Vom Sinn und Unsinn der Selbstversorgung

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emil17
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Re: Vom Sinn und Unsinn der Selbstversorgung

#31

Beitrag von emil17 » Sa 1. Jan 2022, 18:36

Wie das mit der Agrarindustrie und internationalenn Konzerne laufen kann, da wäre Guatemala und die United Fruit Company ein gutes Beispiel.
Es ist ja nicht so, dass überall da, wo man industrielle Landwirtschaft eingeführt hat, nun bittere Armut unbekannt wäre. Es ist eher so, dass die "überzähligen" Campesinos aus der Produktion fallen - wie und wovon die leben, ist dann kein Problem der Landwirtschaft mehr, denn die sind ja freiwillig in die Slums und Bidonvilles der Grosstädte gezogen. Wenn einige davon es nicht so toll finden, ihr Land zu verlieren, von dem sie in bitterster Armut immerhin leben konnten, dann greifen die Interessenvertreter der Grosskonzerne zu Lobbyarbeit unter dem Deckmantel der Rettung des freien Eigentums oder was auch immer.

Die wahre Arroganz und Ideologie liegt darin, dass wir glauben, unserer hocheffiziente industrielle Produktionsweise sei zusammen mit globalem freiem Handel an den Börsen die Heilung von allen Übeln dieser Welt und die einzige Möglichkeit des sinnvollen Wirtschaftens überhaupt, egal auf welchem Kontinent und in welcher Gesellschaft.

Das Beispiel der lebensrettenden Spitzenmedizin hat mit dem Problem wenig zu tun, denn für die Mehrheit der armen Bevölkerung ist diese Art Medizin schlicht unzugänglich. Ob man in Bangladesh Hosen näht oder in Ghana Elektronikschrott "recycelt" oder in Mittelamerika oder Indonesien auf den Plantagen arbeitet oder zu den 50% Erwerbslosen der Unterschicht einer Grosstadt gehört, ist dabei ziemlich egal.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

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Rohana
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Re: Vom Sinn und Unsinn der Selbstversorgung

#32

Beitrag von Rohana » Sa 1. Jan 2022, 18:45

Teetrinkerin hat geschrieben:
Sa 1. Jan 2022, 14:59
Es gibt Leute hier, die einfach immer alles besser wissen...
Ja sorry wir sind an der landwirtschaftlichen Realität einfach ein bisschen näher dran, das ergibt sich aus der Sache :hmm: oder sollen wir damit hinter dem Berg halten, um die Seifenblasen anderer nicht zu zerstören? Es gibt eh schon eine so grosse Diskrepanz zwischen dem Bevölkerungsanteil der IN der Landwirtschaft oder zumindest nahe dran arbeitet, und dem Bevölkerungsanteil der meint die ultimativen Lösungen für alle Probleme in diesem Fachbereich zu haben... da hilft auch die "Selbstversorgung" nicht, weil's eben einfach nicht das selbe ist. Und ich gönne Penelope total ihre meditative Runde Strauchschnitt schnippeln... ich meine, andere Leute bezahlen für's Waldbaden :lol: (bei mir nicht, hier gibts das umsonst).
Und ja, wir sind auf Maschineneinsatz angewiesen. Aber man darf einfach dennoch gewisse Dinge hinterfragen, ob alles so Sinn macht, wie es bisher läuft.
Klar darf man. Dann aber bitte auch zuende denken, die Landwirtschaft existiert nicht im luftleeren Raum!
emil17 hat geschrieben:
Sa 1. Jan 2022, 18:36
Die wahre Arroganz und Ideologie liegt darin, dass wir glauben, unserer hocheffiziente industrielle Produktionsweise sei zusammen mit globalem freiem Handel an den Börsen die Heilung von allen Übeln dieser Welt und die einzige Möglichkeit des sinnvollen Wirtschaftens überhaupt, egal auf welchem Kontinent und in welcher Gesellschaft.
Wer ist "wir"? Ich glaube da jedenfalls definitiv NICHT dran. Es wird die Welt aber auch nicht retten wenn wir hier unsere hocheffiziente Produktionsweise aufgeben, genausowenig wie die Versuche einiger, dieses 1:1 auf andere Regionen und Gegebenheiten zu übertragen.
Ein jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise... (Ringelnatz)

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Re: Vom Sinn und Unsinn der Selbstversorgung

#33

Beitrag von Teetrinkerin » Sa 1. Jan 2022, 18:59

Äh, Rohana, dir ist schon bewusst, dass ich in der Landwirtschaft aufgewachsen bin? Oder befähigt das nicht, hier mitschreiben zu dürfen? Soweit ich weiß, hast du auch "nur" eingeheiratet.

Das unsere Produktion hocheffizient ist, stimmt so nicht, wie ich in einem vorigen Post geschrieben habe, wenn man sich den In- und Output an Energie vor Augen führt.

@Emil,
ich glaube, dass wir in der Zukunft nicht umhin kommen, wieder mehr SV zu betreiben. Unsere Ressourcen zerstörende Lebensweise ist auf Dauer nicht mehr tragfähig.
Ich stimme deinem Post völlig zu.

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emil17
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Re: Vom Sinn und Unsinn der Selbstversorgung

#34

Beitrag von emil17 » Sa 1. Jan 2022, 19:18

Ich finde es schön, dass wir eine effiziente Landwirtschaft haben, denn so muss ich mich nie sorgen, ob etwas auf den Tisch kommt, und ich muss mich nicht den ganzen Tag alleine damit beschäftigen.
Ich würde es auch schön finden, wenn sich unsere effiziente Landwirtschaft nicht immer mit noch mehr Effizienz aus ihren strukturellen Problemen lösen wollte, die zum grossen Teil eben durch Effizienz verursacht oder verschärft werden.
Eben weil Landwirtschaft alle betrifft, reden auch so viele mit. Die haben nicht alle keine Ahnung, bloss weil sie berufsfremd sind.
OB SV die Lösung ist? Vielleicht eine Teillösung - und sei es nur, weil, wer selber Kartoffeln oder Salat anbaut, sich die Ware im Laden anders anschaut.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Manfred

Re: Vom Sinn und Unsinn der Selbstversorgung

#35

Beitrag von Manfred » Sa 1. Jan 2022, 19:26

@Teetrinkern:
Was sind denn dann bitte deine Lösungsansätze?
Du hast sinngemäß geschrieben, dass es die "moderne" Landwirtschaft nicht braucht, weil es ja mancherorten noch mit Subsistenzwirtschaft funktioniert.
Was soll ich denn daraus anderes schließen, als dass du die moderne Landwirtschaft abschaffen und wieder durch Subsistenzwirtschaft mit all ihren Folgen ersetzen willst?

Ich gehe ja nach wie vor davon aus, dass du das nicht bösartig meinst.
Aber du scheinst dir keinerlei Gedanken darüber zu machen, was deine Aussagen in der Praxis bedeuten würden und für die Menschen, die heute noch so leben müssen, in der Praxis bedeutet.

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Re: Vom Sinn und Unsinn der Selbstversorgung

#36

Beitrag von Teetrinkerin » Sa 1. Jan 2022, 19:44

Dass es auch anders als nur groß geht, zeigt der Trend zu mehr Marktgärtnern (mir ist durchaus bewusst, dass das nicht mit Getreide und Ölfrüchten geht). Einer Marktgärtnerin folge ich auf Instagram und es ist erstaunlich, wie viel sie produziert mit minimalem Geräteinsatz. Ob sich darin Wege in die Zukunft zeigen, wird sich weisen. Jedenfalls wird auch auf dem Gebiet geforscht und ich finde, man sollte dem nicht generell ablehnend entgegen stehen, nur weil es seine eigene Realität oder Seifenblase nicht zulässt. Meine Kindheit und Jugend in der Landwirtschaft hat mich vieles gelehrt, auch vor allem, dass es viele Landwirte gibt, die die Natur als Feind ansehen. Genau das möchte ich anders machen! Wir können nicht gegen die Natur arbeiten, nur mit ihr.

Manfred, wo habe ich geschrieben, dass es moderne Landwirtschaft nicht braucht oder dass ich sie abschaffen möchte? Du legst mir ständig Dinge in den Mund, die ich nicht von mir gegeben habe. Ein kritisches Hinterfragen bedeutet nicht, dass man alles abschaffen möchte.

Gedankenlosigkeit sehe ich eher deinerseits....

Penelope, vielleicht hätte ich heute auch lieber Strauchschnitt zerkleinert. Wäre jedenfalls eine sinnvollere Tätigkeit gewesen...

Manfred

Re: Vom Sinn und Unsinn der Selbstversorgung

#37

Beitrag von Manfred » Sa 1. Jan 2022, 19:55

Die Marketgardening-Betriebe sind, wie Ölkanne schon schriebe, zu ziemlich die intensivste Form der Landwirtschaft überhaupt und trotzdem auf eine hochpreisige Direktvermarktung angewiesen.
Das ist eine winzige Marktnische. Und sollte so eine Betrieb eine Kontrolle nach der Düngeverordnung erleben, bin ich sehr gespannt, ob er dann noch lange existieren wird. Aktuell fallen sie idR durchs Raster, weil sie keine Betriebsprämie beantragen und durch nicht durch die CC-Kontrollen erfasst werden. Das ändern aber nichts daran, dass sie rechtlich die Düngeverordnung einhalten müssten...
Das läuft aktuell alles unter "wo kein Kläger, da kein Richter".

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Re: Vom Sinn und Unsinn der Selbstversorgung

#38

Beitrag von emil17 » Sa 1. Jan 2022, 21:12

Manfred hat geschrieben:
Sa 1. Jan 2022, 19:55
Die Marketgardening-Betriebe sind, wie Ölkanne schon schrieb, ziemlich die intensivste Form der Landwirtschaft überhaupt und trotzdem auf eine hochpreisige Direktvermarktung angewiesen.
Das ist eine winzige Marktnische.
Ein Betrieb muss ja auch nur für sich selber eine Nische finden, in der er gut über die Runden kommt. Wenn jeder Landwirt in D Mutterkuhhaltung macht, klappt das auch nicht. Trotzdem ist dagegen nichts einzuwenden.
Manfred hat geschrieben:
Sa 1. Jan 2022, 19:55
Das läuft aktuell alles unter "wo kein Kläger, da kein Richter".
"Der Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung. (W. Busch")
Freu dich doch, dass einige es schaffen. Wenn der damit besser über die Runden kommt als wenn er 500 Tonnen Getreide zu nicht kostendeckenden Preisen erzeugt, bloss weil er schon immer Getreide gemacht hat, dann hat er etwas begriffen.
Wer will, findet einen Weg. Wer nicht will, findet eine Ausrede.

Benutzer 4754 gelöscht

Re: Vom Sinn und Unsinn der Selbstversorgung

#39

Beitrag von Benutzer 4754 gelöscht » Sa 1. Jan 2022, 21:24

emil17 hat geschrieben:
Sa 1. Jan 2022, 21:12
Manfred hat geschrieben:
Sa 1. Jan 2022, 19:55
Das läuft aktuell alles unter "wo kein Kläger, da kein Richter".
"Der Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung. (W. Busch")
Freu dich doch, dass einige es schaffen. Wenn der damit besser über die Runden kommt als wenn er 500 Tonnen Getreide zu nicht kostendeckenden Preisen erzeugt, bloss weil er schon immer Getreide gemacht hat, dann hat er etwas begriffen.
Das ist kein neid, das ist ärgern über kontrollücken.

Wenn man nur über die Runden kommt weil man massivst gegen Gesetze verstößt und die Umwelt deutlich stärker belastet als erlaubt sollte man seien laden ganz schnell dicht machen.

Manfred

Re: Vom Sinn und Unsinn der Selbstversorgung

#40

Beitrag von Manfred » Sa 1. Jan 2022, 21:48

Das ist weder Neid noch Ärgern über Kontrolllücken.
Ich habe nicht umsonst über Jahre in mehreren einschlägigen Foren immer wieder Infos zum Marketgardening verlinkt, um Leute auf die darin liegenden Chancen hinzuweisen.
Aber ich sehe diese Betriebe halt halbwegs realistisch.
Sie füllen eine kleine Nische und bringen ihre eigenen Probleme mit sich.
Sie sind aber in keiner Weise repräsentativ für die gesamte Landwirtschaft und auch nicht für die Gemüseproduktion und im Nordamerikanischen Stil betrieben in D rechtlich problematisch. Aber man kann ja auch im Rahmen der Düngeverordnung Gemüse anbauen. Nur dann halt mit etwas anderen Methoden.

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