Du verstehst so manches nicht.Adjua hat geschrieben:Was daran so sprachlos machen soll, verstehe ich nicht.
Jemand, der so etwas tut, ist verzweifelt und einsam. Ihn nach seinem Ableben obenderin mit Vorwürfen zu überschütten, macht nichts ungeschehen.Adjua hat geschrieben:Jemand, der sich und seine Hunde erschiesst, anstatt sich entweder einen geeigneten Platz für sich und die Hunde zu suchen oder einen Platz für einen Teil der Hunde, ist krank und auch kein Tierfreund.
Was ist denn Deiner Meinung nach ein "Tierfreund"? Jemand wie Du, der selbst gar keine Tiere hält, aber ganz genau zu wissen glaubt, wie die anderen ihre halten müssten und wie sich eine Beziehung zwischen Mensch und Tier anzufühlen hat?
Der Begriff "Tierfreund" ist so variabel einsetzbar, dass er in diesem Kontext schlicht nichtssagend ist. Außer, dass 13 Hunde auf 70 m² gehalten wurden, weiß doch niemand hier tatsächlich etwas über die Haltung der Hunde und die Beziehung zwischen der Frau und ihren Tieren. Mutmaßen kann man vieles. Auch als Reporter und Nachbar. Oder wir aus dritter Hand im Forum.
Für die meisten Menschen wäre es sicher absolut undenkbar, mit so vielen Tieren auf so engem Raum zu leben. Aber wenn darüber hinaus alles andere wie Fütterung, Auslauf, Pflege, Tierarztbesuche im Krankheitsfall stimmen würde (und dass dem nicht so war, kann man nicht aus der Wohnsituation der Frau schließen), dann wäre das für die Hunde sicherlich weniger ein Problem. Wölfe leben in Rudeln im Schnitt von 8-10 Tieren + Nachwuchs. Das ist wohl die optimale Rudelgröße pro Wolfsrevier, um alle mit Nahrung versorgen zu können. Hunde müssen sich darum nicht selbst kümmern. Und insbesondere, wenn sie miteinander verwandt sind und sich mögen, ist es für sie wahrscheinlich weder von Vor- noch von Nachteil, ob sie nun zu dritt oder zu dreizehnt auf 70 m² leben. Hauptsache, es sind Artgenossen zur Gesellschaft da. Wenn, wie gesagt, das Drumherum stimmt, geht es 13 Hunden in einer Wohnung möglicher Weise sogar besser als einem einzen gehaltenen Hund, der während des Arbeitstages seines Menschen allein in Wohnung oder Zwinger gelassen wird. Und somit wäre eine solche Haltung tierfreundlicher als die von so manchen Leuten, die sich selbst als Tierfreunde bezeichnen.
Ob nun das Drumherum stimmte oder nicht, kann man im Nachhinein aus unserer Perspektive nicht beurteilen. Deswegen ist eine "Verurteilung" wegen "Tierunfreundlichkeit" auch nicht möglich.
Als Mensch mit so vielen Tieren zu leben, schränkt allerdings sicher sehr die Lebensqualität ein. Für mich ist es daher umso bezeichnender, dass die Frau es so gewollt hat. Wenn man davon ausgeht, dass sie durch die Tiere ihre Einsamkeit kompensiert hat, dann spricht die große Anzahl der Hunde nur dafür, wie allein sie tatsächlich gewesen sein muß und wie groß das emotionale Loch war, das sie hat füllen müssen. Das finde ich einfach nur unsagbar traurig. Und da fragt man sich in der Tat, wo da die Mitmenschen gewesen sind? Die Freunde, die Nachbarn, die Familie? Dieselben Leute, die sich jetzt die Mäuler zerreißen und die Frau als Kranke bezeichnen, die man rechtzeitig hätte wegsperren sollen.
Für diese Frau waren die Hunde anscheinend ihre ganze Welt und jedes einzelne der Tiere hat sie wahrscheinlich innig geliebt. Als von außen die Forderung kam, sie solle entscheiden, welche der Hunde sie abgeben will und welche bei ihr bleiben dürfen, dann war das für sie offenbar schlicht eine unlösbare Aufgabe. Jeder der Hunde hat ihr gleich viel bedeutet und sie konnte nicht wählen, denn das wäre aus ihrer Sicht ein Verrat an denen gewesen, die hätten gehen müssen. Es wäre ihr vorgekommen als würe sie sie verstoßen und die Liebe verraten, die die Tiere ihr entgegen gebracht haben. Die Entscheidung, alle und sich selbst zu töten, schien dann irgendwann der einzige Ausweg zu sein. Keiner der Hunde würde ohne sie leben müssen. Das ist ein sehr relevanter Punkt. Die Hunde waren nicht nur ihr ganzer Lebensinhalt. Sie hat so gelebt, weil sie der festen Überzeugung war, dass die Hunde sie brauchen. Jemand anderes hätte ihrem Glauben nach den Hunden nie so viel geben und ihnen bedeuten können, wie sie selbst. Anders lässt sich die Tat kaum erklären. Mag sein, dass darüber hinaus auch noch die Vorstellung mitgespielt hat von einem Ort, an dem sie mit den Hunden zusammen ein friedliches und glückliches Leben nach dem Tod würde führen können.
Es ist schwer nachzuvollziehen, wie sie sich gefühlt haben muss. Aber, eines steht fest: sie war totunglücklich - im wahrsten Sinne des Wortes. Und wohl auch krank. Aber Krankheit ist kein Makel und niemand hat das Recht, heute so kalt und hartherzig über diese Frau zu urteilen. Wenn schon zu ihren Lebzeiten niemand für sie da war und dafür gesorgt hat, dass sie nicht in diese dramatische seelische Verfassung gerät, dann sollte man ihr wenigstens jetzt ihren Frieden lassen.
Aus so einer schlimmen Geschichte den Schluß zu ziehen, man müsse die Kranken und Einsamen wegsperren, damit sie kein Unheil anrichten können, zeugt von sozialer Inkompetenz und Hartherzigkeit. Animal Hoarding ist ein klarer Hinweis darauf, dass jemand Hilfe braucht. Aber nicht durch Wegsperren und Entmündigung. Auch die Behörden hätten helfen können. Es gibt beispielsweise städtische Sozialstationen, welche vom Roten Kreuz und Diakonischem Werk und von den Kirchengemeinden, die man behördlicherseits hätte einbeziehen können. Man hätte sich bemühen können, der Frau einen Weg zurück in die menschliche Gemeinschaft zu ebnen. Man hätte sie auch über die Gemeinde bei der Suche nach einer größeren Wohnung mit Garten unterstützen können. Dafür wäre unter Umständen viel Geduld erforderlich gewesen. Und vielleicht hätte sie sich auch dagegen gewehrt. Aber, zumindest der traurige Ausgang der Geschichte hätte so verhindert werden können. All das Hätte-Sollen ist jetzt natürlich müßig. Aber, solche Fälle gibt es leider immer wieder mal. Und zumindst könnte man daraus lernen und versuchen zu helfen, wenn man in seiner eigenen Nachbarschaft so etwas mitbekommt. Und sei es nur dadurch, dass man selbst bei einer sozialen Einrichtung anruft und um Unterstützung für jemanden bittet, der sie so offensichtlicht braucht.