Manfred hat geschrieben:
Ich verstehe nicht, wieso man das Zwischenlager für die bereits geborgenen Brennstäbe aus den anderen Abkühlbecken und für die Schlämme und Filter aus der Aufbereitung des Kühlwassers auf dem Gelände selbst eingerichtet hat und nicht auf sicherem Grund. Dann wäre das Zeug auch aus der Schusslinie, falls es zu einem erneuten großen Vorfall kommt, z.B. weil bei der Bergung der weiteren Brennstäbe etwas schief geht oder weil ein neues starkes Beben das Kühlbecken beschädigt etc.
Kleine Begriffspräzisierung: Das Zeug wäre nicht aus der Schusslinie, um bei deinem Beispiel zu bleiben, denn das Zeug ist die Munition.
Ich verstehe das schon.
Abgebrannte Brennelemente werden beim Kraftwerk gelagert, weil sie dort erzeugt werden und weil niemand weiss wohin damit.
Das ist überall auf der Welt so.
Das hätte man sich besser vor der Inbetriebnahme von Kernkraftwerken überlegt, aber das tut man ja auch in Westeuropa prinzipiell nicht.
Bei modernen, dem neuesten Stand der Technik entsprechenden Anlagen ebenso nicht wie bei Klitschen wie Fessenheim oder Mühleberg.
Ja, wohin um Gottes Willen sollen sie denn damit? Wir reden da von Dutzenden von Tonnen höchstradioaktivem Müll in undefinierten Zustand. Wie teuflisch das ist, mag das Beispiel des
Goiania-Unfalls zeigen - dort ging es aber "nur" um knapp 100 Gramm, nicht um einige Tonnen.
Zweitens ist das Ganze dort ein absolutes Gebastel und ein Improviseren übers andere. Dort funktioniert nach der Katastrophe überhaupt nichts mehr. Die Mahner vor der Katastrophe wurden genau deswegen als professionelle und ideologisch motivierte Schwarzmaler verunglimpft. Jetzt, nachdem es so schlimm gekommen ist, beruft man sich auf die Katastrophe. "Die Katastrophe ist schuld daran, dass ... "
Ich darf daran erinnern, 1896 gab es genau dort schon mal ein ähnlich starkes Erdbeben mit nachfolgendem Tsunami. Die Kraftwerksbetreiber haben beschlossen, aus Kostengründen ihre Anlage nicht für eine Wiederholung eines derartigen Ereignisses auszulegen.
Das war eben ein Super-GAU (GAU = grösster
anzunehmender Unfall). Auslegung auf allzu schlimme Katastrophen würde ja die Rentabilität im Normalbetrieb gefährden. Deshalb heisst es eben nicht GDU (grösster denkbarer Unfall).
Die Betreibergesellschaft bastelt sich ein Unfallszenario zusammen, das kommunizierbar ist, und das Verantwortungsbewusstsein der Firma gegenüber der ihr anvertrauten Bevölkerung zeigt. Aber bitte nicht so schlimm, dass die Leute nicht mehr wollen oder dass es gar unrentabel wird.
Die gleiche Mentalität tritt immer dort auf, wo theoretisch funktionierende, aber in der Praxis unbeherrschbare Technik für kommerzielle Nutzung "optimiert" wird. In Europa wären die
Katastrophe von Vajont oder der
Unfall von Seveso ein Beispiel dafür. Sowie ausnahmslos jedes AKW, falls eines platzt (was Gott verhüten möge, die Menschen können es offenbar nicht).
Diese Mentalität ist die eigentliche Ursache des Problems. Der Tsunami war nicht die Ursache, er war nur der Anlass.
Das Prinzip ist immer das Gleiche:
Vor der Katastrophe gilt die Sache als sicher, da ja nichts passiert ist.
Für die Sicherheit zuständig ist ein Amt mit Sachverständigen, die mit der Industrie verbandelt sind und eng mit diesen zusammenarbeiten, oder der Bequemlichkeit halber die Betreibergesellschaft gleich selber, weil dort ja die geballte Sachkompetenz sitzt.
Was kriegst du für einen Prozess, wenn der gegnerische Anwalt auch noch wichtigster Experte in Sachfragen ist und es keine Berufungsinstanz gibt? Sowas gibt es im Rechtsstaat nicht? Warum dann in der Atomindustrie?
Nach der Katastrophe ist die Ursache immer eine unglückliche Verkettung von Umständen, die so nicht voraussehbar war.
Die Betreibergesellschaft wird liquidiert;
der Steuerzahler muss einspringen;
unmittelbar Betroffene erhalten eine symbolische Entschädigung, wenn sie die Sache überlebt haben, ferner Zelte oder Baracken, Milchpulver und Wolldecken;
die anderen ein Denkmal;
ein paar Direktoren werden bei vollem Gehalt in den Ruhestand versetzt,
aus dem Gelände wird je nachdem ein Sperr- oder Naturschutzgebiet,
andere ebenso hoch riskanten Technologien werden, da überhaupt nicht vergleichbar, aber rentabel, weiter betrieben;
nach einigen Wochen oder Monaten verschwindet das Thema aus der Presse: "Wir müssen jetzt vorwärts blicken, alles andere bringt nichts";
und die Erde dreht sich weiter.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.