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von greymaulkin » Fr 22. Apr 2011, 14:05
Ich mache von Berufs wegen häufiger Sterbebegleitung. Vielleicht, weil in der Nacht mehr Zeit für's Sterben ist? Weil das Leben an sich schläft? Ich weiß nicht.
Jedenfalls wissen die Betroffenen ES im i.a. zuerst. Die allermeisten, fast würde ich sagen, alle gehen nach den bekannten Phasen Ablehnung und Wut und Zustimmung. Ganz selten habe ich Kampf bis zum letzten Atemzug gesehen. Manchmal sind noch "Aufgaben zu erledigen", Dinge, die gesagt oder getan werden "müssen", um Ruhe zu finden, den letzten Schritt zugehen. Manchmal muss man leichten bis heftigen Druck auf Angehörige ausüben, z.B., das Kinder zusammen am Bett sitzen, die sich sonst nicht aufs Fell gucken können. Manchmal kann ein Mensch nur sterben, wenn er "endlich" alleine ist, sie sterben in dem Moment, indem man Angehörige oder sich selbst mal eben für eine Zigarette oder zum Luftschnappen hinausbefördert hat. Viele hatten zum Schluß hin ein Gespräch mit einem Geistlichen, egal ob sie schon immer religiös waren oder nicht. Ich denke, egal was so eine Pflegerin zu sagen hat, die Bestätigung vom "Bodenpersonal", das alles in Ordnung ist, so wie es halt ist oder gewesen ist, zählt in der Sterbesituation mehr. Fast alle gingen aus diesem Gespräch ruhiger hervor.
Das Problem, die wirkliche "Arbeit", die unglaublich Energie absaugt, sind viel häufiger Angehörige als der Sterbende selbst. Von diesem bekomme ich hin und wieder eher noch Kraft und oft weise Einsichten, die mich staunen machen.
Manche Verstorbene haben nach dem "Tod" noch eine unglaubliche Präsens, sie sind noch im Zimmer, bis ich(oder nachfolgende Kolleginnen) plötzlich merke, er/sie ist "weg". Manche sind schon "weg", wenn sie noch warm sind. Alle, bis auf ganz wenige Ausnahmen, sind friedlich und entspannt, egal aufgrund welchen Umstandes der Tod kam.
Nur eine Sammlung von Gedanken zum Thema.
Ich halte den Tod inzwischen nicht für einen Freund, aber für einen guten Bekannten.
Ich kann nach einer Sterbebegleitung zufrieden sein, aber auch immer noch wütend ("mußte das sein? warum? warum dieser Mensch? da war doch noch so viel an Zeit/Möglichkeiten/was weiß ich).
Angst macht mir das Sterben und der Tod nicht mehr.
Nur noch nicht jetzt, ich habe noch so viel vor.
Aber ich weiß, dass ich das nicht mehr haben werde, wenn ich weiß, dass ES so weit ist.
Gruß, Bärbel