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Wälder machen Regen

Verfasst: Sa 7. Nov 2015, 16:17
von Steinbock
Im Jahr 2006 entwickelten die beiden russischen Wissenschaftler, Victor Gorshkov und Anastassia Makarieva, beide Physiker vom Petersburger Kernforschungsinstitut, eine Theorie über den Zusammenhang zwischen Wäldern, Windzirkulationen und Wasserkreisläufe.

Dabei entdeckten sie, dass es selbst im Innern von Kontinente wie Eurasien oder Afrika, tausende Kilometer von den Küsten entfernt, Regen gab, obwohl nach bisheriger Theorie eigentlich nur in einem mehrere hundert Kilometer breiten Streifen entlang den Küsten mit Regen zu rechnen wäre.
Entscheidend, nach Meinung der beiden Wissenschaftler, ist zum einen der sogennante Leaf Area Index (quasi der Blattflächenindex, d.h. die Menge an Pflanzenoberfläche bezogen auf einen Quadratmeter Erdoberfläche über die die Pflanzen u.a. Wasser verdunsten) und zum anderen die Kondensation des Wasserdampfes in höheren, kühleren Luftschichten. Wasserdampf nimmt bei gleichem Druck und bei gleicher Menge an H2O-Molekülen etwa tausend mal mehr Volumen ein.
Durch die Kondensation entsteht also ein Unterdruck, der Luft aus der Umgebung bzw. aus Gebieten mit höherem Luftdruck nachzieht.
D.h. durch das Kondensieren des verdunsteten Wassers über den Wäldern entsteht nach deren Angaben ein Sog, der zum einen innerhalb eines Kontinents für einen Wasserkreislauf sorgt, aber auch feuchte Luft von den Meeren anzieht.

Sie erklären, dass es etwa in Australien deswegen so trocken im Inneren des Kontinents ist, weil die ersten Besiedler vor wenigen zehntausend Jahren die Wälder an den Küsten abholzten und damit den Wasserkreislauf innerhalb des Kontinents unterbrachen.

Hier ist das Prinzip in einer einfachen Grafik dargestellt:

Bild

Von hier:
Soil sustainability
By Dr J Floor Anthoni (2000)
http://www.seafriends.org.nz/enviro/soil/sustain.htm

Hier ist das Ganze als Artikel in Spektrum der Wissenschaften dargestellt:
Revolution in der Windmaschine
Daniel Lingenhöhl, April 2009
Amazonien oder der Kongo gelten als Lungen der Erde: Ihre riesigen Regenwälder sollen unsere Sauerstoffversorgung zumindest mit gewährleisten. Doch vielleicht sind sie auch eine Art Herz - indem sie Wind und Wasser rund um den Planeten pumpen. Müssen gängige Zirkulationsmodelle überdacht werden?
http://www.spektrum.de/news/revolution- ... ine/987877

Und hier kann man die Entdeckung bzw. die Studie (in englisch) mit ihren Formeln genau nachlesen:

Biotic pump of atmospheric moisture as driver of the hydrological cycle on land
http://tinyurl.com/biotic-pump

Re: Wälder machen Regen

Verfasst: Sa 7. Nov 2015, 16:42
von Steinbock
Meiner Meinung nach, und ich habe mir von der Studie bisher nur die ersten zwei Seiten von 21 durchgelesen und auch nicht einige Seiten mit einer ausführlichen Diskussion zu dieser neuen Theorie, ist der Hauptantrieb für den durch Bäume erzeugten Wasserkreislauf, nicht die Kondensation, sondern schon die Verdunstung, WEIL feuchte Luft LEICHTER(sic!) als trockene Luft ist.
Erklärung: Luftdruck wird erzeugt durch Stoßreaktionen der Luftmoleküle untereinander und gegen umgebende Flächen. Dabei ist Druck umso höher je höher die Temperatur oder die Anzahl der Teilchen ist. Die Luftdichte hängt wiederum von der durchschnittlichen Dichte der darin enthaltenen Moleküle bzw. Teilchen ab. In die durchschnittliche Dichte gehen ein die Anteile der Luftbestandteile sowie deren jeweilige Massen.
Rho(Dichte) = Masse/(Norm-)Volumen = (Masse eines Teilchens * Anzahl der Teilchen)/(Norm)Volumen
Rho-gesamt bzw. Rho-Durchschnitt = gesamt-Masse/(Norm-)Volumen = (Masse Teilchen-1 * Anzahl Teilchen-1 + Masse Teilchen-2 * Anzahl Teilchen-2 + ...)/(Norm-)Volumen

Die Luft besteht zu etwa 78% aus Stickstoff, zu 21% aus Sauerstoff und 1% aus allen restlichen Stoffen wie Wasserdampf/Wassertröpfchen, Ruß, Edelgase etc. Stickstoff, genauer Stickstoffmoleküle haben ein Atomgewicht von 28u (N2 = 2 x 14u), Sauerstoff, genauer Sauerstoffmoleküle haben ein Atomgewicht von 32u (O2 = 2 x 16u). Wasserdampf, genauer Wasserdampfmoleküle haben ein Atomgewicht von nur 18u (H2O = 2 x 1u + 1 x 16u).
Wenn jetzt die Luft einen höheren Feuchtigkeitsgehalt hat als vorher, dann sind also Wasserdampfmoleküle zu einer bestimmten Menge an Luft dazugekommen und diese haben höchstwahrscheinlich Stickstoff- oder Sauerstoffmoleküle verdrängt, also 18u-Moleküle haben 28u- bzw. 32u-Moleküle verdrängt. Die durchschnittliche Dichte der Luft wird dadurch geringer, wenn auch nur wenig.

Was ergibt sich jetzt insgesamt aus dieser Erkenntnis:

1. Je mehr Wälder wir abholzen desto unwirtlicher oder auch unbewohnbarer wird unser Planet, was zu all den Umweltverschmutzungen und -zerstörungen noch dazukommt. Ganz gut kann man das schon am Beispiel Brasiliens sehen wo es inzwischen in großen Teilen des Landes Probleme mit zuwenig Regen Dank einer immer größerer abgeholzter Fläche des Amazonas gibt.
2. Wir können Dürregebiete, entgegen den düsteren Prophezeiungen zum Thema Klimawandel, wieder in fruchtbare grüne Flächen verwandeln, wenn man auf intelligente Weise entsprechend viele Bäume pflanzt. Dafür gibt es alle möglichen Methoden, die auch sehr einfach und billig sein können.

Re: Wälder machen Regen

Verfasst: Sa 7. Nov 2015, 16:49
von Steinbock
Noch was wichtiges vergessen:
Die Verbreitung dieses Wissens kann Flüchtlingströme, viel menschliches Leid und viele Todesopfer vermeiden helfen.

Re: Wälder machen Regen

Verfasst: So 8. Nov 2015, 00:00
von Sabi(e)ne
google mal nach http://www.theblueeconomy.org/Home.html -speziell nach Kolumbien....

Re: Wälder machen Regen

Verfasst: So 8. Nov 2015, 14:54
von Steinbock
Las Gaviotas kenne ich schon eine Weile. Bei Franz Alt auf seiner alten Seite gab es im Sommer 2012 einen Artikel darüber (geliehen vom Ithaka-Journal):
Bäume als Regenmacher in der Steppe
Soweit das Auge reichte, lag menschenleere Ödnis. Noch vor 25 Jahren herrschte trostlose Steppe im kolumbianischen Las Gaviotas. Heute wachsen wieder Waldgärten auf über 8000 ha, und mit dem Wald kehrte auch der Regen zurück. So ernährt der Wald bereits über 200 Familien, die neben veredelten Produkten aus den Waldgärten inzwischen sogar Trinkwasser in die Hauptstadt verkaufen. In der Nachbarschaft harren noch 6,3 Millionen Hektar Steppe ihrer Rückverwandlung in Regenwald. Von Haiko Pieplow und Ute Scheub
Quelle:
Haiko Pieplow und Ute Scheub 2012
Artikel im Ithaka Journal 2012 (http://www.ithaka-journal.net/baume-als ... -kolumbien)
Mit freundlicher Genehmingung: Delinat-Institut für Ökologie und Klimafarming 2012
Von Sonnenseite.com


Damals kannte ich allerdings diese Theorie der beiden Wissenschaftler noch nicht, d.h. wie stark Wälder den Wasserkreislauf wirklich beeinflussen können.
Es gibt auch die Geschichte von dem indischen Bauern Abdul Kareem, der es sich auch zur Lebensaufgabe gemacht, hat ein trockenes Stückchen Erde in Indien wieder in ein Paradies zu verwandeln:

Abdul Kareem: a seed sent from heaven.
For 25 years Abdul Kareem has put his protective arms around a rocky hill side- to let it bloom.
Abdul Kareem, in front of you, wends and weaves through the thicket with a proud ease. But then he has been around here - for 25 years, in fact. He has seen the 32 acres of a lateritic hillside grow into this wild forest. He had simply dreamed it, willed it, kept vigil, stood guard, ran a few errands- and the forest happened. And is still happening: it's a work in progress. Abdul Kareem has created and saved forever a piece of wilderness for India.
http://www.goodnewsindia.com/Pages/cont ... areem.html

Beim letzteren Beispiel war ich mir allerdings nie ganz sicher ob diese Geschichte stimmt und ob sie nicht einfach so ein Märchen wie das von " Der Mann, der Bäume pflanzte" von Elzeard Bouffier ist, was in der Provence spielt, sich aber nie wirklich ereignet hat.

Beide Beispiele zeigen, dass es auch möglich ist, innerhalb eines Kontinents mit dem Bäume pflanzen anzufangen und eine "Steigerung" der Regenmenge zu erzielen. Allerdings denke ich, dass es von den Küsten her doch einfacher ist.
Ich frage mich wie dieser Ingenieur Gunter Pauli die Anfänge von Las Gaviotas finanziert hat. Nach dem Ithaka-Artikel hatte Herr Pauli es in zehn Jahren geschafft 5.000 Hektar (= 50 qkm) Wald anzupflanzen. Und dann hat er vermutlich erst nach diesen zehn Jahren ein bischen Erträge einfahren können. Er muss vermutlich relativ wohlhabend (gewesen?) sein.

Hier ist noch eine tolle Geschichte aus der Sahelzone, die bei uns in Deutschland vermutlich auch ziemlich unbekannt ist:

Ein Vortrag des Engländers Tony Rinaudo, derzeit ein Mitarbeiter von World Vision, über sein jahrzehntelanges Engagement in der Sahelzone, genauer in Niger, das durch eine glückliche Entdeckung (Ende der 80er?) endlich Erfolg brachte:

Tony Rinaudo: "Against the odds: Reversing desertification in arid and semi arid lands"
https://www.youtube.com/watch?v=Dm_qlyvdZ_A

Er entdeckte, dass im Boden noch jede Menge aktiver Wurzeln von Bäumen vorhanden sind, die nur darauf warten bei richtiger Pflege wieder zu richtigen großen Bäumen heranzuwachsen. Das ist quasi das was bei uns alljährlich z.B. bei Weiden passiert: "Auf den Stock setzen". Die Methode hat er Farmer Managed Natural Regeneration (FMNR) genannt (quasi "Durch Landwirte gesteuerte natürliche Aufforstung" ).
The Development of Farmer Managed Natural Regeneration
Posted September 24, 2008 by Tony Rinaudo
http://permaculturenews.org/2008/09/24/ ... eneration/

Eines ist aber jedenfalls bei all diesen Beispielen ganz klar: Man braucht keine weitere Erforschung der Wüstenbegrünung. Alles ausreichende Wissen ist bereits vorhanden. Es muss nur noch Geld in die Hand genommen werden, damit möglichst viele Menschen mithelfen können, Wüsten wieder fruchtbar und damit auch bewohnbar(!) zu machen, was später dann auch zu jeder Menge Arbeitsplätze in der Natur(!) verhelfen würde.
Alles eine Frage des politischen Willens.

Re: Wälder machen Regen

Verfasst: So 8. Nov 2015, 15:54
von Sabi(e)ne
@steinbock: das ist der Erfinder von Ecover - Biowaschmittel...er hats groß gemacht, und dann verkauft.
Er ist Entrepreneur - Ideen zu Geld machen ist sein Job.
https://www.google.de/?gws_rd=ssl#q=gunter+pauli+ted

Re: Wälder machen Regen

Verfasst: Fr 27. Nov 2015, 03:12
von Fred
Ein Weiteres Beispiel ist der Regenwald in Paraquay, auf höhe des südlichen Wendekreises. Erklärt in dem Ted-Talk von Antonio Donato, der als Atmosphärenforscher dies erkannte, und dann frustriert war, daß die Ureinwohner das schon lange sagen.

https://www.youtube.com/watch?v=CIesJyZUWTY
http://www.ted.com/talks/antonio_donato ... _around_us

Re: Wälder machen Regen

Verfasst: Fr 27. Nov 2015, 19:15
von Steinbock
@Fred

Danke für den Link zu dem TED-Vortrag von Antonio Nobre. Ja diese "flying rivers" (d.h. die Wolkenströmungen in Südamerika, ausgelöst durch den Amazonas-Regenwald) sind wirklich ein erstaunliches Phänomen, vor allem weil sie so riesig sind - die Wassermenge, die sie täglich transportieren, ist größer als das, was an der Mündung des Amazonas, dem größten (nach Abfluss: mittl. Abfluss pro Sekunde lt. Wikipedia: 206.000 m³/s, der Rhein: 2.900 m³/s) Fluß der Welt, ins Meer fließt.

Hier ist noch ein guter Vortrag des Forstwissenschaftlers Douglas Sheil:

Douglas Sheil - Do forests attract rain?
http://www.youtube.com/watch?v=WBkOos12Xzs

Er ist befreundet mit den beiden russischen Wissenschaftlern Victor Gorshkov und Anastassia Makarieva.

Und eine Analyse der Situation in Brasilien angesichts der Dürre und der Wasserknappheit, die dort bis März diesen Jahres herrschte. Dieses Problem ist aber trotz einiger kräftiger Regenfälle seither noch nicht wirklich verschwunden.

3 Maps Help Explain São Paulo, Brazil’s Water Crisis
November 04, 2014

http://www.wri.org/blog/2014/11/3-maps- ... ter-crisis

Interessant ist vor allem die Karte zum dritten Punkt, die die Abholzung im nördlichen Teil Südamerikas von Sommer 2012 bis Sommer 2014 zeigt.