Im Militär haben sie uns erzählt, Strahlung sei ganz natürlich und Entstrahlung sei ein Hausfrauenproblem.
Es gibt bei allem, was rein forschungsmässig faszinierend ist, den Aspekt der kommerziellen Anwendung, und da treten Sachverhalte in den Vordergrund, die im Labor schlicht irrelevant sind oder die man verdrängt, weil sie die kommerzielle Anwendung verteuern oder verbieten. Beim Auto wäre das die ganze Umgestaltung unserer Zivilisation innert Jahrzehnten, einschliesslich all der Orte wo stark befahrene bis verstopfte Strassen Ortschaften spalten. Bei chemischen Pflanzenschutzmitteln sind das z.B. chronische Vergiftungen von Erntearbeitern in Drittweltländern. Diejenigen der Kernenergie sind bekannt.
Dazu kommt, dass all der Müll in der Grössenordnung von Tausenden Tonnen pro Jahr erzeugt wird - wenn es nur ein, zwei Forschungsreaktoren wären, wäre das Problem möglicherweise überschaubar. Im Labor und an der Uni hat man in den Praktika nur kleine Aktivitäten und Substanzmengen hochaktiver Isotope im picogramm-Bereich.
Da es keine Technik gibt, die unfallfrei ist, muss man sich mit den Unfallfolgen beschäftigen, und die sind im Fall der Kernenergie untragbar. Statistisch betrachtet hat sich die Anzahl Unfälle in der Kerntechnik seit deren Einführung nicht verringert. Wenn man jeden Unfall als Kette unglücklich verknüpfter Ereignisse abtut, verkennt man das Prinzip dahinter. Die genau gleiche Geschichte gibt es bei Unfällen mit Wasserkraftwerken, nur sind dort die Folgen für die Ökosysteme vegleichsweise harmlos (Was den Betroffenen von Mattmark oder Vajont leider auch nichts hilft).
Bei Autos, Flugzeugen, Eisenbahnen hat die Gesellschaft einen Konsens, indem man eine kleine Unfallwahrscheinlichkeit in Kauf nimmt; Unfallfolgenbeseitigung und Entschädigung der Betroffenen funktioniert in der Regel gut. Bei der Kernkraft hingegen tut man so, als sei alles ein rein technisches Problem, und was passiert, wenn ein Unfall passiert (ich meine hier das, was die Behörden im Umgang mit den Betroffenen tun und nicht tun, und wie sie es tun), ist schlicht unerträglich - in Bezug auf Behandlung der Anwohner haben sich Fukushima und Tschernobyl nicht wesentlich voneinander unterschieden.
Ich erinnere mich an eine Diskussion zum Thema - da beteuerten die Betreiber, das Restrisiko sei vergleichsweise Null. Dann kommt immer das Beispiel, dass ein Berufspilot das x-Fache der Dosis erhält, die ein Bewohner nahe einem AKW bekommt. Auf die Frage aus dem Publikum, warum dann nicht alle Unfallfolgen voll versichert wären, für die ein Betreiber zivilrechtlich einstehen müsste, kam dann peinliches Schweigen oder ein komplizierter versicherungsmathematischer Erklärungsversuch. Wenn ich einen Gebrauchtwagen kaufe und mir der Händler wortreich versichert, der Wagen sei unfallfrei, das aber nicht in den Kaufvertrag schreiben will, dann lass ich die Finger von der Kiste. Und die Begründung, wenn ein AKW-Betreiber voll haften müsste, dann wäre er ruiniert, kanns ja auch nicht sein.
Ich erinnere mich noch: Bei Harrisburg hiess es, es sei ja gar nichts passiert. Disziplinarverfahren gegen irgend einen Werkmeister, irgendwas nachgerüstet und gut ist. Bei Tschernobyl - na klar die Russen, weiss man ja dass bei denen nichts funktionieren kann. Sowas kann im Westen nicht passieren.
Bei Fukushima - unglückliche Verkettung von Umständen. Dass es einen gleichen Tsunami dort schon 1896 gab und dass man vor wenigen Jahren vor der Katastrophe den maximal möglichen Tsunami runtergerechnet hat, um Kosten für eine höhere Mauer zu sparen, ist zwar nachträglich rausgekommen, aber deswegen kommt keiner in den Knast, und wenn doch würde es ja auch nichts helfen.
Diese Art von Fehler wird immer wieder passieren, weil es eben Menschen sind.
Noch ein wenig rein technisch-rechnerische Spielerei:
(kann sein, dass das Ergebnis um eine Zehnerpotenz falsch ist, ändert an der Aussage aber rein gar nichts)
Wenn ich mal hochrechne, 12000 t hochaktiver Abfall pro Jahr, nehmen wir eine Dichte von 10 t pro Kubikmeter an und eine spezifische Aktivität von 10 EE17 Bq pro m3 (Quelle
hier), dann fallen pro Jahr rund 1.2EE20 Bq Aktivität in hochradioaktivem Abfall an.
Die Erde hat eine Landfläche von rund 150 Mio.km2 = 1.5 EE 14 m2, das gäbe also pro Jahr und m2 eine Belastung von 800 kBq pro m2 - ein Vielfaches von dem was die am schlimmsten betroffenen Landstriche nach Tschernobyl abbekommen haben. Auf das Meer verteilt wären es (4 mal mehr Meer als Land) immer noch 200 kBq pro m2 Meeroberfläche. Verdünnen auf das gesamte Meerwasservolumen ist praktisch unmöglich, da sich das Tiefseewasser nicht mit dem Oberflächenwasser mischt. Wie soll man eine Substanz künstlich gleichmässig verteilt in eine Fläche von einigen hundert Millionen Quadratkilometern Meer einbringen?
Es belibt also gar nichts anderes übrig, als das Zeug irgendwie inert zu machen und wegzusperren.
Aber wie gesagt das Grundproblem ist, dass man sich vor Anwerfen der Massenproduktion (12'000 t pro Jahr) vielleicht mal überlegen sollte wohin damit.
Und das sollen gefälligst diejenigen tun, die es erzeugen. Auf eine mit Gesetz und Menschenwürde kompatible Weise. Wenn sie es nicht können (sie können es bis jetzt nicht), dann sollen sie es unterlassen.
Der langen Rechnung kurzer Sinn: Der Elch im vorigen Beitrag hat recht.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.