Tanja hat geschrieben:
emil17 hat geschrieben:Zur Abschaltung und zu Fragen der gesellschaftlichen Konsequenzen der ganzen Sache hat er sich ja hier nicht geäussert.
Das ist ja auch nicht Thema dieses Threads.
Eingangs gings um die Asse, dann ums Endlagern insgesamt und schließlich um mögliche Alternativen. Die Leute, die in diesem Thread ihre Grundeinstellung betont haben, gehen halt emotional an das Thema heran und haben daher ganz andere Präferenzen. Aber, mal ehrlich, was nützen die in diesem Kontext? Auch wenn Emotionen wie Angst, Entsetzen und Wut über die allgemeine Lage einen antreiben können, Lösungen findet man durch sie nicht. Wie heißt es doch so schön: "Zorn ist ein guter Motor, aber ein schlechtes Steuerrad".
Und wie heisst es wohl auch: "Bevor man sich ans Steuer setzt, sollte man wissen, wohin man will"
Insofern ist es sehr wohl Thema dieses Threads.
Damit wir uns hier nicht auf ewig im Kreise drehen:
Die Suche nach technischen Lösungen für ein Müllproblem liefert nur Lösungen auf dem Niveau "wir brauchen bessere Müllmänner". Das kann es aber nicht sein, denn verantwortlich für den Müll sind die, welche ihn verursachen und nicht die, die ihn haben. Das zweite nennt sich Littering.
Spätestens wenn das Problem erkannt ist, sollte man deshalb damit aufhören, weiteren Müll dieser Art zu erzeugen. Das ist noch keine Lösung, aber eine Voraussetzung für eine Lösung.
Was folgt, hat nur mit Technikfolgenabschätzung auf rationaler Basis zu tun, nicht mit Emotionen:
Wenn es darum geht, eine wie auch immer geartete technischen Lösung für die Beseitigung von A-Müll zu bewerten, dann soll man:
1. abschätzen, was das für Konsequenzen hätte, wenn es so funktionieren würde, wie man sich das angedacht hat.
Konkret: Die vorhandene Menge gleichmässig ins Meer verteilt (wenn es denn gelänge) würde welche Strahlenbelastung für welchen Zeitraum bedeuten?
2. Da das Meer ein Ökosystem ist und nicht ein leerer Raum, ist zudem zu bewerten, was das für das Ökosystem bedeutet. Hier verlange ich, dass man nichts tut, was irreparabel ist, d.h. eine solche Lösung wäre wenn überhaupt erst nach dem Beweis, dass es unschädlich ist, zulässig. Anders gesagt, welche Kollateralschäden entstehen dadurch und sind sie tragbar, und wer hat sie zu tragen?
3. Erst jetzt stellt sich die Frage, wie das ganze technisch machbar ist, d.h. mit welchem Aufwand muss man rechnen, um das Verfahren (in diesem Falle die kontrollierte Verklappung) ins gesamte Meer durchzuführen.
4. ist zu prüfen, mit welchen Unfallfolgen zu rechnen ist, wenn das gemacht wird, weil auf dem Papier manches funktioniert, was in der Praxis dann eben nicht immer so ist, und ob diese Folgen tragbar sind.
Wenn jemand die feinverteilte kontrollierte Ausbringung von A-Müll ins Meer befürwortet, dann soll er mindestens auf diese Fragen eintreten.
Das ist die technisch-rationale Komponente.
Sie liefert bestenfalls Zahlen im erwiesenermassen grünen Bereich, eine ausreichende Rechtfertigung, dass man es also tun soll, bloss weil es rechnerisch zu gehen scheint, ist es noch lange nicht.
Erspart hätte uns die ganze Bredouille eine andere, nicht technische Art der Beurteilung, nämlich der Umgang mit und unser Verhältnis zu der Umwelt.
Die bequeme Auffassung, wonach Kernenergie ein Problem ist und die Entsorgung des daraus entstehenden Mülls ein anderes, hat in diese Sackgasse geführt, nämlich dass man AKWs betrieben hat und weiterhin betreibt ohne sich um alle Konsequenzen zu kümmern. Man sollte deshalb nicht den Fehler machen, die Lösung auch nur auf dieser Ebene zu suchen.
Aus der Einsicht heraus, dass man diese beiden Komponenten nicht trennen darf, wird jede Genehmigungsbehörde bei der Zulassung für Waschmittel oder Herbizide zu Recht vom Produzenten,
nicht von der Gesellschaft, den Nachweis verlangen, dass das Zeug, nachdem es getan hat, wofür es eingesetzt wurde, biologisch abbaubar oder inert ist. Bei der Kernkraft geschieht das nicht. Um beim Vergleich mit dem neuen Waschmittel zu bleiben, es wird jedem zwangsverschrieben, der etwas waschen will, und wenn dann die Gewässer vergiftet werden heisst es, ihr wolltet ja waschen und habt es ja eingesetzt, also kümmert ihr Euch darum. Damit bezieht man dann sogar diejeinigen mit ein, die das Produkt gar nicht konsumiert haben.
Bei der Kernkraft ist das besonders tragisch, bei chemischen Produkten konnte man sich bisher immer irgendwie um die Konsequenzen herummogeln, weil sich das Zeug ja dann irgendwie doch ausreichend verdünnt oder abbaut.
Mit physikalischen Rechnungen kann man immer nur die technische Machbarkeit und die technischen Konsequenzen von irgendwas berechnen. Ob man es tun soll, ob es zulässig oder sogar sinnvoll sei ist eine Frage, die sich anders beantworten muss,
und die sich vorrangig stellt.
Zurück zum Start und nochmal von vorn geht leider nicht. Der Müll ist da. Lagern ist ein Murks, einbringen in die Biosphäre meiner Meinung nach der noch schlimmere (dafür gibt es vermutlich technische Gründe, es gibt sicher viele biologische Gründe, es gibt ethische, es gibt rechtliche, und es gibt die vielfach wiederholte Erfahrung von tausenden unfreiwilliger Versuchspersonen, die ionisierender Strahlung ausgesetzt wurden).
Wenn ein Experte ausrechnet bzw. plausibel machen kann und eine Behörde anordnet, dass eine Belastung einer Person mit 1mSv/Jahr noch unbedenklich sei (
Quelle), dann heisst das noch lange nicht, dass mich jemand ungefragt mit 1mSv pro Jahr behandeln darf.
Kernkraft ist untrennbar mit Atommüll verbunden. Man hat sich offenbar in eine Sackgasse gefahren. Statt umzukehren, tut man was? Man gibt Gas und hofft, dass es vielleicht doch keine Sackgasse ist. Das hat mit vorausschauender Planung und Verantwortung nichts zu tun, der Volksmund würde es weiterwurschteln nennen.
Bei uns gibt es jedes Jahr ein paar tödliche Bergunfälle, wo jemand mit unpassender Ausrüstung und "mal eben schnell", also ohne warme Kleidung usw. eine Hochgebirgstour macht und dann in einen Wettersturz kommt. Wenn die Bergrettung wegen Nebel oder Sturm nicht kommen will (weil das Leben der Retter gefährdet wäre) gibt es dann oft eine Klage seitens der Angehörigen der Opfer wegen unterlassener Hilfeleistung. Dass man vorher den Wetterbericht lesen oder wenigstens passende Ausrüstung mitnehmen könnte, kam den Leuten offenbar nicht in den Sinn, aber haften sollen dann irgendwelche anderen. Der Vergleich zur Atomtechnologie hinkt nur deswegen, weil hier nur die Opfer die Folgen ihres Leichtsinns zu tragen haben.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.