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Ethikfrage-Wissen um den Tod

Verfasst: Di 19. Apr 2011, 23:06
von Melusine
Hand aufs Herz.
Würdet Ihr wissen wollen,wenn Ihr sterbt?
Ich bin Krankenschwester.Und oft sterben Leute auf dieser Station.
Wenn Ihr so lange mit der Krankheit gekämpft oder sich der Zustand plötzlich verschlechtert-würdet Ihr die Wahrheit wissen wollen-oder lieberberuhigt werden?
So manches Mal werde ich gefragt.
Normalerweise entscheide ich aus dem Bauch herraus.
Nichts nimmt ein Mensch schwerer,als das Gefühl nicht ernst genommen zu werden.
Und alle anderen wissen mehr als man selbst....
fragende Grüße,Melusine :schaf_1:

Re: Ethikfrage-Wissen um den Tod

Verfasst: Di 19. Apr 2011, 23:34
von kraut_ruebe
schwierige frage :hmm:

ich würds wissen wollen, aber in der theorie redet es sich immer leicht. 'veronika beschliesst zu sterben' von coelho fällt mir dazu ein :hmm:

ich wünsch dir, dass du in den zeiten in denen du dir solche fragen stellst, nicht mit der verantwortung dafür alleingelassen bist.

Re: Ethikfrage-Wissen um den Tod

Verfasst: Mi 20. Apr 2011, 00:12
von Hildegard
ich glaube, dass die meisten Menschen in der betreffenden Situation sowieso "wissen" was los ist.Ich würde dem "Sterbenden" als Begleitung auf jeden Fall die Wahrheit sagen, wie ich/Arzt die Lage auf Grund der Erfahrung einschätze, ABER ihm auch im gleichen Satz dazusagen, dass ER bestimmt ob dieser Weg dann auch jetzt gegangen wird. Ihm sozusagen die Entscheidungsfreiheit geben. Das ist nicht leicht, das weiß ich aus eigener Erfahrung vor einigen Wochen, als ich primär die Entscheidung zu treffen hatte meine Tochter (27) "loszulassen" oder ihr durch eine OP zumindest eine..von den Ärzten nicht mehr gesehene ...Chance zum Weiterleben zu geben. Sie hat nicht nur die OP + Pneumonie überlebt sondern auch die kurz drauf folgende 2. Attacke durch einen ziemlich bösartigen Krankenhauskeim, in deren Folge sie schon " auf der anderen Seite" weilte und "freiwillig" wieder umgekehrt ist und sich dann zum Erstaunen aller relativ schnell erholt hat. Für mich ist es am Schlimmsten, wenn man den Betroffenen voreilig jegliche Hoffnung auf Besserung nimmt. Dann geben sich viele selber auf.
Genauso schlimm ist es, wenn man sich um die Wahrheit rumdrückt und dem Kranken/Sterbenden uninformiert seinem Ende zusteuern lässt und ihm damit der Chancen beraubt, manche WICHTIGE Dinge zu Lebzeiten noch zu klären.
Die entscheidende Frage ist allerdings WIE man die Botschaft überbringt.
Hildegard

Re: Ethikfrage-Wissen um den Tod

Verfasst: Mi 20. Apr 2011, 00:24
von die fellberge
@ Hildegard- ein Alptraum und was für ein Segen, das sich alles zum Guten gewendet hat!

Ansonsten würde ich es für mich auch wissen wollen, jetzt in dieser Situation.

Ich habe ja mit hochbetagten ( man sagt nicht mehr "alt"!) Menschen gearbeitet- und da war das Ende auch oft abzusehen, es ist kein einfacher Weg- aber ihn zusammen zu gehen ist der letzte menschliche Dienst, den wir erweisen können, das im Alltag einer Station- ist aber nicht einfach!

Re: Ethikfrage-Wissen um den Tod

Verfasst: Mi 20. Apr 2011, 01:14
von Aquanaut
Hallo,

in diesem speziellen Fall würde ich lieber unwissend bleiben. Anders sieht es aus, wenn ich plötzlich erkranken würde und meine "weltlichen Dinge" noch nicht geklärt hätte, mich von meinen Lieben noch nicht verabschiedet hätte etc.

Ich weiß nicht wie viel Zeit Du für Kommunikation mit Deinen Patienten hast, aber vielleicht ist es ja möglich schon vorher, ganz beiläufig, ein paar Fragen zu stellen, die den Standpunkt des Patienten zu dem Thema klären. Auf die Schnelle würde mir die - zugegebenermaßen etwas plumpe - Möglichkeit einfallen, etwas über einen anderen (fiktiven) Patienten zu erzählen, bei dem Du vor dem Problem stehst. Den eigentlichen Patienten bittest Du sozusagen um Rat. Selbst wenn es auffällt sind Deine Patienten vielleicht trotzdem dankbar für die Brücke, die Du damit für sie gebaut hast, da es für sie möglicherweise leichter ist über Dritte zu reden.

Ich hab großen Respekt vor Menschen wie Dir, für mich wäre die psychische Belastung zu groß. Ich wünsch Dir weiterhin genug Energie um weiterzumachen.

VG Tilman

Re: Ethikfrage-Wissen um den Tod

Verfasst: Mi 20. Apr 2011, 07:21
von si001
Also ICH würde die Wahrheit wissen wollen. Ich würde wissen wollen, welche positiven und negativen Chancen ich habe. Da ich eher ein rationaler Typ bin, kann ich mit "Rumgeeier" nichts anfangen.

@Melusine: Ich denke, dass jeder Betroffene anders reagiert und man auf die Eingangsfrage keine pauschale Antwort geben kann/sollte. Auch wenn es dir jetzt nicht wirklich weiter hilft.

Re: Ethikfrage-Wissen um den Tod

Verfasst: Mi 20. Apr 2011, 09:04
von Rati
tja, wirklich eine schwierige Frage.

Ich denke selbst der beste Arzt könnte in den meisten Krankheitsfällen nicht sagen ob mensch nun sterben wird oder nicht. Nur Wahrscheinlichkeiten kann er ausgeben.
Ich denke es ist von großer Bedeutung was die betroffene Person selber empfindet und deshalb ist es auch von großer Bedeutung was ihr über ihren Zustand gesagt wird.
Die Einstellung zur Situation hat schon so manchen das Überleben oder das sterben leichter gemacht.

@ melusien: einen schweren Beruf hast du dir da ausgesucht, ich wünsche dir das du für dich einen akzeptablen Umgang findest.

Grüße Rati

Re: Ethikfrage-Wissen um den Tod

Verfasst: Mi 20. Apr 2011, 12:58
von roland
Hi,
Das is eine Frage, der mich in der Notfallmedizin auch schon begenet bin (als Sanitäter, viele Einsätze mit älteren Schwerkranken Menschen).
Und, ich kann Dir nur für mich persönlich einen Antwort geben!

Ich will wissen, was los ist. Prognosen interessieren mich, wenn sie nicht als dafinitiv und sicher angesehen werden - ich also nicht aufgegeben werde, sondern auf dem Weg begleitet - egal wo er hinführt.
Hoffnung ist ein starker Motivator - aber er ist nicht von Lügen abhängig. Auch mit "Todesprognose" kann man weiter an der Heilung arbeiten, weiter Hoffnung haben.
Wenn ich dagegen nur durch das Ausbleiben weiterer Behandlungen merke, da is was im Busch, mir aber immer erzählt wird, das alles in Ordnung ist - dann schwindet das Vertrauen!! Und das ist letztendlich schlimmer.

Aber, wie gesagt, das ist meine Meinung für mich!! Ich hab mir damals als Sani auch gesagt, ich versuche immer die Wahrheit zu sagen, im Zweifelsfall legte ich mich nicht fest, konnt mich ja auf den Arzt berufen, bin ja nur Sani ;) - aber leicht is das nicht.

Roland

Re: Ethikfrage-Wissen um den Tod

Verfasst: Mi 20. Apr 2011, 17:25
von AnamPrema
ja, wenn ein Mensch fragt,
dann ist er zumindest an dem Thema interessiert
und ich würde die Wahrheit sagen.

WIE,
das ist allerdings immer aus dem Moment heraus zu gestalten.
Wenn es jemand ganz klar wissen will, dann wird seine Frage klar ausfallen.

Viele Menschen haben Angst vor dem Tod,
weil es eben etwas absolut Neues ist, weil die Angst vor starken Schmerzen da ist
oder weil eben Dinge noch nicht erledigt sind.

Auch da kann man die Wahrheit sagen,
aber eben eher achtsam, mit kleinen Umwegen, ...
und doch Liebe-voll ehrlich.

Tja, und wenn's Dir dann so geht wie mir früher, ..........
dann reißt Dein Chefarzt Dir hinterher den "A..." auf :)
- weil er sich eben nicht getraut hat die Wahrheit auszusprechen.

Hör auf Dein Herz
sei achtsam im Moment
und ES wird richtig sein.

AnamPrema

Re: Ethikfrage-Wissen um den Tod

Verfasst: Mi 20. Apr 2011, 18:16
von Spirit
Da ist Dir wirklich schwer zu raten, denn jeder Mensch ist anders und hat andere Bedürfnisse, die noch dazu zu jeder Zeit auch wieder anders sein können.

Ich würde es gerne wissen, wie es um mich stünde.

Als mein Schwiegervater starb, wussten wir von den Ärzten, dass er es nicht schaffen würde. Er sprach mit uns und wir beruhigten ihn und sagten ihm, dass er es schaffen wird. Es war eine Lüge.

Nach seinem Tod hab ich mir oft Vorwürfe gemacht, warum wir ihm nicht die Wahrheit gesagt hatten, vielleicht hätte er uns dann noch Dinge sagen wollen, die ihm wichtig gewesen wären, dass sie noch geklärt werden. Oder dass er sich von uns verabschieden kann und umgekehrt. Ich weiss es nicht. Es bleibt das Gefühl, es falsch gemacht zu haben, obwohl ich glaube, dass man möglicherweise eh intuitiv das Richtige machen würde.

Ich finde es total traurig, dass heute über den Tod so geschwiegen wird, Menschen sterben in der Klinik, Patient Nr. XY, der "Kampf gegen den Tod" ist verloren, er ist ein Makel für die Ärzte, als nummeriertes Zeichen des Versagens der Medizin. Statt - so wie früher - ein Mensch daheim, im Kreis seiner Familie sterben darf. Sich verabschieden kann, aussprechen kann, was noch zu sagen wäre.

Ich würde es mir später für mich so wünschen. Nicht in einer Klinik ins Sterbezimmer geschoben zu werden, damit der verlorene Kampf nicht sichtbar ist für andere. Sondern daheim, mit Verabschiedung und dem Gefühl, dass nichts unausgesprochen geblieben ist.

Ich weiss aber auch, dass das nicht geht. Wir hätten unseren Schwiegervater nicht daheim sterben lassen können, er bekam keine Luft mehr - ihn da nicht in die Klinik zu führen, wäre unterlassene Hilfeleistung - und unmenschlich gewesen. Und die Hoffnung, dass ihm dort geholfen wird, ist ja da.

Ich war auch lange Zeit Sani bei der Rettung. Es ist irgendwie total in den Köpfen drin, dass man einen Menschen unbedingt davor bewahren muss zu sterben. Wenn es zu Ende geht, kommt die Rettung statt der Familie. Ich kann niemandem einen Vorwurf machen, ich würde es (auch unter rechtlichen Gesichtspunkten betrachtet) genauso machen (müssen).

Nachdenkliche Grüße
Spirit