Asse-Desaster

Meldung des Tages
Benutzeravatar
emil17
Beiträge: 11096
Registriert: Di 21. Sep 2010, 08:07
Wohnort: In der Schweiz da, wo die Berge am höchsten sind

Re: Asse-Desaster

#91

Beitrag von emil17 » Mo 28. Jan 2013, 12:52

Manfred hat geschrieben:Emil, der Atomkraft kommst du gar nicht aus. (...)
Mit dem ganzen Abschnitt bin ich einverstanden. Ausser, dass ich behaupte, die Unausweichlichkeit sei zu einem guten Teil von den Kreisen gewollt, die daran verdienen, dass das so ist.


Manfred hat geschrieben:
emil17 hat geschrieben:Das Atommüllproblem besteht nun offenbar darin, jährlich tausende von Tonnen von so ähnlichem Zeugs auf Jahrhunderte hinaus unschädlich zu machen.
Nein. Eben nicht. Du kannst nicht reines Cäsium 137 gewichtsmäßig mit irgendwelchem nicht radioaktivem Trägermatierial gleichsetzen. Die Menge an purem radioaktivem Material die tatsächlich entsorgt werden muss, ist viel kleiner.
Solange wir keine Liste nach Nuklid und Aktivität oder Gesamtmasse haben, ist das alles wilde Spekulation.
[/quote]

Über die Verminderung auf 2% der Menge streiten wir auch nicht. Die Sauereien bei der Wiederaufbereitung lassen wir auch mal weg.
Solange ich eine nachprüfbare und halbwegs plausible Quelle habe, die von 12'000 t hochaktivem Primärabfall redet, mit einer typischen Aktivität von 5E16 bis 5E17 Bq/m3, werde ich mal mit jährlich 2% von 12'000 Tonnen von dem Zeug rechnen. Wenns dann dank besserer Datenquelle weniger wird, umso besser. Wenns mehrere Quellen gleicher Glaubwürdigkeit sind, die sich widersprechen, würde man das geometrische Mittel aller Daten nehmen oder als umweltbewusster und vorsichtiger Mensch die schlimmste Zahl oder als technikgläubiger Mensch die optimistischste Zahl.
Aber wie schon dargelegt, da passen gewisse Dinge bei der Entsorgung um Grössenordnungen nicht zusammen.

Da nächste Problem ist, und darauf wurde noch gar nicht eingegangen, dass das ja eine alljährlich dazukommende Menge ist. Das heisst, im Meer oder wo auch immer man das Zeug hinkippt (man kann es auch kontrollierte Einbringung nennen, wenn das hilft), wird sich die Radioaktivität solange akkumulieren, bis die jährlich zerfallende Menge des Gesamtvorrats der jährlich frisch hinzukommenden Menge entspricht, die man ja auch wieder loswerden muss. Bei einer Halbwertszeit des Mülls von 30 Jahren wird das Handgelenk mal Pi die sechzigfache Jahresmenge sein, weil das dreissigfache der Jahresmenge in dreissig Jahren zerfällt (Definition der Halbwertszeit) und in dreissig Jahren wieder ebensoviel dazukäme (30 mal die jährlich neu erzeugte Menge). Je langlebiger das Zeug, desto schlimmer die Akkumulation. Je kurzlebiger, desto höher die spezifische Aktivität und desto schwieriger die Handhabung.
Bei langlebigen Nukliden (Halbwertszeit hunderte Jahre und länger) baut sich das Zeug im Verlauf eines Menschenlebens überhaupt nicht mehr wesentlich ab. Dann hat man de facto das gleiche Problem wie mit den Schwermetallen im Klärschlamm - irgend wann ist der Boden voll und dann hat man statt einem Problem plötzlich zwei, nämlich vergiftete Böden und nach wie vor das Klärschlammproblem (wohin damit?), da ja die Produktion nicht aufhört.

Das ist wirklich so, wie wenn sich jemand ein Zimmer seines Hauses ums andere mit Müll füllt, um die Kehrichtentsorgungsgebühr zu sparen.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Benutzeravatar
emil17
Beiträge: 11096
Registriert: Di 21. Sep 2010, 08:07
Wohnort: In der Schweiz da, wo die Berge am höchsten sind

Re: Asse-Desaster

#92

Beitrag von emil17 » Mo 28. Jan 2013, 13:54

Manfred, ich rechne gar nicht gewichtsmässig mit reinem Cs137: Du hast ja selbst ausgerechnet, dass die 85E15 Bq etwa 27 Kilo reines Cs137 sind.
Wenn ich einen Kubikmeter hochaktiven Müll zu 10 t und eine Aktivität davon von 1E17 Bq/m3 annehme, dann wären das in Kilo Cs 137 ausgedrückt 26.6 kg *1E17/85E15 kg Cs 137 in 10t Material, also 32 kg reines Cs137 in 10 t, mit anderen Worten

der hochradioaktive Müll mit dem ich rechne und den die Quelle in der wiki nennt, ist etwa 300 mal weniger aktiv (bezogen auf das Gewicht) als Cs-137.

Da aber sowieso mit Bq, also Zerfällen pro Zeiteinheit, gerechnet wird, ist es eigentlich ziemlich egal ob das nun 32 kg Cs-137 in 9,9 tonnen Eisenschrott sind oder in Schwerbeton (womit man dann aber nicht auf 10t pro Kubikmeter kommt, d.h. mit der Annahme " bereits einbetoniert und Beton mitgewogen" hätte man die dreifache Gesamtaktivität), oder entsprechend mehr eines anderen langlebigeren Nuklids mit geringerer spezifischer Aktivität.
Ich gehe auch davon aus, dass die Halbwertszeiten der endzulagernden Stoffe grösser als zehn Jahre sind, weil die Brennstäbe ja zuerst einige Jahre in Abklingbecken und dann noch in anderen Zwischenlagern rumliegen, bevor sie überhaupt zur Wiederaufbereitung kommen.
Wenn man andersrum rechnet, 450 t pro Jahr abgebrannte Brennstäbe in Deutschland, und annimmt, dass in Deutschland etwa ähnlich viel Brennstäbe pro installierter Leistung anfallen wie anderswo, dann wäre die global jährlich anfallende Menge an alten Brennstäben 450 t * 360 GW/12.7 GW = 12'700 t, also ziemlich genau die 12'000 t pro Jahr, mit denen ich gerechnet habe.
Quelle (in D Anfang 2011 12.7 GW am Netz, global 360 GW)
(vermutlich sind die 12'000t sowieso eine Hochrechnung nach gleichen Überlegungen, denn ich glaube nicht, dass die Chinesen und Iraner genaue Zahlen darüber publizieren).
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Benutzeravatar
emil17
Beiträge: 11096
Registriert: Di 21. Sep 2010, 08:07
Wohnort: In der Schweiz da, wo die Berge am höchsten sind

Re: Asse-Desaster

#93

Beitrag von emil17 » Di 29. Jan 2013, 12:55

:kaffee: ???
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Manfred

Re: Asse-Desaster

#94

Beitrag von Manfred » Di 29. Jan 2013, 14:11

Eine der Glaskokillen im Castor enthält ca. 500 kg.
Die durchschnittliche Aktivität einer frischen Kokille liegt bei 1,4 x 10 hoch 14 Bq Alphastrahlern und 2,8 x 10 hoch 16 Bq Gamm- und Betastrahlern.
Die neueren Castoren enthalten je 28 Kokillen.
In Gorleben sollen ca. 100 Castoren stehen.
Wären also ca. 100 x 28 x 0,5 Tonnen = 1400 Tonnen mit je ca. 5 x 10 hoch 16 Bq (ein der der Kurzlebigen ist ja in den älteren Behältern schon abgeklungen, also eher weniger).
1 x 10 hoch 17 aufwärts hast du evtl. irgendwo in den Abklingbecken der Reaktoren.

Die frisch befüllten Castoren heizen sich durch die Aktivität auf eine Temperatur von ca. 400 °C auf.
Nach 20 bis 30 Jahren Standzeit im Zwischenlager haben sie noch ca. 200 °C.
Man kann also davon ausgehen, dass sich die Aktivität in der Zwischenlagerzeit mehr als halbiert (bei 400 °C gibt so ein ding ja proportional viel mehr Wärme ab als bei 200 °C .
D.h. zur Enlagerung stünden dann ca. 1400 Tonnen mit je ca. 2 x 10 hoch 16 Bq an.
Lass es insgeamt das Doppelte werden, mit dem Zeug, dass noch neu anfällt oder irgendwo an den Kraftwerken oder in der Wiederaufbereitung steht.
Von 1970 bis 2020 sind 50 Jahre.
2800 Tonnen / 50 wären knapp 60 Tonnen hochaktiver Müll pro Jahr.
Dazu kommt halt der ganze Müll mit gernigerer Aktivität.

Benutzeravatar
emil17
Beiträge: 11096
Registriert: Di 21. Sep 2010, 08:07
Wohnort: In der Schweiz da, wo die Berge am höchsten sind

Re: Asse-Desaster

#95

Beitrag von emil17 » Di 29. Jan 2013, 15:06

Danke für die Zahlen. (endlich!)
Ich komme aber mit meiner Mittelschulmathematik immer noch zu einem erschreckenden Ergebnis:

Eine Verstrahlungskarte von Tschernobyl (http://mueller-moskau.livejournal.com/49676.html, unten) weist eine Zuordnung zur
Sperrzone aus für Belastungen von> 40 Ci/km2 aus dem Zerfall von Cs137

Das wären >= 40 * 3.7E10 Bq Cs137/10E6 m2 == 40 * 3.7 E 4 Bq/m2 --> 1.48 MBq/m2.
Wenn ich mit Deinen Zahlen rechne, könnte man mit der Menge des zu entsorgenden deutschen Atommülls bei gleichmässiger Verteilung in die Biosphäre:
1400 Tonnen zu 5E16 Bq pro Tonne /1.48 E6Bq/m2 --> 4.73E13 m2 = 47 Mio km2 (siebenundvierzig Millionen Quadratkilometer) in eine Sperrzone verwandeln.

Du hast ja nur mit dem Deutschen Atommüll gerechnet? Oder liegen da in Gorleben noch Behälter mit Atommüll aus dem Ausland rum?
Das ist reichlich das 132fache der Fläche der Bundesrepublik, die diesen Müll erzeugt hat.
Global dürfte es mindestens das zwanzigfache dieser Menge an Atommüll sein und die anderen wollen dann natürlich auch verklappen (pardon, kontrolliert verdünnt in die Umwelt einbringen).
Dafür ist aber die Erde um einiges zu klein, weil die gesamte Landfläche nur 150 Millionen Quadratkilometer beträgt.
Ich weiss, nicht aller Müll ist Cs-137 und Du willst ja im gesamten Meer verdünnen, aber ich halte das aufgrund dieser Hochrechnung nicht wirklich für eine gute Idee. Ausserdem muss das Zeug ja über die Oberfläche eingebracht werden, die Rechnung über die Fläche ist deshalb nicht einfach absurd.

Vermutlich ist dieses Missverhältnis um viele Grössenordnungen auch der Grund, warum sich selbst die Atomlobby nicht auf die Idee der kontrollierten Verteilung in der Biosphäre einlassen will. Die hätten ja alles Interesse daran, das Zeug einfach mal loszuwerden. Ethische Gründe kommen da nicht in Frage, denn Wiederaufbereitungsanlagen wie Sellafield lassen ja gewollt regelmässig Radioaktivität ins Meer ab:
"Vor allem die Wiederaufarbeitungsanlagen sind wegen ihrer Einleitungen von radioaktiven Stoffen in die Irische See umstritten. Die Kontamination der unmittelbaren Umgebung von Sellafield wird in manchen Quellen mit der der gesperrten Zone um Tschernobyl verglichen, was sich auch in staatlichen Protesten u. a. aus Irland und Norwegen widerspiegelt."
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Manfred

Re: Asse-Desaster

#96

Beitrag von Manfred » Di 29. Jan 2013, 15:31

Beim Vorschlag der Verteilung geht es ja nicht um ein Verteilung auf einer Fläche, sondern in ein Volumen. Und auch nicht um eine konzentrierte Einleitung an einer Stelle. Und auch nicht um die gesamte Menge, sondern um das langlebige Zeug.
Aber da kommen wir so oder so auf keinen gemeinsamen Zweig. ;)

Benutzeravatar
emil17
Beiträge: 11096
Registriert: Di 21. Sep 2010, 08:07
Wohnort: In der Schweiz da, wo die Berge am höchsten sind

Re: Asse-Desaster

#97

Beitrag von emil17 » Di 29. Jan 2013, 16:11

Manfred hat geschrieben:Beim Vorschlag der Verteilung geht es ja nicht um ein Verteilung auf einer Fläche, sondern in ein Volumen. Und auch nicht um eine konzentrierte Einleitung an einer Stelle. Und auch nicht um die gesamte Menge, sondern um das langlebige Zeug.
Wenn wir da noch einen Faktor hundert zu deinen Gunsten einrechnen (99% der Aktivität sei kurzlebig - was kurz heisst ist eine andere Frage, für mich sind 30 Jahre schon lang, aber seis drum) - dann würdest Du für die Entsorgung trotzdem noch das 1.3fache der Fläche der BRD verbrauchen - immer noch unmöglich. Ich sage ja, das passt um viele Grössenordnungen nicht.
Manfred hat geschrieben:Aber da kommen wir so oder so auf keinen gemeinsamen Zweig. ;)
Deswegen werden wir uns trotzdem respektieren.

Bis zum rechnerischen Nachweis der Plausibilität der Ungefährlichkeit halte ich am Gegenteil fest. Der steht noch aus. Zahlen und Indizien sprechen stark dagegen.

Hätte ich keinen naturwissenschaftlich-technischen Hintergrund, sondern einen naturphilosophischen, käme ich viel direkter zum gleichen Schluss: Man soll das, was die Wiege allen Lebens war und ist, nicht als Müllhalde missbrauchen.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Benutzeravatar
fuxi
Förderer 2019
Förderer 2019
Beiträge: 5900
Registriert: Di 3. Aug 2010, 10:24
Wohnort: Ruhrgebiet, Klimazone 8a
Kontaktdaten:

Re: Asse-Desaster

#98

Beitrag von fuxi » Di 29. Jan 2013, 16:15

emil17 hat geschrieben:
Manfred hat geschrieben:Beim Vorschlag der Verteilung geht es ja nicht um ein Verteilung auf einer Fläche, sondern in ein Volumen. [...]
[...] dann würdest Du für die Entsorgung trotzdem noch das 1.3fache der Fläche der BRD verbrauchen - immer noch unmöglich. Ich sage ja, das passt um viele Grössenordnungen nicht.
Ohne mich jetzt in den Rest einzumischen, aber:
Der Unterschied zwischen Fläche und Volumen ist dir geläufig, oder? :hmm:
Aktuell redet ihr um eine komplette Dimension aneinander vorbei.
We have normality. Anything you still can’t cope with is therefore your own problem.

Manfred

Re: Asse-Desaster

#99

Beitrag von Manfred » Di 29. Jan 2013, 16:17

Ich hab doch eingangs vorgerechnet, wie es sich bei einer Verteilung auf das Volumen der Ozeane verhält.
Das Problem mit dem Tschernobyl-Cäsium ist halt, dass es sich in der allerobersten Bodenschicht hält und zudem bevorzugt vom Körper in die Knochen eingebaut wird. Würde es sich bis in 100 m Tiefe verteilen, wäre das Problem längst keines mehr.

Manfred

Re: Asse-Desaster

#100

Beitrag von Manfred » Di 29. Jan 2013, 17:08

Weil es gerade so unschön passt:
http://www.focus.de/finanzen/news/finan ... 08215.html

Und wieder war das Volk verarscht.
Bei der neuen Sondersteuer für Solar-, Wind- und Biogasanlagenbetreiber wird aber bestimmt alles richtig gemacht... Da geht es schließlich um Otto Normalverbraucher, den man abkassieren will. Wäre ja auch eine Frechheit, wenn man den Leuten die zugesagte Einspeisevergütung wirklich auszahlen würde.
Aber wir Landwirte kennen das Spiel ja seit Jahrzehnten. Es gibt neue Auflagen, die die Importware nicht einhalten muss. Also wird ein Teil der Mehrkosten durch Ausgleichszahlungen kompensiert, um die Proteste in Grenzen zu halten. Und ein paar Jahre später weiß dann beim Staat keiner mehr, wofür die Ausgleichszahlungen waren und man muss neue Auflagen schaffen, um die Weiterzahlung der eh schon gekürzten Gelder zu rechtfertigen...
Wieso sollte es Bioenergieerzeugern anders gehen. Der Staat bleibt brav bei seiner Masche. Wer sich in seiner Planung auf staatliche Zusagen verlässt, der verliert.

Antworten

Zurück zu „Der Dorfschreier“