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OT Schweiz
Verfasst: So 30. Dez 2012, 16:35
von Rabe
Hat jemand von euch schon mal eine Zeitlang in der Schweiz gearbeitet? Wenn ja wie habt ihr das mit den Versicherungen z.B Kranken,Arbeitslosen,Rente gemacht? Wie hat sich euer Alltag gestaltet?
Lg Uschi
Re: OT Schweiz
Verfasst: Mo 31. Dez 2012, 21:50
von emil17
ääääh ... ich, weil ich da wohne und arbeite.
Krankenversicherung muss man obligatorisch eine wählen, es gibt aber mehrere die sich dauernd die schlechten Risiken zuzuschieben versuchen. Die Leistungen der Grundversicherung sind aber überall die gleichen, zusätzlich kann man sich gegen weitere Risiken versichern lassen.
Arbeitslosenbeitrag ist Prozentsatz des Lohns, wird direkt vom Arbeitgeber abgezogen und abgeführt. Obligatorische Rentenversicherung (AHV) ebenso.
Bei der Rente gibt es noch eine obligatorische Pensionskasse, die vom Arbeitgeber ausgesucht wird und wo man beitragspflichtig ist; dieses Geld kann man aber "mitnehmen", wenn man den Arbeitgeber wechselt. Geht man ins Ausland (zurück), wird es vermutlich ausbezahlt (Arbeitgeber fragen). Dagegen kann es sein, dass man sich mit privatem Geld in die Pensionskasse einkaufen muss.
Vom Bruttogehalt, das man aushandelt, gehen etwa 10 - 15% ab. Der Rest wird ausbezahlt, davon muss man dann aber noch Einkommensteuer bezahlen. Diese wird bei Grenzgängern jedoch oft als "Quellensteuer" direkt vom Arbeitgeber einbehalten, weil (aus Sicht der Steuerbehörden) Ausländer ohne langjährigen Wohnsitz nicht auffindbar sind, wenn sie sich der Steuerpflicht zu entziehen versuchen.
Das Alltagsleben hängt sehr davon ab, in welchem Landesteil du bist (Mentalität der Deutschschweizer ist von den Tessinern und frankophonen *sehr* verschieden, und du hast keine Chance, wenn du nur Deutsch und Englisch kannst), und ob Du in der Stadt oder auf dem Land bist.
Wenn Du aus dem Süddeutschen Raum kommst und in die Nordschweiz ziehst, wirst Du wenig Probleme haben.
Ich empfehle den Film "die Schweizermacher", der das "Schweizer werden" zum Thema hat.
Von Süddeutschland zur Nordschweiz bestehen wenig kulturelle Unterschiede, ausser dass Blasmusik und Bier weniger wichtig, dafür Wein und Fondue wichtiger sind. Je weiter Du ins Gebirge hinein kommst, desto "schweizerischer" wird die Mentalität.
- Die Sprache ist eine Barrierre. Deutsche die alemannisch reden (BaWü), verstehen die Nordschweizer Dialekte problemlos, die des Gebirges bald; Deutsche aus dem Norden brauchen mehrere Monate, um einem Gespräch oder Dialekt-Rundfunksendungen folgen zu können.
Bitte nicht die Verkleinerungsformen unseres Dialektes nachmachen! Es wirkt auf uns nur peinlich.
- Im öffentlichen Verkehrsmittel spricht man nicht mit Unbekannten, und setzt sich nur in ein besetztes Abteil, wenn keins mehr frei ist.
Es kann auch für Schweizer Monate bis Jahre dauern, bis man neue Freunde gewonnen hat, wenn man umzieht. Am besten einem Verein beitreten.
Hauptproblem für eingewanderte Deutsche ist anfänglich, dass man hier vieles indirekt sagt und als arrogant gilt, wenn man Dinge verlangt, die einem zustehen. Man bedankt sich bei der Kassiererin und beim Schalterbeamten, in manchen Gegenden auf dem Land auch beim Busfahrer. Man vermeide, jemanden um etwas zu bitten, was dieser nicht leisten will oder kann, denn jemandem etwas abschlagen zu müssen, ist für einen Schweizer eine peinliche Situation. In der Kneipe ruft man nicht "zahlen", sondern bittet darum, zahlen zu dürfen. Auch der Chef bittet seine Untergebenen (was man natürlich als Knecht nicht ablehnen kann).
Dann gibt es all die falschen Freunde und anderen Ausdrücke im Dialekt, Fallen für diejenigen, die glauben, den Dialekt zu verstehen. Die Liste (Stichwort: Helvetismen) ist deprimierend lang, aber ich kenne viele Deutsche, die es schaffen, es zu verstehen.
Man ist pünktlich. So, als ob man auf die Bahn müsste, auch wenn man nur einen Kollegen trifft.
Es wird viel weniger vorbeugend organisiert und verboten als nördlich des Rheins, allerdings auch hier mit deutlichem Gefälle Richtung Süd und West. Was mir immer am meisten auffällt, wenn ich über die Grenze komme, sind die vielen absurden Schilder.
- Das Preisniveau in der Schweiz ist erschreckend hoch; mit einem Schweizer Lohn und Schweizer Preisen lebt man jedoch besser als im umgebenden Ausland.