Das Maß aller Dinge ist die Gier

Was halt nirgendwo passt
AnamPrema

Das Maß aller Dinge ist die Gier

#1

Beitrag von AnamPrema » So 29. Jul 2012, 19:13

;) tja, wundert Euch nicht über diesen Titel, der mir vorhin in den Sinn kam,
als ich nach einem Waldspaziergang im Waldcafé saß und mit einem guten Freund
versuchte herauszufinden,
WANN und WIE es eigentlich begann, dass sich das Leben in Deutschland so veränderte.

Ausgangspunkt für die philosophische Kleinstrunde war ein Fernsehbeitrag gestern, in dem gesagt wurde,
dass die neue Generation junger Familien so um die 30 Jahre, keine Lust mehr hat auf nicht-materielle Lebensqualität
zu verzichten. Sie wollen mehr Zeit miteinander verbringen, mehr Lebensfreude zusammen haben, ...
Dazu der "Top-Deal" von VW durch einen raffinierten Trick und das vollkommene Ausschöpfen aller Löcher
150 Milliarden an Steuern zu sparen, ...

Wir sind über 50/60 und erinnern uns noch an Zeiten, in denen mehr Menschlichkeit/Ethik/Naivität?/... herrschte,
einer dem anderen mit einer Grundtendenz der Freundlichkeit gegenübertrat, in denen Unternehmer "normal" wirtschafteten,
Banken als normale Geschäfte anzusehen waren, Politiker wie Brandt, Schmidt, Genscher, ...
andere Werte vorlebten und auch anders fürs Volk einstanden.

Könnt Ihr mir folgen - ich kann's nicht so gut mit Worten ausdrücken?
DAS, was mich jetzt wirklich interessiert und weshalb ich diesen Thread eröffne ist,
was ist in den letzten 20 - 30 Jahren passiert (wie liefen zeitlich die Schritte ab, ...),
das einen solchen tiefeingreifenden Wandel erlaubte?

So dass wir Hier und Heute:
- als Bauer kein Geld mehr bekommen um den eigenen Hof zu erhalten
- Milliardengelder in Banken stecken, Rettungsschirme, ...
- es nicht mehr ausreicht die ganze Familie zu ernähren, wenn der Familienvater 40 Std. arbeitet
- das Rentenalter mehr und mehr heraufgesetzt werden soll
- überwiegend Politiker haben, die es scheinbar nicht interessiert, was ihr Volk eigentlich will
- die Kassiererinnen im Supermarkt nur noch gehetzt und wie im Stückakkord die Kunden abkassieren
- fast alle Bundes-Schätze (Immobilien, Gold, ...) mittlerweile weg/verpufft sind
- etc. etc.

Das ist natürlich nicht nur eine Frage, die Deutschland isoliert betrifft, doch ich würde es gerne
im Nachhinein an Beispielen hier mal erkennen und nachvollziehen können.

Danke

AnamPrema

sybille
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Re: Das Maß aller Dinge ist die Gier

#2

Beitrag von sybille » So 29. Jul 2012, 19:29

Ausgangspunkt für die philosophische Kleinstrunde war ein Fernsehbeitrag gestern, in dem gesagt wurde,
dass die neue Generation junger Familien so um die 30 Jahre, keine Lust mehr hat auf nicht-materielle Lebensqualität
zu verzichten. Sie wollen mehr Zeit miteinander verbringen, mehr Lebensfreude zusammen haben, ...
Meiner Meinung nach stimmt das nicht so ganz. Ist es nicht vielmehr so, das gerade diese Generation ALLES haben will? Materielle UND nicht-materielle Lebensqualität.
Hühner sind Menschen wie Du und ich, nur das sie zur Hausordnung Hackordnung sagen.

geizhals
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Re: Das Maß aller Dinge ist die Gier

#3

Beitrag von geizhals » So 29. Jul 2012, 19:56

sybille hat geschrieben:
Ausgangspunkt für die philosophische Kleinstrunde war ein Fernsehbeitrag gestern, in dem gesagt wurde,
dass die neue Generation junger Familien so um die 30 Jahre, keine Lust mehr hat auf nicht-materielle Lebensqualität
zu verzichten. Sie wollen mehr Zeit miteinander verbringen, mehr Lebensfreude zusammen haben, ...

:hmm: Klingt irgendwie nach Hippiekultur.

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Little Joe
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Re: Das Maß aller Dinge ist die Gier

#4

Beitrag von Little Joe » So 29. Jul 2012, 20:11

Hab heute ein Buch gelesen über das Sterben von Bauerngärten. Darin stand, dass es bis in die frühen 50er Jahre üblich war, dass jeder haushalt, der einen Garten hatte diesen als Nutzgarten und nicht als Rasenwüste nutzte. Das sterben der Bauerngärten begann, als alles an Lebensmitteln günstiger und einfacher in den Supermärkten erhältlich war. Wer noch auf dem Land wohnte hatte mehr und mehr einen Job in der Stadt und oft nicht nur keine Zeit sondern auch keine Lust mehr am Abend noch im Gemüsegarten rumzuwerkeln. Jeden samstag den rasen zu mähen war als Gartenarbeit vollkommen ausreichend. Vielleicht sind ja die Discounter und großen Lebensmittelmärkte an allem Schuld. Wer geht denn noch auf dem Wochenmarkt einkaufen, sofern es überhaupt noch welche gibt, die diesen Namen verdienen.
Erstaunlich, dass Menschen, die alles besser wissen, nie etwas besser machen.

sybille
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Re: Das Maß aller Dinge ist die Gier

#5

Beitrag von sybille » So 29. Jul 2012, 20:15

Geizhals, das hab nicht ich geschrieben :opa:
Hühner sind Menschen wie Du und ich, nur das sie zur Hausordnung Hackordnung sagen.

geizhals
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Re: Das Maß aller Dinge ist die Gier

#6

Beitrag von geizhals » So 29. Jul 2012, 20:26

Sorry, da muss beim zitieren was in die Hose gegangen sein. Werde nächtes mal besser aufpassen.

Knurrhuhn

Re: Das Maß aller Dinge ist die Gier

#7

Beitrag von Knurrhuhn » So 29. Jul 2012, 20:37

Im Grunde ein schöner Thread - ich hoffe nur, es wird nicht wieder 'ne Systemkritische Grundsatzklopperei draus ... :holy:

Mir fällt dazu spontan ein:

- Firmen und Arbeitgeber:
die meisten Firmen waren früher Inhabergeführt und gehörten keinen riesigen Konzernen. Die Chefs hatten häufig selber von der Pike auf gelernt und sich dann nach Schule, normaler Lehr- und Gesellenzeit zum Meister schulen lassen, oder haben sich halt hochgearbeitet.
Die Betriebe wurden zwar mit Geschäftssinn, aber dennoch auch mit "gesundem Menschenverstand" geführt. Loyalität der Mitarbeiter wurde groß geschrieben, und für einen "Opelaner" oder andere Firmenangehörige größerer Unternehmen war es quasi eine Ehre, für den Betrieb zu arbeiten.
Es war ein gegenseitiges Geben und Nehmen, die Betriebe waren glücklich über treue, langjährige, erfahrene Mitarbeiter, und diese wiederum waren froh, solch einen guten Job zu haben.
Die Leute waren fleißig, auch ohne daß permanent das Damoklesschwert der betriebsbedingten Kündigung über ihren Köpfen schwebte.

Bitte fitzelt das jetzt nicht auseinander - ich weiß, es ist mal wieder die Frage, welchen Zeitraum man als "früher" bezeichnen soll! Und es gab auch immer schon Ausbeutung, Arbeitslosigkeit, Hungerlöhne usw....
Ich schreibe das aber aus eigener bzw. aus Erfahrungen aus meiner Familie heraus und denke da z.B. besonders an eine Firma, in der ich mal gearbeitet habe und wo auch einige aus meiner Family arbeiteten im Laufe der Jahrzehnte. Gerade dort, auch durch viele Gespräche mit Leuten die schon -zig Jahre dort arbeiteten, konnte ich die Entwicklung beobachten oder zumindest teilweise nachvollziehen.

Das Unternehmen besteht seit weit mehr als 100 Jahren, ist aber schon seit längerer Zeit im Besitz einer amerikanischen Firmengruppe. Trotzdem ist der ursprüngliche Name des Betriebs ein Begriff in der Region, den neuen Namen kannte kaum jemand. ;)
Es ist im Vergleich zu anderen Betrieben immer noch kein schlechtes Los, dort zu arbeiten. Aber dennoch kann man da die neuen Strukturen und Abläufe gut verfolgen.
Wie gesagt - damals Inhabergeführt, ein "anständiger" Firmenchef bzw. eine nette Familie, wo gerne gearbeitet wurde. Damals hieß es quasi "einmal Firma X, immer Firma X!".
Tja, die Zeiten sind längst vorbei .... Einverleibt in eine größere Firmengruppe, Aktiengesellschaft geworden .... da zählt halt nur noch Profit, und nicht mehr die soziale Verantwortung.
"Den Chef" gibt es nicht mehr, sondern mehrere Geshcäftsführer die von außen "eingekauft" werden. Studierte, Akademiker, die selber nie mal in so einem Betrieb gearbeitet haben.
Trotzdem werden immer wieder neue Unternehmensberater einberufen, die den Laden optimieren sollen. Was der erste angeordnet hat, wird vom nächsten wieder verworfen .... toll, gelle?
Alles wird nicht mehr nach dem zitierten "gesunden Menschenverstand" gemacht, sondern nach theoretischen Verfahren mit tollen Namen und Hierarchischen Strukturen (was teils ein wenig an eine sektenähnliche Organisation erinnert, deren Namen sicher jedem bekannt sein dürfte ....)

Ich denke, früher war noch der Gedanke selbstverständlich: wer seine Kuh melken will, der muß sie füttern!
Heute wird aber gerne nur noch gemolken, aber nicht mehr gefüttert. Gerade was Aktiengesellschaften betrifft, die ja nur noch für die Bilanz und Gewinnoptimiert agieren .... Doch nicht nur da, denn der betriebswirtschaftliche Virus hat sich ja längst bis in die kleinsten Betriebe fortgepflanzt.
Volkswirtschaftlich denkt ja kaum noch jemand.
Auch das beobachte ich bei meinen bisherigen Firmen wo ich arbeitete, oder auch bei Freunden und der Familie, die teils auch schon lange in ihren Betrieben angestellt sind. Die alten Chefs waren meistens noch ganz okay und großzügig - doch rücken die Kinder nach, die meistens BWL studiert haben, weht plötzlich ein anderer, eisiger Wind durch den Laden.

Nun könnte man sagen: na und? Das erfordert halt dieses System, so ist es in der freien Wirtschaft halt, wer einen Betrieb führt MUSS so denken.
Aber hat uns dieses Denken nicht genau dahin geführt, wo wir jetzt sind? War die Betriebsführung im allgemeinen früher nicht besser, wo natürlich auch Gewinn eingefahren wurde und das das Ziel der Arbeitgeber war - aber dennoch die Menschlichkeit nicht zu kurz kam? Und die Betriebe haben damals doch auch Gewinne gemacht und alle konnten gut leben. Auch ohne theoretische Konzepte, die am grünen Tisch ausgetüftelt wurden von nicht-Praktikern, und die in der Praxis oft eben nicht funktionieren, auch wenn diese Herren denken, sie müssten es aber. :roll:

Dazu kommt dann natürlich noch die Veränderung des gesellschaftlichen Denkens und der Ansprüch, die Geiz ist geil-Mentalität, die Billigkonkurrenz großer Firmen (Discounter) und des Auslands .... der allgemeine Preisdruck also und die unendliche Gier, alles haben zu wollen mit dem geringsten Aufwand - auf Seiten der Verbraucher ebenso wie auf Seiten der Arbeitgeber.

Die immense Werbe-Entwicklung und Medienbeballerung hat sicher auch einigen "Schaden" angerichtet in gewisser Weise, vor 30-40 Jahren gab es das ja sooo massiv noch nicht.

Ohwei, ich könnte jetzt noch'n Roman hier tippen, so viel fällt mir ein zum Thema. Aber das soll's jetzt erst mal gewesen sein. :pfeif:

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Re: Das Maß aller Dinge ist die Gier

#8

Beitrag von luitpold » So 29. Jul 2012, 22:06

also ich hab das mindestens zweimal anders rum erlebt.

der seniorchef ein cholerischer alter nazi, der seine firma führte als seien die 1000jahre noch nicht vorbei.
die führungsstruktur wie das kaposystem im KZ.

der junior hat dann, nachdem der vater die firma in den viel zu späten konkurs führte, die brauchbaren reste vom masseverwalter zurückgekauft und ein betriebswirtschaftliches stringentes regime installierte, zum vorteil der meist neuen arbeitnehmer. jeder hat seine freiheit solange die zahlen stimmen.
Es muß sich alles ändern, damit es bleibt, wie es ist.

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Wayan
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Re: Das Maß aller Dinge ist die Gier

#9

Beitrag von Wayan » So 29. Jul 2012, 22:57

Wir leben heute zweifelsohne in einer Lobbykratie.
Die Politik entscheidet nicht im Sinne des Volkes, sondern wird von Lobbyisten gelenkt. Gesetze werden so gemacht, dass sie Wirtschaftsunternehmen Vorteile bringen (Meldegesetz, Gentechnikgesetz, Emmissionsgesetzgebung usw.), dem Normalbürger aber Nachteile entstehen.

Die jahrzehntelange Ausplünderung des Staates und der Kommunen zeigt seine Folgen (verfallende Schulen, Schwimmhallen, Straßen usw.)
Der Normalbürger wird mit Schlagzeilen (Skandale und Skandälchen, Rentner gegen Pensionäre, Arbeiter gegen Beamte, Arme gegen reich usw.) beschäftigt. Die allgegenwärtige, nötigende Werbung verschlimmert die Lage noch. Dem schlecht gebildeten Menschen wird Kram aufgenötigt, den er nicht braucht und den er kaum bezahlen kann, wobei er in Abhängigkeiten gerät.

Die schlechte Bildung durch jahrlange Unterfinanzierung und Kleinstaaterei im Bildungssektor scheint gewollt zu sein.

Die Wirtschaft dominiert das Leben. Der allgegenwärtige Materialismus lässt keinen Raum mehr für musische, künsterlische, menschliche Herzensbildung. Die Entwicklung im humanistischen Denken hat im vorletzten Jahrhundert aufgehört.

Selbst wenn man sich hier auf einen Weg aus der Misere einigen könnte, würde es Generationen dauern, bis dieser Ellenbogenegoismus langsam verdrängt werden könnte.

Der einzige Weg ist, sich Inseln mit Gleichgesinnten zu schaffen und die Welt "dort draussen" so weit es geht zu ignorieren.
Alle sagten: Das geht nicht. Da kam einer, der wußte das nicht und hat´s einfach gemacht.

Benutzer 146 gelöscht

Das Maß aller Dinge ist die "Natur" des Menschen

#10

Beitrag von Benutzer 146 gelöscht » So 29. Jul 2012, 23:16

AnamPrema hat geschrieben:
Wir sind über 50/60 und erinnern uns noch an Zeiten...
das ist der Kernsatz, denn das ist Alles eine Frage des temporären Blickwinkels ;)
Frage Jemanden, der in den 90ern geboren ist, - der kennt es nicht anders als es ist , oder frage Jemanden, der vor dem 2.WK geboren wurde, der wird den Anfang dieser Entwicklung viel früher ansetzen und die Dinge, an die Ihr Euch erinnert, bereits als weit fortgeschrittene Phase bezeichnen.
´45 bestand die "Gier" hierzulande nach ausreichender Ernährung für einen selbst und die Familie für die kommenden Tage. Heute besteht die "Gier" hierzulande nach dem neuesten Ei-Fon oder Schnäppchen-Flugreise, in weiteren 50 Jahren.... :hmm:

Die Erwartungen werden von der Lebenserfahrung bestimmt: meine Eltern haben Anfang der 60er im "Wirtschaftswunder" gebaut, aber, da noch persönliche Kriegszeiten-Erfahrung, im neuen Haus, neben moderner Ölheizung, zusätzliche Kaminzüge für Einzelöfen vorgesehen, und von Anfang an einen Gemüsegarten angelegt und Obstbäume gepflanzt. In Häusern und Gärten, die nur ein Jahrzehnt später rundherum entstanden, fand sich nichts mehr dergleichen, weil die Bauherren einfach jünger waren.
Dafür gab`s dann mehr und größere Garagen...
Das Maß aller Dinge ist die Gier, aber Gier ist nur die Angst zu wenig zu haben oder zu bekommen von dem, was unser Instinkt uns als wichtig einstufen lässt, angefangen beim Schluck Wasser bis zum Status, der uns das Maximum an Anerkennung und Macht verspricht.
Angst vor zu wenig zum Überleben, Angst vor weniger als Andere, Angst vor nicht kontinuierlich immer mehr zu haben, das ist die "Gierarchie"-Skala.
WANN und WIE das begonnen hat? Wahrscheinlich schon, als wir noch auf Bäumen lebten :)

Gruß

frodo

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