Neues Schuldenhoch in der deutschen Landwirtschaft

Meldung des Tages
Manfred

Neues Schuldenhoch in der deutschen Landwirtschaft

#1

Beitrag von Manfred » Di 18. Sep 2012, 14:43

Die Agrarpresse jubelt. Es gäbe keine Kreditklemme in der deutschen Landwirtschaft.
In den letzten 3 Jahren sei das Kreditvolumen der deutschen Land- und Forstwirte laut Zahlen der Deutschen Bundesbank um 30% auf knapp 45 Mrd. Euro gewachsen.

Herzlichen Glückwunsch, kann man da nur sagen.
Und man darf es natürlich auch anders, also weniger freudig sehen.
Wir haben 2011 die Zahl von 300.000 landwirtschaftlichen Betrieben in D unterschritten.
Jeder dieser Betriebe ist im Mittel mit 150.000 Euro verschuldet.
Wenn das kein Grund zum Jubeln ist.

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Spencer
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Re: Neues Schuldenhoch in der deutschen Landwirtschaft

#2

Beitrag von Spencer » Di 18. Sep 2012, 16:26

Dann wartet der Bauer auf die kommende große Inflation und geht dann mit einem Sack Roggen zur Bank und sagt "..hier, ich wollte meinen Kredit auslösen, das Rest Korn könnt ihr in Euer Müsli tun !" :lol:

So ist das halt. Hast Du Schulden, bist Du wer... oder so.

Ich kannte einen Landwirt der sich nach der Wende mit seinen alten Russentreckern geqüält hat, die Nachts noch repariert wurden damit die am nächsten Tag wieder einsatzfähig waren. Und auf's Feld ging es mit dem alten Lada Niva usw.
Dann hat er mal einen Bauer aus den alten Bundesländer gefragt, wie der das denn macht.. Er hat so schöne neue Technik und so'n fetten Geländewagen.
Na Schulden musst Du machen. Ist doch egal. Zurückzahlen kannst Du das eh nie. Aber Du arbeitest angenehmer....

Na ja, wenn das der Sinn ist ?
Schön abhängig machen von den Banken und die verdienen sich dumm und dämlich an den Zinsen. Aber ohne geht es wohl nicht. Traurig, traurig...

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Wayan
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Re: Neues Schuldenhoch in der deutschen Landwirtschaft

#3

Beitrag von Wayan » Di 18. Sep 2012, 17:17

Spencer hat geschrieben:Dann wartet der Bauer auf die kommende große Inflation und geht dann mit einem Sack Roggen zur Bank und sagt "..hier, ich wollte meinen Kredit auslösen, das Rest Korn könnt ihr in Euer Müsli tun !" :lol:
Das kann aber auch böse nach hinten losgehen. :sauenr_1:
Nicht umsonst ist das Kleingedruckte in den Kreditverträgen für Normalsterbliche absolut unverständlich. Im Fall der Fälle lesen die Banker aus dem Vertrag, was immer sie gerade brauchen.

Zum Beispiel wird der Kredit aus diesen und jenen Gründen fällig gestellt. Der Landwirt kann in Situationen, wo es eh schon zwickt in den seltesten Fällen zahlen. Und schon schnappt sich die Bank die Sicherheiten (Hof, Flächen, Technik).
Mit diesen Sachwerten sitzt sie dann die Inflation aus und macht danach das dicke Geschäft, und zwar flächendeckend. :pfeif:

Ich würde niemandem empfehlen seine Existenz an derartige Spekulationen zu hängen.
Banker sind zwar meistens alles andere als sympatisch, aber doof sind sie auch nicht. :hmm:

Großbanken sind Konzerne mit ausgeklügelten Menschen- und Unternehmer-Ausquetschmethoden. Dagegen kommt kaum einer an.
Und auch Genossenschaftsbanken sind nicht dazu da, dem Landwirt ein sorgenfreies Leben zu bereiten. Auch die wollen nur dein Bestes. :lol:

:kuuh: :kuuh: :kuuh:
Alle sagten: Das geht nicht. Da kam einer, der wußte das nicht und hat´s einfach gemacht.

Manfred

Re: Neues Schuldenhoch in der deutschen Landwirtschaft

#4

Beitrag von Manfred » Di 18. Sep 2012, 17:38

Da ist schon was dran.
Es gab doch immer diese Schuldnerberater-Sendung auf RTL.
Minusbeträge auf dem Konto, die nie mehr abzuszahlen waren, aber riesen Haus, teure Möbel, Protzkarre... Solange die Banken den Großteil der Zinsen bekommen, drehen sie den Hahn nicht zu. Haben im Nachbardorf auch so einen. Fotoladen. Ständig kurz vor oder schon in der Zwangsversteigerung. Aber immer einen dicken, neuen Benz fahren.
Solange man mit der Masche durch kommt...

Betriebliche Investionen stehen zumindest teilweise auf einem anderen Blatt. Bei mittelprächtigen Biogasanlage + den nötigen Maschinen sind 2 oder 3 Milliönchen schnell investiert.
Oder ein Milchviehstall. Da baut ein paar Orte weiter auch gerade einer für eine Million.

Dann hängt man aber auch drin, solange die Kredite laufen. Egal was die Marktpreise machen. Wenn ich bei jedem Liter Milch 2 Cent draufbezahle, muss ich trotzdem weiter Melken, um die Kredite für den Stall abstottern zu können, weil der Stall samt der eingebauten Technik anders nicht zu verwerten ist.

Mir war und ist es wichtig, meinen Betrieb schuldenfrei zu halten. Wenn ich aus gesundheitlichen oder betriebswirtschaftlichen Gründen dem Betrieb den Stecker zeihen muss, dann kann ich meine Tiere und Maschinen verkaufen und die Flächen verpachten und bin ein freier Mann.
Milchviehhaltung kann ich so allerdings nicht betreiben. Das nötige Eigenkapital für kreditfreie Wachstumsschritte in dem Bereich würde ich nicht zusammen bekommen. Da fehlen die 50 Jahre stetiges Wachstum mit Eigenkapitalbildung, die andere Betriebe hinter sich haben. Die Landwirtschaft hat ja nicht ohne Grund den höchsten Kapitaleinsatz pro Arbeitsplatz.
Als Kleiner kann man sich da nur eine Nische suchen, wenn man keinen Erbonkel hat oder den ewigen Kreditstrudel nicht mitmachen will.

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Wayan
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Re: Neues Schuldenhoch in der deutschen Landwirtschaft

#5

Beitrag von Wayan » Sa 27. Okt 2012, 11:39

emil17 hat geschrieben:Man haftet mit seinem ganzen Vermögen für seine Schulden. Grundpfand bedeutet, dass im Falle der Insolvenz der Gläubiger die Immobilie erhält, um aus dem Verkauf bevorzugt seine Schuld zu begleichen. Wenn der Verkaufserlös die Hypothekarschuld übersteigt, gehört der Überschuss dem Schuldner. Ein Verkaufsüberschuss wird jedoch kaum je erzielt, weil der erzeilte Verkaufspreis der Bank bei der Zwangsverwertung regelmässig egal ist, wie hoch der Verkaufserlös ist, wenn nur sie genug bekommt.
Ohne Grundpfand würde die Immobilie in die Konkursmasse gehen und die Bank wäre den anderen Schuldnern gleichgestellt.
Wenn der Erlös aus der Immo nicht ausreicht, die Hypothek zu decken, ist der Restbetrag nach der Zwangsverwertung nach wie vor geschuldet.
Was ich aus dieser Geschichte lerne, ist, dass der Grundpfandgläubiger das Grundpfand nicht verwerten muss, wenn er nicht will.

Kommt die Bank übrigens irgendwann zum Schluss, der Verkehrswert (Marktwert im freien Verkauf) der Immobilie sei niedriger als die Hypothek, kann diese von der Bank gekündigt werden, egal ob die Zinsen bedient wurden oder nicht - mal das Kleingedruckte lesen. Kommt der Gläubiger zum Schluss, die Bank sei marod, kann er die Hypo nicht einseitig kündigen. Die Bank kann auch nach Belieben die Hypothek an eine andere Bank weiterverkaufen. Der Schuldner kann die Immobilie nicht ohne Einwilligung der Bank weiterverkaufen bzw. die Bank kann die Hypothek kündigen, wenn ihr der neue Eigentümer nicht passt.
Solche Bankverträge sind immer asymmetrisch zugunsten der Bank - wer glaubt, man kriegt von der Bank etwas umsonst, der täuscht sich gewaltig. Dazu kommt, dass jede Bank einen Stab von spezialiserten Juristen hat, während der Kunde regelmässig juristisch unbedarft ist und der Bank bzw. ihren Angaben vertraut.
Das Zitat ist aus einem anderen Faden, aber es trifft den Nagel auf den Kopf!

Bei einer Inflation steigen immer zuerst die Preise und erst dann, viel später die Einkommen. So hat man u.U. Millionen in der Tasche, kann aber keineswegs wie ein Millionär im eigentlichen Sinne "einkaufen" :hmm:
Alle sagten: Das geht nicht. Da kam einer, der wußte das nicht und hat´s einfach gemacht.

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Re: Neues Schuldenhoch in der deutschen Landwirtschaft

#6

Beitrag von Theo » Sa 27. Okt 2012, 15:13

Wayan hat geschrieben:Das Zitat ist aus einem anderen Faden, aber es trifft den Nagel auf den Kopf!

Bei einer Inflation steigen immer zuerst die Preise und erst dann, viel später die Einkommen. So hat man u.U. Millionen in der Tasche, kann aber keineswegs wie ein Millionär im eigentlichen Sinne "einkaufen" :hmm:
Und was hat das mit dem Zitat zu tun?
Gruß
Theo

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Re: Neues Schuldenhoch in der deutschen Landwirtschaft

#7

Beitrag von Wayan » Mo 29. Okt 2012, 14:08

Theo hat geschrieben:
Wayan hat geschrieben:Das Zitat ist aus einem anderen Faden, aber es trifft den Nagel auf den Kopf!

Bei einer Inflation steigen immer zuerst die Preise und erst dann, viel später die Einkommen. So hat man u.U. Millionen in der Tasche, kann aber keineswegs wie ein Millionär im eigentlichen Sinne "einkaufen" :hmm:
Und was hat das mit dem Zitat zu tun?
In einem Beitrag (und auch im Tagesgespräch) wird die Auffassung vertreten, dass ein Kredit garnicht schlecht sein müsse - etwas Inflation und schon zahlt man mit einem Lächeln zurück.

Dein Beitrag beleuchtet das Vorgehen der Bank sehr schön.
Alle sagten: Das geht nicht. Da kam einer, der wußte das nicht und hat´s einfach gemacht.

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Re: Neues Schuldenhoch in der deutschen Landwirtschaft

#8

Beitrag von AlterSchwede » So 4. Nov 2012, 21:28

Ein Hoher Schuldenstand drückt vor allem Eines aus: Abhängigkeit - Verlust an Entscheidungsspielraum.

Denn nicht einmal in Zeiten in denen Geld weltrekordverdächtig geschöpft wird ist tatsächlich klar daß es überhaupt sowas wie Teuerung (man beachte den Unterschied zu Inflation!) gibt - und auch keineswegs sicher daß man die Schulden mal locker-flockig für´n Appel und ein Ei ablösen können wird.
Man könnte es sogar noch drastischer Formulieren: Das Vorhandensein von Schulden selbst ist sogar ein Garant für Geldwertstabilität.

Wie kommt der Schwede denn auf sowas verrücktes? Na jetzt denken wir uns mal zwei Leute - Einen bei dem die Hypothek bis über die Dachrinne reicht - und einen mit etwas Ersparten. Wer von den Beiden wird weiterhin auch zu schlechteren Reallohnverhältnissen in die Fabrik zum malochen gehen um irgendwelche Produkte für den Markt zu produzieren?
Der Schuldner hat die Wahl: Arbeiten und den Markt mit billiger Arbeitzseit und folglich mit billigen Produkten versorgen - oder Dach über´m Kopp weg.
Der Nicht-Verschuldete könnte z.B. sagen: Ich pack meine 250.000€ und geh nach Thailand die Widerstandskraft meiner Leber austesten...

Hohe Verschuldung in der LwS ist also nix anderes als ein Garant für weiterhin billige Lebensmittel... also ein Stückerl Lebenskraft für die Geldwertstabilität trotz Inflation (Geldmengenausweitung).

Echte Inflation i.S.v. Teuerung hätten wir erst wenn sich abzeichnen würde daß die Schuldner endgültig ihre Verpflcihtungen nicht mehr bedienen können. Na klingelst wenn ich jetzt noch das Wort Griechenland in den Raum rotze?
So lange auch nur im entferntesten glaubhaft ist daß Schulden später mal irgendwie bedient werden - so lange funktioniert das Spielchen. Das Lustige ist dabei eigentlich nur daß hier der politische Imperativ mächtiger ist als der gesunde marktwirtschaftliche Menschenverstand.

Die Gefahr für uns in unserer Eigenschaft als Geldanleger wie auch Schuldner besteht darüber hinaus halt darin daß Politiker nicht nur zu Überraschungen gut sind - sondern auch Gesetze erlassen können welche wiederum die Gesetze des Marktes außer Kraft oder auf den Kopf stellen.
Ob es im Fall der Fälle zu einer Entlastung von Schuldnern kommt wage ich indes zu bezweifeln. Viel verlockender ist es doch für die Politik die bestehende Abhängigkeit aufrecht zu erhalten. Im Falle eines Währungscrashs wird dann halt nach Gutdüngten ein Gesetz erlassen das die spätere Umrechnung von Alt-Verbindlichkeiten regelt.
Man vergleiche mal 1923 mit 1955/1948 und 1990/91.
Alles ist möglich wenn Politik sich was davon verspricht. Sogar ein 1:1 bzw. 2:1-Umtausch von M-Ost in DM-West obwohl der Markt das Verhältnis mit 4:1 bewertet hat...
Lesenswert auch für nicht-religiöse Gläubige: [url]http://www.giordano-bruno-stiftung.at/?p=1337[/url]

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Re: Neues Schuldenhoch in der deutschen Landwirtschaft

#9

Beitrag von Theo » So 4. Nov 2012, 22:21

AlterSchwede hat geschrieben:Echte Inflation i.S.v. Teuerung hätten wir erst wenn sich abzeichnen würde daß die Schuldner endgültig ihre Verpflcihtungen nicht mehr bedienen können. Na klingelst wenn ich jetzt noch das Wort Griechenland in den Raum rotze?
Also da werden jetzt eine Menge Sachen durcheinandergebracht.
1. Jeder weiß, dass Gr. niemals seine Schulden zurückzahlen wird. Deshalb bekommen die auch kein Geld mehr am Markt, sondern nur neu gedrucktes von der EZB.
2. Es gibt keine echte und unechte Inflation, sondern momentan eine unterschiedliche Entwicklung von Verbraucher- und Vermögenspreisen (Immobilien etc.). Je mehr Geld gedruckt wird, umso eher steigen auch die Verbraucherpreise stärker.
Gruß
Theo

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Re: Neues Schuldenhoch in der deutschen Landwirtschaft

#10

Beitrag von Spencer » Mo 5. Nov 2012, 20:59

Im Falle eines Währungscrashs wird dann halt nach Gutdüngten ein Gesetz erlassen das die spätere Umrechnung von Alt-Verbindlichkeiten regelt.
:( das befürchte ich auch....

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