenenlager war vielleicht schon "glücklich", wer einen Zigarettenstummel fand.
Sicher war eine Landarbeiter- oder Dienstmagdexistenz damals erträglicher als sie es für uns wäre, einfach weil es fast alle getroffen hat und also normal war. Dennoch ist die Darstellung, die Leute seien es ja so gewohnt und zufrieden damit, einseitig beschönigend und oft eine bequeme Ausrede gewesen für diejenigen, welche den Gewinn aus dem Los dieser Leute gezogen haben.
Man könnte es auch pragmatisch sehen: Warum, um Dein Bespiel zu benutzen, wäscht heute niemand mehr so, der die Möglichkeit hat, es anders zu machen? Die Möglichkeit bestünde ja nach wie vor: Geh mit dem Waschbrett, einem Klotz Kernseife und einem Bottich voll Schmutzwäsche an den Teich und werde glücklich.


Trotzdem oder eben deswegen ist es nützlich, sozialkritische oder realistische Schriftsteller des 19. und frühen 20 Jahrhunderts (Sinclair, Zola usw.) zu lesen.
Auch frühere Autoren können helfen, z.B. Gotthelf, wo z.B. beschrieben wird, wie es ein Landarbeiter durch Fleiss und besondere Anstrengungen zum Grossknecht bringt - mit Privilegien wie einer eigenen, wenn auch ungeheizten, Kammer. Hier ist die strenge Besitzhierarchie allerdings noch gottgegeben und wird nicht als diejenige Herrschaftsstruktur dargestellt, als die wir sie heute auffassen.

Die Kritik an Deinem Beitrag geht, so wie ich sie verstehe und selber auch äussern würde, nicht dahin, diesen Menschen das bescheidene Glück abzusprechen, das sie aus solchen und anderen Umständen gezogen haben. Sie stellt die dahinterliegende Behauptung in Frage, diese Leute wollten es selber nicht anders. Der glückliche Sklave also. Wobei Sklaven es oft besser hatten als das Landwirtschaftsproletariat: der Sklave erhielt auch nicht mehr als was er zum Leben benötigte, das aber auch dann, wenn es wenig oder keine Arbeit gab. Den Landarbeiter konnte man, viel bequemer, einfach nicht beschäftigen.
Wenn du Hunger hast und einen Tag arbeiten musst, um gerade mal die Nahrung für diesen Tag zu verdienen, und deshalb froh bist, diese Arbeit annehmen zu können, weil du sonst nichts zu essen fändest, hast du dann aus eigener Wahl und freier Entscheidung diese Arbeit angenommen und derjenige, der dich dafür so knauserig bezahlt, kann ehrlich behaupten, du wollest es nicht anders?
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Re: gutshaus

#50

Beitrag von guzzmania » Do 23. Okt 2014, 13:16

Zum Thema "glückliche Sklaven" finde ich diesen Artikel einen sehr guten Gedankenanstoß: http://thesocietypages.org/socimages/20 ... atermelon/
Die Bilder allein sind schon sehr aussagekräftig. Da kann man darüber nachdenken, welches Machtgefälle bei solchen "Glücklichkeitsfragen" mitspielt.

lg
guzzi

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