Landleben in Kanada
Verfasst: Di 13. Dez 2011, 21:15
Hallo an alle Kanadainteressierten - von denen es anscheined doch eine ganze Menge gibt, deshalb die Idee zu diesem Thema.
Bevor ich hierher kam hatte ich das klassische Bild von Kanada im Kopf: ein See, ein Kanu drauf mit jemandem der einen grossen Fisch hochhaelt, im Hintergrund Wald und ein malerisches Blockhaus. So leben aber die allerwenigsten Kanadier mal davon abgesehen, dass es strenge Vorschriften fuer die Abwasserentsorgung gibt wenn man an einem Gewaesser wohnt.
Die Stadtkanadier unterscheiden sich kaum von Staedtern in anderen westlichen Laendern, sind aber durchweg etwas freundlicher und hoeflicher als man das von Dtl. her gewohnt ist. Das werden eigentlich alle nach Kanada ausgewanderten Deutschen bestaetigen. In den Staedten hat man durchweg Strom, Wasser und Abwasserversorgung, High Speed Internet, Kabel TV etc.
Auf dem Land sieht es etwas anders aus. Die Strassen sind meist schachbrettartig angelegt (siehe google earth), die Nebenstrassen sind meist nur geschottert und besonders nach der Schneeschmelze eklig matschig. Wenn man oefters weite Strecken auf solchen Strassen zu fahren hat kommt man um einen Allradantrieb (hier 4x4 genannt) nicht herum. In den Bergen braucht man ganzjaehrig einen 4x4.
Die Haueser sind fast durchweg aus Holz gebaut, vor allem aus Spanplatten, Rigips, Plastik, Glaswolle und den unentbehrlichen 2x4 inch Brettern, mit denen hier alles gebaut wird von der Hundehuette bis zur Manison. Kaum jemand kann sich ein echtes Blockhaus leisten ausserrdem haben die so ihre Tuecken: sie knacken bei kaltem Wetter staendig sobald innen geheizt wird. Man muss sie auch regelmaessig mit Impraegniermittel streichen damit sie nicht grau werden sondern immer schoen frisch aussehen, das riecht dann waehrend der warmen Jahreszeit eklig nach Chemie.
Geheizt wird in den kalteren Gegenden meist mit Gas oder Propan (letzteres ist extrem explosiv), nur Leute mit viel Zeit haben Holzoefen bzw. heizen ausschliesslich mit Holz. Viele haben aber einen Holzofen fuer den Notfall. Damit steigt dann aber leider die Versicherung um 15-20 %. In den milderen Gegenden heizt man auch elektrisch oder mit Oel.
Jetzt zur Romanik des Landlebens. Kaum jemand kann von einem kleineren Stueck Land leben. 10 ha werden als Hobbyfarm angesehen. Deshalb verbringen die Leute oft Stunden auf der Fahrt zur Arbeit. Die Vollererwerbsbauern leben meist auf dem Flachland wo sie mit riesigen Maschinen ihre Felder bewirtschaften. Es gibt inzwischen sehr viele Biobauern, die auch ab Hof verkaufen, in Stadtnaehe meist etwas ueberteuert. Immerhin sind in den letzten Jahren viele Kanadier sehr ernaehrungsbewusst geworden.
Sobald man etwas aus der Stadt raus ist, haben die Haeuser entweder einen eigenen Brunnen, eine Zysterne oder einen holding tank, den man im Winter beheizen und regelmaessig auffuellen muss. Dazu ein eigenes Abwassersystem. An Gewaessern muss das gesamte Abwasser in einen Tank der fast woechentlich geleert werden muss. Weiter weg von Gewaessern hat man ein septic field, auf dem die Abwaesser durch Schichten von Geroell versickern, das "Feste" sammelt sich in einer Grube. Wir hatten uebrigens einen pump out, das fluessige wurde einfach in den Wald gepumpt, ist aber heute nicht mehr erlaubt, bei neubauten muss ein septic field angelegt werden. Einen klaren Vorteil haben Leute ohne indoor plumbing: sie brauchen kein septic field. also wer auf Wasser und Klo im Haus verzichtet und sich mit einem herzhaeuschen und Wasserschuessel begnuegt, braucht kein teures septic field.
Wenn man keinen Strom hat, braucht man einen Generator oder man muss wie ein Pionier ohne Elektrizitaet leben.
Ja, es gibt noch echte Trapper etc., die ganz einsam in der Wildnis leben und auch Aussteiger, die ohne Strom etc. in einer Waldhuette leben, aber die sind so weit draussen und weg von allem, dass man von ihenen nur ueber Umwege erfaehrt. Ich habe mal einen Einsiedler in den Bergen besucht, der sich eine Huette mit Wasserrad zur Stromerzeugung selbst gebaut hat. Er baut vieles selbst an und geht nur im Sommer 1x monatlich in die Stadt zum Einkaufen. Im Winter ist er eigeschneit und kann sich nur auf Skiern oder Schneeschuhen fortbewegen. Das kann er aber auch nur machen seitdem er in Pension ist.
Was besonders schoen ist wenn man ausserhalb lebt ist einmal der viele Platz, man bekommt ein Gefuehl von Freiheit auch wenn man noch in seinem Beruf eingespannt ist, die Ruhe wenn man keine direkten (lauten)Nachbarn hat! und zum anderen, dass man Besuch aus der Wildnis bekommt: Rehe, Kojoten, Baeren, Wildvoegel aller Art, manchmal auch ausgebrochene Kuehe, Ziegen, Lamas etc. von benachbarten Farmen. Das aendert sich natuerlich wenn man keinen eingezaeunten Garten hat...Die meisten Leute, die arbeiten muessen, haben allerdings nur Gras im Garten und machen sich das Leben so bequem wie moeglich.
Zur Plage wird der viele Schnee, man muss seine Einfahrt nach jeden Schneefall raeumen um ueberhaupt von der Strasse ans Haus zu gelangen. Viele Leute haben dazu einen snow blower (Schneefraesse) oder einen Quadd mit Schneepflug oder einen alten truck, der nur zum Schneeraeumen auf dem Grundstueck dient, manche machen es auch von Hand.
Schoen ist auch, dass man hier einfach so angeln darf ohne Lehrgang - man glaubte mir kaum, dass man in Dtl. eine Pruefung machen muss bevor man angeln darf! Man holt sich einen Angelschien (ca 40 Dollar pro Jahr), bekommt eine Broschuere mit den aktuellen oertlichen Gesetzen und los geht's.
Viele Leute jagen auch. Es ist moeglich sich den Jahresbedarf an Fleisch selbst zu schiessen. Ein tag (das man nach dem Abschuss am Tier befestigen muss) fuer ein Reh kostete damals 30 Dollar, ein Elch $60. Heute ist es etwas teurer. Wir hatten meist 2 Rehe im freezer.
Viele Leute haben zumindest einen kleineren Gemuesegarten der meist eingezaeunt ist. Die Auswahl an Pflanzen ist aber oft begrenzt durch die kurze Wachstumsperiode. Man kann zwar einige Pflanzen im Haus oder gewaechshaus vorziehen, muss sich aber bei den kartoffeln beeilen weil die erst Mitte Mai gesteckt werden koennen, Mitte September friert es dann schon wieder.
Kurz zum Klima: in den Kuestengebieten und hier im sueden BC's hat man in den Niederungen meist sehr mildes Klima. Die Ostkueste ist etwas rauher, die Mitte dagegen mit den Prairieprovienzen hat kurze warme bis heisse sommer und sehr lange kalte Winter. Man muss sich von Oktober bis Mitte Mai meist sehr warm anziehen. Das Okanagan Valley wo wir leben gehoert zu den waermsten Gegenden Kanadas. Etwas milder ist auch der Sueden Ontarios und ein paar Kuestenstreifen in Nova Scotia wo auch Wein angebaut werden kann.
Jetzt speichere ich das erstmal und hoffe, dass der eine oder andere meinen kurzen Ueberblick interessant findet.
LG, Citty
Bevor ich hierher kam hatte ich das klassische Bild von Kanada im Kopf: ein See, ein Kanu drauf mit jemandem der einen grossen Fisch hochhaelt, im Hintergrund Wald und ein malerisches Blockhaus. So leben aber die allerwenigsten Kanadier mal davon abgesehen, dass es strenge Vorschriften fuer die Abwasserentsorgung gibt wenn man an einem Gewaesser wohnt.
Die Stadtkanadier unterscheiden sich kaum von Staedtern in anderen westlichen Laendern, sind aber durchweg etwas freundlicher und hoeflicher als man das von Dtl. her gewohnt ist. Das werden eigentlich alle nach Kanada ausgewanderten Deutschen bestaetigen. In den Staedten hat man durchweg Strom, Wasser und Abwasserversorgung, High Speed Internet, Kabel TV etc.
Auf dem Land sieht es etwas anders aus. Die Strassen sind meist schachbrettartig angelegt (siehe google earth), die Nebenstrassen sind meist nur geschottert und besonders nach der Schneeschmelze eklig matschig. Wenn man oefters weite Strecken auf solchen Strassen zu fahren hat kommt man um einen Allradantrieb (hier 4x4 genannt) nicht herum. In den Bergen braucht man ganzjaehrig einen 4x4.
Die Haueser sind fast durchweg aus Holz gebaut, vor allem aus Spanplatten, Rigips, Plastik, Glaswolle und den unentbehrlichen 2x4 inch Brettern, mit denen hier alles gebaut wird von der Hundehuette bis zur Manison. Kaum jemand kann sich ein echtes Blockhaus leisten ausserrdem haben die so ihre Tuecken: sie knacken bei kaltem Wetter staendig sobald innen geheizt wird. Man muss sie auch regelmaessig mit Impraegniermittel streichen damit sie nicht grau werden sondern immer schoen frisch aussehen, das riecht dann waehrend der warmen Jahreszeit eklig nach Chemie.
Geheizt wird in den kalteren Gegenden meist mit Gas oder Propan (letzteres ist extrem explosiv), nur Leute mit viel Zeit haben Holzoefen bzw. heizen ausschliesslich mit Holz. Viele haben aber einen Holzofen fuer den Notfall. Damit steigt dann aber leider die Versicherung um 15-20 %. In den milderen Gegenden heizt man auch elektrisch oder mit Oel.
Jetzt zur Romanik des Landlebens. Kaum jemand kann von einem kleineren Stueck Land leben. 10 ha werden als Hobbyfarm angesehen. Deshalb verbringen die Leute oft Stunden auf der Fahrt zur Arbeit. Die Vollererwerbsbauern leben meist auf dem Flachland wo sie mit riesigen Maschinen ihre Felder bewirtschaften. Es gibt inzwischen sehr viele Biobauern, die auch ab Hof verkaufen, in Stadtnaehe meist etwas ueberteuert. Immerhin sind in den letzten Jahren viele Kanadier sehr ernaehrungsbewusst geworden.
Sobald man etwas aus der Stadt raus ist, haben die Haeuser entweder einen eigenen Brunnen, eine Zysterne oder einen holding tank, den man im Winter beheizen und regelmaessig auffuellen muss. Dazu ein eigenes Abwassersystem. An Gewaessern muss das gesamte Abwasser in einen Tank der fast woechentlich geleert werden muss. Weiter weg von Gewaessern hat man ein septic field, auf dem die Abwaesser durch Schichten von Geroell versickern, das "Feste" sammelt sich in einer Grube. Wir hatten uebrigens einen pump out, das fluessige wurde einfach in den Wald gepumpt, ist aber heute nicht mehr erlaubt, bei neubauten muss ein septic field angelegt werden. Einen klaren Vorteil haben Leute ohne indoor plumbing: sie brauchen kein septic field. also wer auf Wasser und Klo im Haus verzichtet und sich mit einem herzhaeuschen und Wasserschuessel begnuegt, braucht kein teures septic field.
Wenn man keinen Strom hat, braucht man einen Generator oder man muss wie ein Pionier ohne Elektrizitaet leben.
Ja, es gibt noch echte Trapper etc., die ganz einsam in der Wildnis leben und auch Aussteiger, die ohne Strom etc. in einer Waldhuette leben, aber die sind so weit draussen und weg von allem, dass man von ihenen nur ueber Umwege erfaehrt. Ich habe mal einen Einsiedler in den Bergen besucht, der sich eine Huette mit Wasserrad zur Stromerzeugung selbst gebaut hat. Er baut vieles selbst an und geht nur im Sommer 1x monatlich in die Stadt zum Einkaufen. Im Winter ist er eigeschneit und kann sich nur auf Skiern oder Schneeschuhen fortbewegen. Das kann er aber auch nur machen seitdem er in Pension ist.
Was besonders schoen ist wenn man ausserhalb lebt ist einmal der viele Platz, man bekommt ein Gefuehl von Freiheit auch wenn man noch in seinem Beruf eingespannt ist, die Ruhe wenn man keine direkten (lauten)Nachbarn hat! und zum anderen, dass man Besuch aus der Wildnis bekommt: Rehe, Kojoten, Baeren, Wildvoegel aller Art, manchmal auch ausgebrochene Kuehe, Ziegen, Lamas etc. von benachbarten Farmen. Das aendert sich natuerlich wenn man keinen eingezaeunten Garten hat...Die meisten Leute, die arbeiten muessen, haben allerdings nur Gras im Garten und machen sich das Leben so bequem wie moeglich.
Zur Plage wird der viele Schnee, man muss seine Einfahrt nach jeden Schneefall raeumen um ueberhaupt von der Strasse ans Haus zu gelangen. Viele Leute haben dazu einen snow blower (Schneefraesse) oder einen Quadd mit Schneepflug oder einen alten truck, der nur zum Schneeraeumen auf dem Grundstueck dient, manche machen es auch von Hand.
Schoen ist auch, dass man hier einfach so angeln darf ohne Lehrgang - man glaubte mir kaum, dass man in Dtl. eine Pruefung machen muss bevor man angeln darf! Man holt sich einen Angelschien (ca 40 Dollar pro Jahr), bekommt eine Broschuere mit den aktuellen oertlichen Gesetzen und los geht's.
Viele Leute jagen auch. Es ist moeglich sich den Jahresbedarf an Fleisch selbst zu schiessen. Ein tag (das man nach dem Abschuss am Tier befestigen muss) fuer ein Reh kostete damals 30 Dollar, ein Elch $60. Heute ist es etwas teurer. Wir hatten meist 2 Rehe im freezer.
Viele Leute haben zumindest einen kleineren Gemuesegarten der meist eingezaeunt ist. Die Auswahl an Pflanzen ist aber oft begrenzt durch die kurze Wachstumsperiode. Man kann zwar einige Pflanzen im Haus oder gewaechshaus vorziehen, muss sich aber bei den kartoffeln beeilen weil die erst Mitte Mai gesteckt werden koennen, Mitte September friert es dann schon wieder.
Kurz zum Klima: in den Kuestengebieten und hier im sueden BC's hat man in den Niederungen meist sehr mildes Klima. Die Ostkueste ist etwas rauher, die Mitte dagegen mit den Prairieprovienzen hat kurze warme bis heisse sommer und sehr lange kalte Winter. Man muss sich von Oktober bis Mitte Mai meist sehr warm anziehen. Das Okanagan Valley wo wir leben gehoert zu den waermsten Gegenden Kanadas. Etwas milder ist auch der Sueden Ontarios und ein paar Kuestenstreifen in Nova Scotia wo auch Wein angebaut werden kann.
Jetzt speichere ich das erstmal und hoffe, dass der eine oder andere meinen kurzen Ueberblick interessant findet.
LG, Citty